laut.de-Kritik
Eigensinniger Chamber-Pop, der ein paar große Momente bereithält.
Review von Toni HennigVor rund einem Jahr veröffentlichten Klez.E, die Hauptband von Tobias Siebert, mit "Desintegration" die beste The Cure-Hommage auf Deutsch. Nun möchte der Sänger und Produzent mit seinem Einmann-Ensemble And The Golden Choir auf "Breaking The Habits" aus seinen gewohnten musikalisch-lyrischen Mustern ausbrechen.
Wieder einmal hat der Multi-Instrumentalist in seinem Radio Buellebrueck Studio am Schlesischen Tor in Kreuzberg alle Instrumente wie Hackbrett, Marimba und Klavier im Alleingang eingespielt. Zusätzlich bedient er auf der Platte, im Gegensatz zum Debüt "Another Half Life" von 2015, eine Reihe elektronischer Gerätschaften. Damit erweitert er sein Potpourri um poppige und tanzbare Sounds.
Zunächst übt er sich in "The Jewelry" mit seiner Falsettstimme in Dramatik. Daneben erinnern das rhythmische Getrommel und die barocken Versatzstücke im Track an Konstantin Gropper alias Get Well Soon. Alles beim Alten, könnte man sich also als Hörer denken. Dennoch erweist sich die elegante Nummer dank der Kunstfertigkeit des Wahlberliners als überaus gelungen.
Anschließend hört man in "My Lies" behutsame Saxofon-Klänge zu verspielten maschinellen Sounds. Demgegenüber lockert der zuversichtliche Refrain, der sich erstaunlich hartnäckig im Ohr festbeißt, die melancholische Stimmung des Songs überzeugend auf. Auch "The Queen Of Snow" kann als anspruchsvoller Indie-Folk-Track, der in opulente Fleet-Foxes-Gefilde vorstößt, restlos begeistern. Darüberhinaus hat dieses Werk eine soulige Marimba-Nummer ("Clocks") und ein an Moderat angelehntes Dance-Stück ("Air Fire Water") zu bieten. Dennoch klingen diese beiden Experimente zu bemüht und angestrengt.
Besser gestaltet sich dagegen die zweite Hälfte. Neben einer filigranen Klaviernummer à la James Blake ("Joker") und einem schwermütigen Track im Radiohead-Stil ("The Garden") findet sich mit "The Rain" ein luftiger Britpop-Song mit orchestralem Anstrich, der sich mit seiner unbeschwerten Melodieführung wohltuend von den restlichen nachdenklicheren Stücken abhebt.
Inhaltlich sieht es nämlich, obwohl tagespolitische und gesellschaftliche Themen Tobias Siebert nach wie vor schwer aufs Gemüt schlagen, nicht ganz so düster und trist wie bei den Nachtschattengewächsen von Klez.E aus. Eventuell musste er den Zustand der Welt auf "Desintegration" erst beklagen, um sich ihr auf diesem Werk langsam zu öffnen.
Im abschließenden "Into The Ocean" verbinden sich sein instrumentales Können, sein poetischer Feinsinn sowie sein Hang zu pathetischer Schwere zu einer unnachahmlichen Symbiose. So viel Souveränität und Routine hätte man sich ebenso für das gesamte Album gewünscht.
Oftmals verliert sich Siebert auf dieser Scheibe, wie etwa in "The Distressed Jeans", zu sehr in klanglichen Details. Dadurch tritt die melodische Komponente zugunsten einer verkopften Herangehensweise in einigen Tracks in den Hintergrund. Von seinen Gewohnheiten kann sich der Musiker, der vor Kurzem das 40. Lebensjahr überschritten hat, auf diesem Werk daher noch nicht ganz trennen.
Tobias Siebert hat somit für And The Golden Choir eine Menge Ideen gesammelt. Auf "Breaking With Habits" setzt er sie aber nicht immer mitreißend um. Wenn er künstlerischem Anspruch mit eingängigen Hooks kreuzt, entsteht wiederum großer Chamber-Pop. Insgesamt macht sich jedoch eine leichte Enttäuschung breit.
Noch keine Kommentare