laut.de-Kritik

Der Sommer dringt hier aus jeder Pore.

Review von

"No such thing as a true story" singt Tim Wheeler im ersten Song vom neuen Album. Das stimmt, keine Geschichte besitzt nur eine Perspektive. Einige Menschen halten Ash für ein Relikt aus den 90ern, das am besten auch dort geblieben wäre. Andere hingegen schätzen die lockere, unzynische Art, mit der die Band weiterhin ihrem Alternative-Rockgemisch mit starkem Popeinschlag frönt und Modernisierungsbestrebungen widersteht. Und auch auf ihrer achten Veröffentlichung "Islands" ändert sich wenig an der grundsätzlichen Ausrichtung: Schöne Melodien treffen auf elektrische, zeitweise auch akustische Gitarren, atmosphärische Keyboards runden die Songs ab.

Seit 1992 sind die nordirischen Schulfreunde bereits in der unveränderten Dreierbesetzung unterwegs, zwischenzeitlich um die Musikerin Charlotte Hatherley ergänzt. Aber diese Zeiten liegen bereits einige Platten zurück, und Ash fühlen sich als Trio offensichtlich wieder wohl. Fraglich allerdings, warum die Band dann viele Songs mit Instrumenten auffüllt, die live einen weiteren Menschen auf der Bühne erfordern. Ohne die Keyboard-Achtel verliert beispielsweise "Is It True?" einen charakteristischen Teil. Gleiches gilt auch für "Incoming Waves", das sehr von den kaskadierenden Tastentönen in der Strophe lebt. Live wird vermutlich mit Effekten aus der Maschine gearbeitet. Frech!

Aber genug von derartigen Überlegungen, hier geht es schließlich um Musik aus dem Studio. "True Story" gibt einen guten Albumstart ab, der Song ist griffig, treibend und melancholisch zugleich. Wer bei der letzten Weezer-Platte vor Entsetzen hektische Flecken bekam, kann als Kur zu "Annabel" greifen. Eine gewisse Ähnlichkeit verband die beiden Bands schon immer, mehrere gemeinsame Touren verstärkten das Band. Dieser Song nun könnte auch von den Kaliforniern um Rivers Cuomo stammen, die Deckungsgleichheit drückt im Ohr und lässt den Fuß wippen. Ein richtiger Hit für alle Wetterlagen, "in the tempest, in the snow."

Die schon bekannte Single "Buzzkill" weezert auch, aber asht mehr. Anschließend geht es zur Beichte in den Pool, wird langsam Zeit. Der Sommer dringt auf "Islands" aus jeder Pore, oft gemischt mit einer süßen Melancholie. Herzschmerzliche Texte bilden einen Gegensatz zu den fröhlichen Melodien und der beschwingten Lebensfreude vieler Songs. "All That I Have Left" macht schon im Titel klar, dass Wheeler uns kein Lied über die Freunden junger Liebe singt.

Es tut mir leid, dass ich schon wieder mit einem großen Namen aus den 90ern um mich werfen muss, aber: Klangen Ash nicht auch schon immer nach Travis? Kommen wir noch mal auf "Incoming Waves" zu sprechen. Tauchten in der zweiten Hälfte des Songs nicht die etwas härteren Gitarren auf, könnte der Song auch von Fran Healy und seinen Buben stammen. Gut, der Weg von Nordirland nach Schottland ist ja nicht so weit. Bei Ash geraten die Songs weniger kalkulierbar, den Bonus dürfen sie einstreichen.

"Did Your Love Burn Out" bringt Mark Hamiltons Bass schön zur Geltung und stellt ein Highlight der Platte dar. A propos Liebe: Eine schmalzig-langweilige Nummer wie "Don't Need Your Love" wäre nicht unbedingt nötig gewesen. Glücklicherweise bleibt sie der einzige Ausfall auf diesem runden Album. Eine viel schönere Ballade verstecken Ash im hinteren Drittel: "It's A Trap" klingt schon fast wie eine kleine Rock-Oper, mit aufsteigenden Gesangspartien und einer postrockigen Sologitarrre im Mittelteil. Sehr gelungen.

Trotz deutlicher Anleihen bei anderen Bands überzeugt mich "Islands". Die Songs sind gut, bleiben im Kopf und machen richtig Lust auf den kommenden Sommer. Im Auto funktioniert Ashs achtes Album bestimmt hervorragend. Nach Belfast könnte man eigentlich auch mal fahren.

Trackliste

  1. 1. True Story
  2. 2. Annabel
  3. 3. Buzzkill
  4. 4. Confessions In The Pool
  5. 5. All That I Have Left
  6. 6. Don't Need Your Love
  7. 7. Somersault
  8. 8. Did Your Love Burn Out?
  9. 9. Silver Suit
  10. 10. It's A Trap
  11. 11. Is It True?
  12. 12. Incoming Waves

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