Porträt

laut.de-Biographie

X-Clan

"Vainglorious! This is protected by the red, the black and the green with a key, sissy!"

Bei politisch motiviertem Hip Hop aus New York denken die meisten sofort an Public Enemy. Ein vergleichbarer kommerzieller Erfolg wurde den Street Soldiers vom X-Clan zwar nie zuteil. Dennoch zählt die Formation aus Brooklyn zu den Pionieren in Sachen afrozentrischer Conscious-Rap.

Just Blaze zum Beispiel weiß das zu würdigen: "Es vergeht kein Tag, an dem ich mir nicht einen X-Clan-Song anhöre." Gute vierzehn Jahre nach ihrem letzten Album schart Brother J, der von der Originalbesetzung übrig blieb, die nächste Generation von Clanbrüdern um sich und zelebriert seinen "Return From Mecca".

Die Geschichte der in traditionelle afrikanische Tracht gewandeten Crew reicht bis in die frühen 80er Jahre zurück. Da nämlich stolpern Brother J und Sugar Shaft auf der Highschool übereinander. Beide treibt der Wille, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten sinnvoll zu engagieren, in die Reihen der Jugendorganisation Blackwatch. Die hat sich zur Aufgabe gemacht, Rassismus zu bekämpfen, Ungerechtigkeiten publik zu machen und für die Freiheit des Wortes aufzustehen.

Hier treffen Brother J, auch geführt als The Grand Verbalizer, und DJ Sugar Shaft auf den Blackwatch-Mitbegründer Robert Lumumba Carson (besser bekannt als Professor X the Overseer) und Paradise the Architect, der die Aufgaben des Managers des frisch gegründeten X-Clans übernimmt. Erste Demo-Aufnahmen entstehen im Studio der Ultramagnetic MCs.

1990 erscheint bei Island Records das funk-geladene Album "To The East, Blackwards". "Das war eine einzige Party", freut sich Brother J noch Jahre später im Interview. Was nicht bedeuten soll, dass X-Clan-Debüt hätte inhaltlich nichts zu bieten. Im Gegenteil: Professor X und Brother J nehmen kein Blatt vor den Mund, thematisieren alltäglich zu beobachtenden Rassismus und predigen das Streben nach Erkenntnis und sozialer Gerechtigkeit. Für Inspiration sorgen die Ansichten von Malcolm X oder Marcus Garvey, afrikanische (insbesondere ägyptische) Mystik, Afrika Bambaataa mit seiner Zulu Nation und Sonny Carson, ein Bürgerrechtler und zudem Professor Xs Vater. Sugar Shaft wird seinem Alias The Rhythm Provider gerecht und sorgt für die passenden Samples.

Die Untergrundstrukturen arbeiten gut: Weitgehend ohne Unterstützung der Medien bringt es "To The East, Blackwards" zwar auf keine berauschende, wohl aber auf eine stattliche Anzahl verkaufter Einheiten. Der X-Clan begibt sich auf Tour. "Während der Tour war die Polizei hinter uns her", erinnert sich Brother J im Interview mit rap.de. "Von wegen wir würden in den Städten Krawalle und sowas verursachen. Wann immer etwas nicht richtig organisiert war und was passierte, hieß es, wir wären wir daran schuld, nur weil wir auf dem Flyer standen."

Bis der X-Clan 1992 (ebenfalls bei Island) das musikalisch wesentlich vielseitigere zweite Album, "Xodus", nachlegt, ist eine Menge zu tun. Man tourt mit Public Enemy, aber auch Einsatz in der Community wird groß geschrieben: Der Clan organisiert zahlreiche Veranstaltungen, darunter Wahlkampfaufrufe, Anti-Crack-Kampagnen in Schulen sowie "The Taking Of The Brooklyn Bridge" als Reaktion auf den Mord an Yusef Hawkins, einem 16-jährigen Schwarzen, der im August 1989 das Pech hatte in einen weißen Mob in Lynch-Laune zu geraten. Die Einheit aller Schwarzen ist das oberste Ziel, dem Religionen, so glaubt man, nur im Wege stehen: Der X-Clan schließt sich demzufolge nie einer Gruppierung wie der 5 Percent Nation, der Nation of Islam oder den Black Israelites an.

Beide X-Clan-Alben verpassen die Top 10 der Billboard R'n'B/Hip Hop-Charts nur knapp und steigen jeweils bis auf Platz 11. Im Umfeld des Clans bewegen sich, wie bei den Wu-Tang-Brüdern, zahlreiche mehr oder weniger lose assoziierte Acts, darunter Isis, Queen Mother Rage und YZ. Etliche Seitenprojekte veröffentlichen eigenes Material. Auch Professor X wagt 1991 mit "Years Of The 9: On The Blackhand Side" einen Alleingang. Sein Zweitschlag, "Puss N' Beats: The Struggle Continues", folgt zwei Jahre später.

Mitte der 90er sieht es für die gemeinsame Sache düster aus. Der Aufstieg des Gangsterrap scheint unaufhaltsam, politisch motivierte Gruppen verlieren an Einfluss. 1994 verlässt Brother J den X-Clan. Als Grund werden die allseits beliebten "künstlerischen Differenzen" angeführt. 1995 der nächste, weit schwerere Schlag: Sugar Shaft stirbt mit gerade einmal 23 Jahren an den Folgen einer HIV-Infektion. "Ich musste irgendetwas machen", so Brother J. Mit seinem Seitenprojekt Dark Sun Riders bringt er 1996 "Seeds Of Evolution" auf den Markt. Seine Verbundenheit zu Island Records zahlt sich allerdings nicht aus. Die Weigerung, sich dem aufkommenden R'n'B-Trend anzubiedern, bedeutet das Ende der Zusammenarbeit. Der X-Clan scheint endgültig Geschichte.

Erst Ende der 90er Jahre besinnt sich Brother J auf seine musikalische Vergangenheit und schart ein neues Team um sich. Unter dem Namen X-Clan Millennium Cipher tritt die nächste Reihe von Streitern an die Front. "Der heutige X Clan ist die zweite Generation derselben Seele", so Brother J gegenüber rap.de. "Alle Mitglieder sind immer noch in ein und demselbem Umfeld. Aber die aktiven Mitglieder sind Kumu, Master China (ein Cousin von Professor X; Anm. d. Verf.) und Ultraman, der schon seit ein einigen Jahren bei uns ist. Jüngst haben wir noch DJ Fat Jack aus Los Angeles aufgenommen. Außerdem dabei ist ACL aus New York - und ich natürlich."

Wetterte man beim X-Clan früher noch heftig gegen weiße Rapper, die man (im Gegensatz zu den schwarzen "Gorillas") verächtlich als "Eisbären" abtat, so sind inzwischen versöhnlichere Töne angesagt: "Ich respektiere 3rd Bass und ich respektiere Eminem", erklärt Brother J. "Ich werde sie niemals angreifen, nur weil sie weiße Künstler sind. Damals ging es mir darum, aufzuzeigen, dass weiße Künstler es leichter haben, und zwar weil ihre Leute sich gegenseitig unter die Arme greifen. Das ist eine Lehre, die es noch zu lernen gilt. Die Schwarzen unterstützen sich nicht gegenseitig, brother! Und ich kann niemanden hassen, nur weil er diese Unterstützung hat und ich nicht. Ich muss die Wahrheit akzeptieren. Doch uns geht es um Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung!"

Erst 2004 erscheint die Single "The One / Blackwards Row". Brother J dazu: "Wenn man professionell Musik macht, muss man gelegentlich mal in sich gehen. Man sieht ja, wie manche erfolgreichen Künstler sich verändern und komisch werden, so dass die Leute sagen: 'Man, dein Stern sinkt!' Manchmal muss man aussteigen und erst wiederkommen, wenn die Zeit dafür reif ist."

2005 scheint dieser Zeitpunkt gekommen: Der X-Clan meldet sich zurück. Die Veteranen treten bei der Def Poetry Jam und beim Legends Of Hip Hop-Konzert auf und reisen mit Damian Marley im Rahmen von dessen "Jamrock"-Tour durch die Lande. Das dritte X-Clan-Album des wird unter dem Titel "The Trinity" für 2006 angekündigt.

Vorher schlägt allerdings das Schicksal wieder zu: Am 17. März 2007 erliegt Professor X einer Hirnhautentzündung. Zwar sollte er auf "The Trinity" nur einen Gastauftritt absolvieren, dennoch ist an eine Veröffentlichung erst einmal nicht zu denken. Die Hip Hop-Gemeinde New Yorks trauert um einen der ihren. Unter anderem erscheinen Afrika Bambaataa und Kurtis Blow zur Beisetzung. Letzerer findet warme Worte: "Ich weiß, Lumumba hätte nicht gewollt, dass die Leute traurig sind, empört oder verärgert. Er glaubte an Afrika und die Afrikaner, an die in der Heimat und die weit davon entfernt. Er glaubte an Black Power." (allhiphop.com) Am 4. August wäre Professor X 50 Jahre alt geworden.

"The Trinity" erscheint im Frühjahr 2007 doch noch bei Suburban Noize Records, trägt dann allerdings den Titel "Return From Mecca". Unter den Featuregästen finden sich Jacoby Shaddix, der Leadsänger von Papa Roach, KRS-One und Chali 2na von den Jurassic 5. Gemeinsam mit diesen geht es dann auch auf Tour.

Die Kollegen von nobodysmiling.com wollten es wissen: Was erwartet die Fans beim Comeback des X-Clan nach vierzehn Jahren? "Intelligente Musik, die von Herzen kommt", verspricht Brother J. "Ich liefere Material, wie man es heute kaum noch hört. Viele Leute glauben, für Musik, wie Public Enemy oder wir sie gemacht haben, gibt es heutzutage keinen Platz mehr. Ich bin hier, um das Gegenteil zu beweisen. Was ich 1988 geschrieben habe, kann 2007 noch genau so wirkungsvoll sein."

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