laut.de-Kritik
Was für ein Comeback-Album!
Review von Matthias BossallerDer Name Atrophy dürfte nur den älteren Heavy Metal-Fans ein Begriff sein. 1988 wirbelten die Arizona-Thrasher mit ihrem vorzüglichen Debüt "Socialized Hate" viel Staub auf. Es schlossen sich Shows mit Szenegrößen wie Slayer, Testament, Exodus oder Sacred Reich an, und der Durchbruch schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Doch nach dem Nachfolger "Violent by Nature" (1990) verließ Hauptsongwriter Chris Lykins die Band, um sich auf sein Medizinstudium zu konzentrieren. Die Band verlor daraufhin ihren Plattenvertrag bei Roadrunner. Bandgründer Brian Zimmerman versuchte zwar noch, Atrophy am Leben zu erhalten. Schließlich gab er aber auf.
Wahrscheinlich hätte sich der Sänger damals nicht träumen lassen, dass 34 Jahre nach "Violent by Nature" doch noch das drittes Atrophy-Album das Licht der Welt erblickt. Und dieses Werk hat es in sich: "Asylum" ist ein kraftvolles, knallhartes und an den richtigen Stellen groovendes Comeback-Album geworden, dem der Geist der 80er Jahre innewohnt, ohne angestaubt zu klingen. Es verbindet quasi die stilistischen Grundausrichtungen der zurückliegenden beiden Alben.
Die Band stammt zwar nicht, wie man denken könnte, aus der Bay Area von San Francisco. Dennoch steht sie spiel- und soundtechnisch Szenegrößen wie Testament, Death Angel oder Forbidden in nichts nach. Zimmerman hat mit einer komplett neuen Combo ein ultrafettes Thrashbrett aufgenommen, das durch enorme Heavyness, spieltechnische Raffinesse und seinen Abwechslungsreichtum besticht. Schon der Opener "Punishment For All" ist ein alles zerschredderndes Riffmassaker.
Das hymnenhafte "High Anxiety" leitet Shouter Zimmerman mit einem Growl in bester Chuck Billy-Manier ein. Apropos Testament: In Wucht und den Gitarrenleads ähneln Atrophy der Bay Area-Legende, bei den griffigen Hooks hat der kleine Bruder aber die Nase vorn. Und Zimmermans Vocals sind fieser und anklagender als die von Chuck Billy. Dazu passen die sozial-kritischen Texte, die sich mit dem Zustand der amerikanischen Gesellschaft und der aktuellen Politik beschäftigen.
Die neun Songs auf "Asylum" bewegen sich alle auf einem hohen Qualitätslevel - Mangelware gibt es nicht. Da fällt es schwer, einzelne Highlights herauszupicken. Das galoppierende "Bleeding Out", das tonnenschwere "Distortion" oder der dramatische Schlusspunkt mit "Five Minutes ‘Til Suicide" machen den Reiz genauso aus wie "American Dream", einer bissigen Nummer, der Heathens Krager Lum als Gastgitarrist seine Note aufdrückt. Ein Lob hat sich auch Produzent Alex Parra verdient, der dem Album einen druckvollen und transparenten Sound verpasst hat. Das gelungene Gesamtpaket rundet das Artwork von Romulo Dias ab.
"Asylum" ist ein bärenstarkes Album, das so frisch und enthusiastisch klingt, als ob es von einer Newcomerband eingespielt worden wäre. Old-School-Thrasher aber auch junge Headbanger sollten, ach was, müssen hier zugreifen. Vielleicht können Atrophy nun den verdienten Lohn einfahren, der ihnen vor über 30 Jahren verwehrt geblieben ist.
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