laut.de-Biographie
1476
Ich glaube, Menschen sind am glücklichsten sind, wenn sie etwas schaffen – egal, ob Kunst, Bauwerke, Sex etc.. Ich wünsche mir, für immer in einem Zustand der Kreation zu sein." Diese ebenso simple wie profunde Erkenntnis Robb Kavjians und Neil DeRosas bringt das Credo des Duos 1476 auf den Punkt. Jeder Ton, jedes Wort ihrer Songs ruft das Paradox 'erfassbar aber nicht berechenbar# beziehungsweise 'erkennbar aber aber nicht vorhersehbar' hervor. 1476 klauben dafür Knochen aus Metal, Neoklassik, Ambient, Prog, Gothic Rock oder Artrock vom musikalischen Wegesrand und setzen es zu einem individuellen Skelett exquisiter Finsternis neu zusammen.
Besonders Freunde von Bands wie Opeth, A Forest Of Stars, Paradise Lost, Fields Of The Nephilim, Ulver oder My Dying Bride finden in der Regel Gefallen am absinthtrunkenen Klangrausch dieser Hedonisten aus New England. Das kommt nicht von ungefähr. Wie jenen steht 1476 Ästhetik, Mystik und Philosophien von Poe, Loveraft, William Blake, John Milton oder Lord Byron nah. Auch sind 1476 Gestaltwandler wie die meisten der Genannten. Hinzu kommt der unbedingte Wille, den Einklang mit der Natur im Walt Whitmanschen Sinne in ihren Liedern zum Ausdruck zu bringen. Mit solch einem Konzept kann man lässig bei Goth-Fans, in der Doom/Black-Metal-Szene oder bei Neofolk-Anhängern punkten. 1476 indes legen großen Wert auf absolute Eigenständigkeit und lehnen jegliche Vereinnahmung oder Zugehörigkeit zu Genres oder Fanlagern strikt ab.
Auf dem Frühwerk "A Wolf's Age" zeigen sich noch beträchtliche Rückstände ihrer ursprünglichen Düster-Punk-Herkunft à la The Damned. Bandkumpel Argyle Goolsby (Blitzkid) spielt hier eine entsprechend tragende Nebenrolle an Bass und Vocals. Alle Rudimente ertrinken jedoch rasch im komplexen Strudel aufkommender klanglicher Dunkelheit. In diesem Dunkel bleibt auch die Herkunft des Bandnamens. Bietet das Jahr 1476 doch keinerlei herausragende Ereignisse im Weltgeschehen. Die Band hierzu: "Der Name bedeutet nichts Endgültiges. Er repräsentiert ein Ideal und eine Ästhetik, nach der wir streben, ohne sie je komplett erfassen zu können. Es gibt zwar noch einen ganz speziellen Grund, warum wir das Jahr ausgewählt haben, aber der ist persönlicher Natur und würde niemandem etwas sagen, der nicht in der Band spielt."
Auch ideologischen Dogmen von Politik und Religion erteilen sie eine deutliche Absage. Ihr Heimatland empfinden sie diesbezüglich als puritanisch, propagandistisch und bevormundend. Sie sehen ihre Kunst mithin als Reaktion auf "andauernde Konfrontiation, die uns sagt, was wir essen und trinken, welche Musik wir uns kaufen, welchen Gott wir anbeten und wen wir wählen sollen. Wir jedoch unterstützen Individualität, Freiheit, Würde, Anstand, Selbstermächtigung und den Weg zu einem besseren Selbst." Dabei streifen die Songs mitunter jenen klassischen Luciferianismus ihrer literarischen Vorbilder, der den gefallenen Engel eher als Befreier denn als Unterdrücker versteht. Auch hierbei ist ihnen die Abgrenzung zu den als stumpf empfundenen Satanisten-Klischees in Metal oder Gothic sehr wichtig.
Sehr deutlich zeigt sich dieses Denken anhand ihres 2014 erscheinenden Albums "Edgar Allan Poe: A Life Of Hope And Despair". Musikalisch bedeutet es eine deutliche Abkehr vom Erstling. Mit Streichern, Piano und einem in Klassik und Ambient wurzelnden Grundton erschaffen Kavjian/DeRosa einen audiophilen Filmscore, der den Hörer durch Denken und Empfindungen Poes führt. Die verhangene Melancholie dieser Musik verlässt dabei ganz bewusst den Rahmen des typischen Rockalbum-Kontexts.
Bei soviel Mystik verwundert es niemanden, dass beide Mitglieder – Salem's Lot lässt grüßen – im realen Leben aus einem Städtchen namens Salem stammen. Dort, an der Küste von Massachusetts sind die Winter kalt und unwirtlich. So geben sich auf ihrem 2017 erscheinenden, dritten Werk "Our Season Draws Near" alle Formen der kältesten Jahreszeit die Ehre.
Es geht um reale Eiszeit vor Ort und jene metaphorische des Herzens gleichermaßen. Stilistisch entfernen 1476 sich dafür wieder von der Introvertiertheit des Vorgängers. Es geht rauh, rhythmisch und sehr rockend zur Sache. Auch ihr ansprechender Gitarrensound feiert in variierter Form seine Auferstehung. "New Englands ist unser Zuhause und hat uns geformt, zum Besseren oder Schlechteren."