laut.de-Kritik
Träumereien treffen auf eine knallharte Karriereplanung.
Review von Dominik LippeIrgendwann kippte die Einstellung zum Schlager. Was einst im Universum der Castingformate als altbacken und nicht zielgruppengerecht galt, entwickelte sich unter den Kandidaten zu einer gängigen Möglichkeit zur Einkommenssicherung. Anna-Carina Woitschack erreichte 2011 den achten Platz bei "Deutschland sucht den Superstar". 2020 heiratete die aufstrebende Sängerin den Volksmusikanten Stefan Mross, was ihrer Karriere weiteren Schub verlieh. Sie selbst charakterisierte die Beziehung im SWR4-Podcast als "Win-Win-Situation", die sich selbst über die Trennung hinaus fortsetzt.
Die öffentlich ausgetragene Scheidung lässt sich aus den neuen Songs der Kompilation herauslesen. "Bin aufgewacht und lasse alles hinter mir. Ohne Angst, das Leben steht vor der Tür", markiert sie in "Tag 1" den optimistischen Aufbruch, "Was vorbei ist, ist vorbei." Oli Nova, Komponist für Fantasy und Vanessa Mai sowie generell "Geheimtipp der Superstars", wie es schlager.de ausdrückt, schickt die Sängerin unterdessen mit seinem einfallslosen Synthie-Geklimper auf direktem Weg in die Vergangenheit. Nahezu ununterscheidbar recycelt Berenice Zsifkovits den schablonenhaften Sound für "Feuer".
"All' meine Freunde haben schon geahnt, dass du einfach nicht das Beste für mich bist", trällert sie erneut trotzig gegen den Trennungsschmerz an, "Geh' auf paar Drinks an die Bar und dann tanz' ich einfach weg, was einmal war." Das erinnert durchaus an die stets um Souveränität ringende Daniela Alfinito. Für diese ergibt die Rolle der verlassenen Frau, die sich nach der Trennung von ihrem durchgeknallten Mann ihren Stolz bewahren und wieder aufrappeln muss, schon angesichts der reiferen Zielgruppe Sinn. Die 30-jährige Woitschack dagegen geht phänotypisch eher als Mini-Helene durch.
Die älteren Beiträge bedienen sich schon eher der gängigen Schlager-Formel. "Liebe Passiert" aus dem gleichnamigen Album von 2018 etwa greift auf hochtrabend abgegriffene Bilder von verlorenen Köpfen, explodierten Herzen und vibrierenden Erdböden zur abgeschmackten Schund-Musik zurück. Ein fernsehgartentauglicher Bumsbeat begleitet "Das Beste". Und obwohl sich Mathias Roska als Produzent von Andreas Gabalier und Pietro Lombardi bislang mit nur wenig Ruhm bekleckert hat, reißt er "Liebe Ist Ein Wunder" mit beschwingter Pop-Musik mit 80's-Anspruch aus dem Billo-Schlager.
Gruselig fällt hingegen "Verboten Aber Schön" aus, das sehr zeitgemäß echte Straftaten (Steuerhinterziehung) mit gefühlten Tabus (nächtlicher Heißhunger auf Schokolade) und schlichter Selbstgeißelung ("ständig Modern Talking hören") zu Verboten vermengt. Einen Schritt weiter geht Woitschack in "Eine Nacht Im Paradies", "wo jeder Atemzug schon Sünde ist". Über mehrere Zeilen erschnüffelt sie die olfaktorischen Spuren des Verehrers im gemeinsamen Liebesnest. "Ich kann dich noch immer riechen, möchte mich im Bett verkriechen, denn dort hängt noch dein Duft gepaart mit Leidenschaft."
Als "Träumer" verbringt die Sängerin ein harmonisches Dasein, bis mit dem Faktor Mann die bittere Realität hereinbricht: "Ein Dornröschenschlaf, bei dem man Sorgen schnell vergisst und ich nur erwach', wenn ein Prinz kommt, der mich küsst." Ohnehin gehört das Traum-Motiv zu Woitschacks bevorzugten Bildern. "Wir sind Träumer, die nur einmal leben", singt sie in "Das Leben Wartet Nicht Auf Uns" pathetisch gen Himmel. Konfuser geht es wiederum in "Warum Kann Es Nicht Nur Liebe Sein" zu: "Träume, wo sind unsere Träume? Wir haben es versäumt. Sie wurden nie geträumt."
Die Kompilation endet mit gleich neun, besonders grausamen Kollaborationen mit Ex-Partner Mross, die ein Schlaglicht auf den wiederkehrenden Vorwurf werfen, sie sei die Ehe nur der Karriereplanung wegen eingegangen. Im WDR hat die Sängerin derlei Anschuldigungen von sich gewiesen, um zugleich blutgrätschend zu erklären, er habe von ihr profitiert: "Als Musiker war es ja auch eher ruhiger um ihn in den letzten Jahren." Doch warum findet sich dann ein solcher Duett-Überschuss auf ihrem "Best Of"? "Ich denke, Musik kann nichts dafür." Erneut bleibt also das Publikum als Leidtragende zurück.
2 Kommentare
Ich werde jetzt auch ein Best-Of Album rausbringen. Mich kennt schließlich auch keiner.
So alt der Witz ist, aber bei dem Titel hätte ich nicht erwartet, dass das Album wirklich Songs enthält. Warum hat das eine Zielgruppe? WARUM?