laut.de-Kritik
Wenn Captain Kirk ruft, kommen sie alle.
Review von Dani FrommMit Stimmbändern, die fast neun Dekaden gelebten Lebens gegerbt haben, wirst du eher kein Startenor mehr, und wohl auch kein Doubletime-Rapper. Was also soll ein steinalter Mann machen? William Shatner hat die Zeichen der Zeit erkannt und singt "The Blues".
Das Genre komnmt ihm in vieler Hinsicht entgegen. Da es in den allermeisten Fällen um Liebe geht, in der Regel um deren unerwiderte Sorte, darum, sich im eigenen Herze- und Selbstmitleid so richtig ausgiebig zu suhlen, stört Shatners medial ziemlich gut dokumentierter Hang zum Overacting weniger als anderswo. Lebenserfahrung schadet nie, Spaß an der Sache scheint Shatner zu haben. Warum also kein Blues-Album aufnehmen?
Zumal er eine mittlerweile zwar ziemlich abgegriffene, aber immer noch verdammt hohe Trumpfkarte auf der Hand hat: Er ist verdammtnocheins für immer und alle Zeit einfach Captain James T. Kirk, und wenn der ruft, kommen sie alle. Alle! Ein Blick auf die Featureliste liefert den Beweis.
Ritchie Blackmore und Gattin Candice Night stehen da, Seite an Seite mit Pat Travers, Tyler Bryant oder Blues Brother Steve Cropper. Selbst in Country, Blues und Hardrock komplett unbewanderten Menschen (also mir) schlackern beim Hinterhergooglen, wer das eigentlich jeweils ist, an der Gitarre, die Ohren angesichts der Titel, Auszeichnungen und großen Namen, die da im Dutzend billiger fallen.
Harvey Mandel? Seit 1969 On-Off-Mitglied von Canned Heat. Brad Paisley? Dreifach Grammy-dekorierter Country-Star. Jeff Baxter? Hat mit Steely Dan und den Doobie Brothers gespielt, Country Boy Albert Lee mit Bo Diddley, Jerry Lee Lewis, Tom Jones oder Herbie Mann. Sonny Landreth? Gilt als der King of Slydeco. Die Laudatio bei der Aufnahme von James Burton in die Rock'n'Roll Hall Of Fame hielt vor fast zwanzig Jahren ein gewisser Keith Richards ...
Dass die musikalische Ausgestaltung von "The Blues" handwerklich tadellos ausfällt, versteht sich angesichts dieser Prominentenparade von alleine. Geht man die beteiligten Gitarristen einen nach dem anderen durch, kann man wirklich etwas lernen.
Bei der Songauswahl hingegen lernt noch nicht einmal der letzte Blues-Noob irgendetwas: Wenn die Herren um Shatner von "Sweet Home Chicago" über "Sunshine Of Your Love" und "I Put A Spell On You" zu "Crossroads" und "Route 66" einen Standard nach dem anderen runterrocken, und selbst die Hip Hop-Tante des Hauses jede einzelne Nummer kennt, können einfach keine bisher unentdeckt gebliebenen Perlen dabei sein.
Diese eigentlich mehr als gut abgehangenen Gassenhauer verwandelt Gastgeber William Shatner dann aber doch jeweils in etwas, das nie zuvor ein Mensch gehört hat: In wirklich unnachahmlicher Manier sprechsingt, doziert, krächzt und jault er sich durch die Stücke ... ehrlich, um das zu glauben, muss man es gehört haben. (Oder halt irgendeinen von Shatners früheren musikalischen Ergüssen, ich sag' nur "Tambourine Man".)
Genau dieser vorangegangenen musikalischen Ergüsse wegen liegt die Latte der Erwartungen etwa auf Knöchelhöhe, und, guck: Shatner flankt gleich mit der Eröffnungsnummer schwungvoll drüber. So vergleichsweise gut bei Stimme hätte ich den mittlerweile 89-Jährigen nicht erwartet. Seine komplett nicht existente Range gleicht er mit hörbarem Vergnügen und Enthusiasmus aus, davon jeweils viel.
Seine wirklich sehr spezielle Gesangsdarbietung verleiht diesen soliden Bluesheulern zwar das gewisse Etwas. Auf Albumlänge nutzt sich trotzdem auch der beste Witz ab. Ob die schräge Vorstellung überhaupt als Gag intendiert war, juckt in der 14. Wiederholung ohne nennenswerte Variation halt wirklich niemanden mehr.
Erträglich macht es der allgegenwärtige Galgenhumor. Shatner, das tat er schon in seinem letzten Buch, nimmt sich selbst, sein Ego und sein greises Alter durchaus auf die Schippe. Einer, der so lange durchgehalten hat, kann tatsächlich, ohne dabei noch ein allzu großes Risiko einzugehen, versprechen: "You know, my love will follow you until the day I die." Möge dieser Tag noch lange nicht kommen. Auch, wenn uns das noch mehr solche Alben beschert.
9 Kommentare mit 8 Antworten
Ist das wieder eine dieser Fließbandproduktionen Billy Sherwoods, in denen die Gastbeiträge der bekannten Namen einfach hineinkopiert werden und alle Songs sieben Minuten lang sind?
William Shatner ist natürlich die einzige Ausnahme eines Weißbrötchens, das Blues spielen darf. Ehrenmann.
Du hast Helge vergessen
Helge ist glaub ich die einzige Person überhaupt, die noch klassischen Jazz machen darf.
Nur dass er nichts spielt. Und singen kann man das auch nicht nennen.
Eigentlich macht er gar nichts, außer irgendwie da zu sein.
Es gibt eben so viel Tragisches, wovon uns diese geschunde alte Bluesseele erzählen kann. Sieh Dir nur das Cover an!
"Es gibt eben so viel Tragisches, wovon uns diese geschunde alte Bluesseele erzählen kann."
Das Drehbuch von "Star Trek V - Am Rande des Universums" dürfte jedenfalls genug Stoff für ein Konzeptalbum bieten.
Ist Shatner der Ur-Schweighöfer? (Schauspieler, der auch singt, aber nichts gut kann)
Keinen Disrespect an die Trekkies natürlich...
Disrespektiere soviel du willst. Jeder wahre Trekkie muss anerkennen, dass es vor und nach Picard keinen richtigen Sternenflottencaptain gegeben hat.
Dafür hat Picard natürlich weniger gefickt. Könnte ihn mir eher als Conscious-Rapper vorstellen.
Grenzt wie immer an Körperverletzung. 1/5 sollte klar sein.
ungehört 5/5. Shatner ist unfickbar. Eine letzte Bastion des guten Geschmacks. Wer der Welt James T. Kirk und Denny Crane geschenkt hat, kann kein schlechter Mensch sein!
Denny Crane
Damit ist alles gesagt.
Schade. Dabei war "Has Been" richtig gut (ohne Sch***). Danach eine Selbstdemontage nach der anderen.