laut.de-Kritik
Sanft, feenhaft und verschreibungspflichtig.
Review von Michael SchuhStereo MC's, Motörhead, Nebula, Paul Weller und jetzt Belle & Sebastian - beinahe könnte man glauben, jemand sei kürzlich heimlich in die Archive der BBC eingebrochen, um alte Sessions zu Tage zu fördern.
So darf es gerne weiter gehen, schließlich leuchten jedem Fan bei solcherlei Veröffentlichungen stets die Äuglein, woran sich natürlich auch im Falle von Belle & Sebastian, auf deren kommendes Studioalbum man wohl noch bis 2010 warten muss, nichts ändert.
Dass die Schotten für ihre verschreibungspflichtigen Melancholie-Melodien aus dem Reigen der genannten Kollegen das ästhetischste Cover vorlegen und sogar noch die Texte im Booklet abdrucken, versteht sich von selbst.
"The BBC Sessions", obskurerweise auch als einfache CD im Handel, ist in seinem wahren Wesen ein Doppelalbum, das vierzehn Songs von Auftritten bei den BBC-Spezis Mark Radcliffe, Steve Lamacq und John Peel aus den Jahren 1996 bis 2001 sowie auf der zweiten CD zwölf Nummern eines Weihnachtskonzerts aus Belfast 2001 umfasst.
Es handelt es sich demnach hüben wie drüben um die Isobel Campbell-Phase der Gruppe, also um jenes Bandkapitel, in dem sich an Sänger Stuart Murdochs ohnehin sanften Vortrag noch ein schwerelos-weibliches Zauberstimmchen anschmiegte (Unnachahmlich: "Sleep The Clock Around").
Außenstehenden dürfte nur schwer vermittelbar sein, was an den vorliegenden Aufnahmen im Vergleich zu den seinerzeit zumeist besinnlichen B&S-Albumversionen großartig (anders) ist. Insider weiden sich an den deutlich akzentuierteren Gitarrenlinien in "Like Dylan In The Movies", kichern über einen stimmlichen Lapsus Murdochs in "Seymour Stein" und verweisen nicht nur aufgrund der außergewöhnlichen Poesie in "The State I'm In" wissend auf die Smiths.
Historisch unverzichtbar machen das Album schließlich vier unveröffentlichte Songs von 2001, zu denen seltsamerweise auch "Nothing In Silence" zählt, ein von der entlaufenen Campbell geradezu fröstelnd-feenhaft vorgetragenes Stück. Der Rest ist nettes Fan-Beiwerk, von dem wohl hauptsächlich die smarte, textliche Go-Betweens-Referenz in "Shoot The Sexual Athlete" hängen bleibt.
Vor den Kopf stößt einen aber erst das Belfast-Konzert: Zwar hat man Murdoch live schonmal auf beiden Beinen in die Höhe springen sehen, zu den Tönen von Velvet Undergrounds "I'm Waiting For The Man" dürfte es aber noch eine Spur exaltierter zugegangen sein.
Mit "Here Comes The Sun" und der Irland-Hymne "Boys Are Back In Town" schummeln sich noch zwei weitere Coverversionen ins angenehm perlende Set; die Thin Lizzy-Nummer ein erneuter Beweis für das situative Gespür der schottischen Gruppe. Und doch weiß nur derjenige, der bei ihrer "The Boy With The Thorn In His Side"-Version gefühlte 20 Minuten nach Morrisseys Benicassim-Festivalabsage 2004 live zugegen war, von Belle & Sebastians magischen Kräften zu erzählen.
Noch keine Kommentare