Porträt

laut.de-Biographie

Bill Wyman

Um die Rolling Stones zu verlassen, muss man entweder sterben, wie Brian Jones, oder raus geworfen werden, wie Mick Taylor, dementiert Keith Richards Anfang der 90er Jahre gewohnt großkotzig Gerüchte über einen freiwilligen Abgang Bill Wymans. "Den Bassisten kann man immer ersetzen," erwidert Bill lakonisch und beendet 1993 nach 31 Jahren tatsächlich seine Mitgliedschaft bei der wohl berühmtesten noch existierenden Rockband der Welt.

Bill Wyman - Drive My Car
Bill Wyman Drive My Car
Was für Charlie Watts der Jazz, ist für Wyman Rhythm'n'Blues.
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Ein Schritt, der Kollegen, Fans und Presse erschüttert: Schließlich war er mit Drummer Charlie Watts für den 'loose sound' der Band verantwortlich und hat deren Stil maßgeblich geprägt. "Ich wollte nicht nur des Geldes wegen weiter machen. Wir hatten alles erreicht. Ich wollte etwas anderes machen. Ich fühlte mich älter als die anderen", erläutert er diesen Schritt seitdem unermüdlich in Interviews.

Obwohl er nach eigenen Angaben noch regen Kontakt zu seinen ehemaligen Compagnons pflegt, ist die Resignation offensichtlich. Als Bassist hatte er bei der Dominanz der 'Glimmer Twins' musikalisch kaum eine Möglichkeit, eigene Vorstellungen durchzusetzen. Auch finanziell herrscht Frust: So gelang ihm keine Einigung mit den anderen über Tantiemen. Beispielsweise nennt er das charakteristische Riff von "Jumpin' Jack Flash" sein Eigen, ein langjähriges Erkennungsmerkmal der Band. Zudem galten die Schlagzeilen auch nach dem Tod von Brian Jones eine Zeitlang mehr den Exzessen Richards und den Affären Jaggers als der Musik.

Bassist Bill brachte im Laufe der Siebziger und Achtziger Jahre einige Platten raus: Unter eigenem Namen oder in der All-Star Band Willie And The Poorboys, mit Jimmy Page von Led Zeppelin und Charlie Watts an seiner Seite, jammte live mit Jeff Beck. Mit "(Si, Si) Je Suis Un Rock Star" glückt 1981 ein Platz 14 in den UK-Charts. Der damals noch amtierende Stone spielt fast alle Instrumente dafür selbst ein und singt in einem Kauderwelsch aus Englisch und Französisch, nachdem die Band oft in Südfrankreich zum Aufnehmen weilte, wo sich Wyman für die 70er und beginnenden 80er häuslich niederlässt.

Wie auch bei den anderen Stones-Solisten, verblasst das Interesse an den Songs der Individualisten rasch. Wyman schafft es erst mal nicht, sich als eigenständiger Musiker zu etablieren. Nach dem Bruch wendet er sich zunächst sogar von der Musik ab. Nachdem seine kurze zweite Ehe mit dem Starlet Mandy Smith für Schmunzeln gesorgt hatte - sein erwachsener Sohn war zeitweilig mit ihrer Mutter liiert, - heiratet er eine langjährige Freundin und hat mit ihr drei Kinder innerhalb von vier Jahren. Als Familienvater findet er Muße für seine Autobiographie mit dem Namen "Stone Alone".

Zudem veröffentlicht er das Buch "Wyman Shoots Chagall" über seine Freundschaft zum berühmten Maler Marc Chagall, den er in Frankreich kennen lernte, als dieser schon ein Greis war. "Deine Haare sind zu lang", soll Chagall gesagt haben. Bill beruhigte ihn mit der Aussage, dass die Rolling Stones die langen Haare in Mode gebracht hätten, weil sie sie als erste trugen. "Dann seid ihr also die Erfinder - nun, dann ist es OK", soll der Maler geantwortet haben. Der Kunstband erscheint in einer Auflage von 1500 Stück mit durch-nummerierten Exemplaren.

1997 kribbelt es den Musiker in ihm wieder in den Fingern. Er trommelt namhafte Kollegen wie Chris Rea, Eric Clapton, Mick Taylor und Peter Frampton zusammen und nimmt als Bandnamen Bill & The Rhythm Kings genug Material für eine Platten-Trilogie auf, die sich immer wieder fortsetzt. Die Rhythm Kings werden dann tatsächlich zu einer Marke, mit der man Bill assoziiert. Obwohl sie quer zum Zeitgeist liegen.

"Ich war nicht daran interessiert, kommerzielle Musik zu spielen, und entschied mich, zu unseren frühen traditionellen Wurzeln zurückzukehren", erklärt Wyman den Stil der Rhythmus-Könige. Sie interpretieren bekannte und nicht so bekannte American Songbook- und Swing-Klassiker sowie Blues-Nummern von den 20er bis 70er Jahren. Dazwischen mischen sich einige eigens fürs Retro-Konzept komponierte Lieder in einem 'alten' Stil.

Auf der Platte "Just For A Thrill" der Rhythm Kings, fließen als Cover-Material zum Beispiel "Taxman" von den Beatles und Jazz-Standards wie "Disappearing Nightly" zusammen. Hier lässt sich Mark Knopfler als Gast blicken. War die Rezeption der ersten Platte noch mäßig, erweitert sich der Erfolg von Album zu Album beachtlich.

Die Doppel-CD "Double Bill" platziert sich gleich nach ihrer Veröffentlichung in den englischen Charts. Die wenigen Promo-Konzerte der Band nimmt die Öffentlichkeit enthusiastisch auf, aber es dauert Jahre, bis die Gruppe sich zu einer ersten ausgedehnten Tournee durch Europa und die USA entschließt.

Da ist der 'doppelte Bill' schon Mitte 60. Was macht ein Stone sonst so in Teilrente? In London ist er seit 1989 und in Manchester von 1996 bis 2003 Wirt. Seine Kneipen heißen 'Sticky Fingers Cafés' und servieren Burger, Chicken Wings und Milch-Shakes und stellen Gegenstände aus der Rolling Stones-Geschichte als Wandschmuck aus. Auch auf kreativer Ebene wird dem Multi-Instrumentalisten kein bisschen langweilig. Als leidenschaftlicher Fotograf - Hobby seit seiner Kindheit - stellt er seine Bilder aus.

Außerdem verfasst er weitere Bücher. Zum Beispiel gibt er eine umfassende Foto-Sammlung über seine Zeit bei den Stones heraus und schreibt ein recht sachdienliches Nachschlagewerk über die Geschichte der Bluesmusik. Es soll keinen Anspruch auf ein Fazit oder Theorien erheben, sondern ist als ergebnisoffene "Odyssee" zu verstehen und betitelt. Begleitend zur Erkundung dieses Genres beim Lesen, erscheint eine Doppel-CD mit essenziellen Blues-Pionier:innen, ausgewählt von Bill, und auch eine DVD. Die deutschen Ausgaben des Buchs, "Blues - Geschichte, Stile, Musiker, Songs & Aufnahmen" und "Eine Reise ins Herz und in die Seele des Blues" werden bald zu raren Sammlerstücken.

Als Hobby-Archäologe hegt Wyman ein Faible für die Zeit Caesars und des Römischen Imperiums. Als die Römer auf der britischen Insel unterwegs waren, hinterließen sie allerlei Ausrüstung. Der Stone hat sich ein Patent auf einen bestimmten Metall-Detektor eintragen lassen, mit dem er solche Relikte aufspürt.

Nach einem Jahrzehnt musikalischer Schaffenspause erscheint 2015 das Album "Back To Basics". Die Plattenfirma Proper teilt dazu mit: "Bill Wyman hielt sich zuerst für zu alt, um noch einmal die Strapazen eines neuen Albums auf sich zu nehmen. Aber ein Blick auf seine alten Blues-Helden, die spielten bis sie schlussendlich von der Bühne kippten", habe den Ausschlag gegeben und ihn ermutigt. Aus einer Sammlung von 60 unveröffentlichten Demos, die ein Jahrzehnt lang herum lagen, poliert Bill drei für die CD auf. Zudem verfasst er, frisch motiviert, eine Reihe neuer Stücke.

Ein letztes Mal nimmt er mit den Rhythm Kings 2018 "Studio Time" auf. Background-Sängerin ist wie auf den Vorgängern Beverley Skeete. Sie hatte in den 90ern mit Jamiroquai, Lisa Stansfield, M People und Heather Small das UK soulful und tanzbar gemacht, ebenso zu einigen großen Hits der 90er beigetragen wie Mark Morrisons "Return Of The Mack" und Take Thats "Never Forget". Sie ist die Vocal Queen zwischen all den Rhythm Kings.

Musizieren gehört dann nicht mehr zu Wymans Alltag. Doch als Restaurant-Betreiber ist nach zwei Corona-Wellen Schluss. "Ich habe die traurige Nachricht mitzuteilen, dass mein geliebtes Restaurant zum letzten Mal seine Türe schloss." - Zahlreiche Oldtimer-Gitarren sowie weitere Erinnerungsstücke aus der Einrichtung der American-Style-Kneipe, zum Beispiel ein Motorrad, stehen im Mai 2021 zur Auktion an.

Zum Trost geht Wyman mit den Rolling Stones noch mal ins Studio. Zu "Hackney Diamonds" (2023) steuert er einen Song lang den Bass bei, auf "Live By The Sword".

Fürs Solo-Spätwerk "Drive My Car" (2024) mit der gewohnten Mischung aus Covers und eigenen Nummern lässt er wissen: "Es ist nicht etwas, das ich jeden Tag mache, aber manchmal sehe ich einfach eine Gitarre in der Ecke des Zimmers, nehme sie in die Hand und spiele darauf herum, und dann macht es Klick".

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Bill Wyman - Drive My Car: Album-Cover
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2024 Drive My Car

Kritik von Philipp Kause

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    Mit Selfies hat's der Hobby-Fotograf allerdings nicht so wirklich...

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