laut.de-Kritik

Detroits Batman mit Lou Reed und MC5.

Review von

Mit der 2019 veröffentlichten "Breadcrumbs"-EP lieferte Alice Cooper einen kleinen Vorgeschmack auf sein nun vorliegendes 28. Studioalbum. Für beide Scheiben kehrte der inzwischen 73-jährige Ur-Hardrocker in seine Geburtsstadt Detroit zurück. Mit Coverversionen von dort ansässigen Musikgrößen, neuen Songs und teils ("Detroit City 2021") auch Neuinterpretationen aus dem eigenen Katalog huldigt er Motor City, die er selbst gerne als die Wiege amerikanischen Hard Rocks bezeichnet, und die untrennbar mit Geschichte und vor allem dem Erfolg Alice Coopers verbunden ist.

"Detroit Stories" ist ein Nostalgie-Fest, ja. Aber eines, dessen Existenzberechtigung überbordende Spielfreude, viel Abwechslung und die Zusammenkunft von Ausnahmemusikern recht unterschiedlicher Couleur garantieren. Und tatsächlich gelingen Cooper nach über 50 Jahren im Geschäft noch immer Farbkleckse, die seinem Oeuvre Neues hinzufügen. Erster Aha-Moment ist die knarzige Coverversion von Lou Reeds "Rock 'N' Roll" zum Einstieg. Cooper dichtet den Text leicht um und gibt musikalisch schon mal die Richtung des Albums vor: Spaß machen soll es, ohne Scheuklappen, gerne mit geschmackvollen Farbtupfern und kleineren Schnörkeln, aber die bodenständigen Wurzeln seines Sounds immer im Fokus.

Man stelle sich vor: Der ehemalige Lou Reed Gitarrist Steve Hunter, Coopers Stammproduzent Bob Ezrin (Orgel) und Johnny "Bee" Badanjek (Drums) treffen sich spontan bei Alice in der Garage und jammen einen Klassiker ihrer Jugend. Zufällig kommt Joe Bonamassa vorbei und gniedelt ein Solo. Genau so klingt der Opener. Dann stöpselt Wayne Kramer (MC5), der eben schon Backing Vocals gesungen hat, seine Klampfe ein und schüttelt lässig aggressive Riffs zwischen Protopunk und Rock'n'Roll aus dem Hemdsärmel, zu denen Grand Funk Railroads Mark Farner und Tommy Henriksen (Hollywood Vampires) aufmüpfige Gangshouts beisteuern ("Go Man Go").

Kramer wirkte übrigens nicht nur an über zwei Dritteln der Platte als Musiker mit, sondern hält auch an drei Songs Co-Writing-Credits. Die bewegen sich aber keineswegs alle in härterer Gangart. So half er Cooper und Ezrin zum Beispiel, den funky R'n'B-Track "$1000 High Heel Shoes" zu schreiben. Zusammen mit "Shudubab"-Backings der Soulgruppe Sisters Sledge und Brass-Unterstützung von Detroits selbsterklärten "most versatile musicians", den Motor City Horns (Bob Seger, Noel Gallagher's High Flying Birds), verneigen sie sich vor Motown. Orgel und cheesy Wah-Wah-Gitarre inklusive. Es ist herrlich. Für Kontrast sorgt anschließend der linkische Bluesrocker "Hail Mary", dessen schnörkellose Performance durch einen wohl bewusst dort belassenen Stimmwackler Coopers zusätzlich an Charme gewinnt.

Man könnte eine Weile so weitermachen, einige Highlights wie das luftige "Our Love Will Change The World" wurden noch gar nicht erwähnt. Das Fazit bliebe dasselbe: Auf "Detroit Stories" gibt es wahnsinnig viel zu entdecken – dafür reicht bereits ein Blick ins Booklet (Cooper mobilisierte neben bereits Genannten unter anderem auch wieder die ursprüngliche Alice Cooper Band, U2-Drummer Larry Mullen Jr. und mehr). Die Lust am Projekt tropft aus jeder Pore.

Umso nachdrücklicher gerät zum Ende hin der plötzlich recht ernste Unterton, als Cooper in "Hanging On By A Threat (Don't Give Up)" die Nummer einer Suizidpräventionshotline nennt. Der Track selbst fällt durch seine eher an spätere Schaffensphasen erinnernde Ausrichtung zwar etwas aus dem 60er/70er-orientierten musikalischen Rahmen des Albums, trägt als weitere Facette aber dennoch zum rundum gelungenen Spätwerk bei. Denn hey, wenn man sich auf dem Cover schon als Detroits Batman inszeniert, muss man eben auch auf seine Bürger aufpassen.

Trackliste

  1. 1. Rock 'N' Roll
  2. 2. Go Man Go
  3. 3. Our Love Will Change The World
  4. 4. Social Debris
  5. 5. $1000 High Heel Shoes
  6. 6. Hail Mary
  7. 7. Detroit City 2021
  8. 8. Drunk And In Love
  9. 9. Independence Dave
  10. 10. I Hate You
  11. 11. Wonderful World
  12. 12. Sister Anne
  13. 13. Hanging On By A Thread
  14. 14. Shut Up And Rock
  15. 15. East Side Story

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