laut.de-Biographie
Zola Jesus
Irgendwo im US-amerikanischen Bundesstaat Wisconsin liegt eine kleine Stadt namens Merrill. Schenkt man Nika Roza Danilova, der amerikanischen Sängerin mit russischer Seele, die hinter Zola Jesus steht, Glauben, muss es dort verdammt kalt sein: eine Kälte die sich in ihr Gemüt und ihre Musik, Goth-Pop mit experimentellen Sound und hochkulturellem Anspruch, gefressen hat.
Seit ihrem zehnten Lebensjahr übt sie auf eigene Faust passioniert Operngesang, der ihrer Stimme Tiefe und Ausdruck verleiht. Daneben studiert sie Französisch und Philosophie und interessiert sich als Querkopf vor allem für Avantgarde: Sie liest Dostojewski, Schopenhauer und Nietzsche. Joy Division und The Residents avancieren zu Lieblingsbands.
Mit 16 Jahren nimmt Danilova erste eigene Songs auf, viele davon a Capella, weil die Familie nur ein altes Klavier besitzt. Mit 18 Jahren startet sie ihr Projekt Zola Jesus, bei dem sie die Stimme einer Operndiva mit düsteren Soundfetischismus kombiniert.
Von Emotionen getrieben, bastelt Danilova mit episch rauschenden Synthesizern und krachigen E-Drums an minimalistisch-rauen Soundteppichen, die Noise-, Wave-, Industrial- und Gothic-Einflüsse besitzen und sich zugleich in den Harmonien auf melancholischen Pop der 60er Jahre beziehen. Das sehnsüchtige "Clay Bodies" von ihrem dritten Album "The Spoils" wird so zum ultimativen Nachfolger von "Just Like Honey" von The Jesus And Mary Chain.
"Wenn Danilova singt, glaubt man nahezu immer, dass es um Leben oder Tod geht", schreibt Pitchfork angetan über das rabenschwarze Album, das dem Output von Xiu Xiu ziemlich nahe steht. Kein Wunder also, dass Danilova bald mit deren Frontmann, der Indie-Goth-Koryphäe Jamie Stewart, anbandelt, um unter dem Namen Former Ghosts ein Album mit extrovertiertem Wave-Pop einzuspielen.
In der amerikanischen Indie-Szene gilt Danilova, die mittlerweile in Los Angeles lebt, bereits nach zwei Jahren als weit mehr als nur ein aufsteigendes Talent. Obwohl eigentlich ganz den Idealen von Low Fidelity verpflichtet, nimmt sie 2010 erstmals Songs professionell im Studio auf.
Aus den Songs der EP "Stridulum" erwächst später das vollwertige Album "Stridulum II", das Zola Jesus im Zuge einer Tour mit Fever Ray auch in Europa veröffentlicht. Das passt, schließlich hat auch Karin Dreijer Andersson mit ihrer Hauptband The Knife zuletzt eine Oper vertont.
Im September 2011 erscheint der dritte, von Brian Foote und Danilova selbst produzierte Longplayer "Conatus". Sie tritt als Gast auf "Hurry Up, We're Dreaming" von M83 und dem Orbital-Album "Wonky" in Erscheinung. Aus einem Auftritt an der Seite von JG Thirlwell im New Yorker Guggenheim-Museum entsteht "Versions", auf dem sie eine Auswahl ihrer bisherigen Stücke mit einem Streicher-Quartett neu vertont.
Mit "Taiga" wechselt die Musikerin zu Mute, zeigt sich ungewohnt zugänglich und poppig. "Es gibt nur eine Richtung, in die man sich als Künstler bewegen kann, wenn man sich weiterentwickeln möchte. Wenn du Beyoncé bist, musst du düsterer werden. In meinem Fall eben leichter. Alles andere ist Stagnation", erklärt sie der Spex. Doch der erhoffte Erfolg bleibt verwährt. Mit "Okovi" rudert sie folgerichtig 2017, von Schicksalsschlägen gezeichnet, zu ihrem alten Sound und Label zurück.
Mit nur zwei Sätzen umschreibt Danilova ihre Musik perfekt: "Ich versuche, Songs zu erschaffen, die in ihrer Wirkung überlebensgroß und intensiv sind. Ich liebe einfach dieses Gefühl, wenn ein Song so überwältigend und kraftvoll ist, dass einem die Adern schmerzen".
3 Kommentare mit 7 Antworten
Taiga?!?!?!
Scheiß auf Taiga, am 8. September kommt mit "Okovi" die neue Scheibe und die hat wohl auch glücklicherweise wieder diesen düster-versponnenen Vibe von "Conatus" plus die Writing- und Producerskills, die sie seither kontinuierlich weiterentwickelt hat, wie die beiden Vorab-Tracks vermuten lassen.
Dass laut.de Zola Jesus zu ihrem letzten (mMn aber schwächsten) Output dennoch komplett aus der Berichterstattung ausgeklammert hat, ist aber in der Tat äußerst unrühmlich beim Geheimtipp-Anspruch, den einige Mitglieder der Red. m.E. noch immer hier und da in sich tragen.
"Kommerziell über'n Berg" ist die in dem Maße, in dem ihre Musik es verdient hätte, nämlich ganz sicher noch nicht.
Soak: https://www.youtube.com/watch?v=85mc1GiMexA
Exhumed: https://www.youtube.com/watch?v=lcJ4ECn8R7E
Empfehle er mir drei ZJ-Alben!
Ich vergesse sie immer wieder. Jetzt ist Zola-Time!
Push, definitiv auf der guten Seite der Dinge.
"Conatus" ist von der Atmo her mein Favorit, auch als noch recht "rohes" Debut vom Soundgewand her...
"Versions" ist "nur" ne Umsetzung eigener Songs mit Strings, Stridulum II ist ne sinnvoll zusammengestellte Compi ihrer "Stridulum"-EP-Serie. Von all dem fühle ich mich nach wie vor sanft aufgesammelt und wohlig umschlungen...
"Taiga" ist... anders. Trifft einfach sehr viel seltener und weniger intensiv meine Stimmung(en). Aber Respekt, dass sie da bewusst nen kleinen Stilbruch zum Vorwerk gewagt hat - der Vorab-Kram für "Okovi" klingt für mich wie die Destillation sämtlicher Stärken ihrer Vorgängeralben, inklusive dem "wenigen Guten" auf "Taiga"...
Meine Schuld. Ich hatte "Taiga" auf dem Tisch, bin dann aber krank geworden.
Ist selbstverständlich entschuldigt, hatte und hab mit dem Thema selbst zu viel zu schaffen und ist ja zum Glück auch ihr "Ausreißer nach unten" gewesen
Da habe ich ja nochmal Glück gehabt.
Ja, allerdings. Wäre es eine ihrer besseren Scheiben gewesen... Mal's dir aus.
Taiga war eines der besten Popalben 2014. Von mir aus hätte sie so weitermachen können. Ihre Stimme ist für Radiopop nicht geeignet, deshalb würde es immer Pop mit einem gewissen Anspruch bleiben.
Taiga 5/5
Okovi 5/5
Versions 5/5
Conatus 4/5