laut.de-Kritik
Bewährte Kost für Freunde des gediegenen Rocks.
Review von Kai ButterweckDas Jahr 2011 ist kein gewöhnliches für Bap. Die rheinischen Pop-Rock-Dinos feiern ihr 35-jähriges Bandjubiläum. Das Band-Aushängeschild Wolfgang Niedecken blies vor kurzem ganze sechzig Kerzen auf seinem Geburtstagskuchen aus und schob mit "Für 'Ne Moment" fast zeitgleich seine Autobiographie hinterher; mithin beste Voraussetzungen, um nach gut drei Jahren auch musikalisch wieder von sich hören zu lassen.
Während die kölschen Jungs versuchten, sich mit ihren letzten beiden Outputs "Dreimal Zehn Jahre" (2005) und "Radio Pandora" (2008) neu zu definieren, gehen sie auf "Halv Su Wild" einen Schritt zurück und präsentieren sich wieder im Einklang mit ihren Wurzeln. Gleich der Opener und Titelsong lässt unweigerlich erkennen, an welchen internationalen Größen sich Frontmann und Songwriter Wolfgang Niedecken seit dem Beginn seines musikalischen Schaffens orientiert.
Mit der lyrischen Sensibilität eines Bob Dylan oder Bruce Springsteen und dem druckvollen Background einer Hintermannschaft, die der legendären E-Street Band in nichts nachsteht, eröffnen die fünf Mannen aus der Domstadt einen Reigen aus bewährtem Pop-Rock alter Schule. In bester Stones-Manier drücken Songs wie "Un Donon Ess Dä Karneval Vorbei" oder "Een Dreidüüvelsname" dem Album ihren Classic-Stempel auf. Es regiert das Midtempo.
Doch an einigen Stellen büchsen die Rheinländer aus, nehmen wie auf "Non All Dänne Jahre" oder "All Die Aureblecke" den Fuß vom Gaspedal oder driften wie auf der Heimat-Ode "Chlodwigplatz" vollends vom eingeschlagenen Kurs ab und kommen im Reggae-Off-Beat für knapp vier Minuten zur Ruhe. Neben diesem mit Bläsereinsätzen garnierten Ausflug in die Karibik präsentiert der Frontmann mit "Woröm Dunn Ich Mir Dat Eijentlich Ahn?" einen weiteren heimatverbundenen Einblick in sein Seelenleben als bekennender und leidender Fan des 1. FC Köln.
Die Band bewegt sich auf "Halv Su Wild" zwischen gesetzter Selbstreflexion und jugendlicher Aufbruchsstimmung. Lediglich das etwas platte "Karl-Heinz" überspannt für zwei Minuten den Bogen und sorgt für kurze Gehaltlosigkeit. Das ändert aber relativ wenig am positiven Gesamteindruck der Scheibe.
"Halv Su Wild" bietet bewährte Kost für Freunde des gediegenen Rocks und betreibt Wiedergutmachung für eine sechsjährige Phase des Experimentierens. Fans der ersten Stunde werden sich freuen.
4 Kommentare
Würde man bei 'Halv su wild' englischen Gesang hören, klänge das schon sehr Indie und durchaus modern. Sag ich jetzt mal so.
"Mit der lyrischen Sensibilität eines Bob Dylan.." - Soso.
Gehört es eigentlich zum Pflicht-Repertoire eines Musikjournalisten, dass Bei Herrn Niedecken immer gleich die unsäglichen Bob Dylan und Bruce Springsteen genannt werden müssen, nur weil Herr Niedecken seit 35 Jahren in jedem Interview erwähnen muss, dass Dylan und Springsteen seine Vorbilder sind? Warum nicht eher Wolf Maahn und Achim Reichel, das wäre doch wenigestens die gleiche Liga..
Niedecken mit Maahn und Reichel zu vergleichen ist schon fast eine Beleidigung, eigentlich nicht nur fast.
Wenn es einen deutschen Dylan gibt, dann ist es Wolfgang Niedecken!
Niedecken mit Maahn und Reichel zu vergleichen ist schon fast eine Beleidigung, eigentlich nicht nur fast.
Wenn es einen deutschen Dylan gibt, dann ist es Wolfgang Niedecken!