laut.de-Kritik
Hier geht es um knisternde Energie und wild züngelndes Verlangen.
Review von Daniel StraubDie Welt wäre langweilig ohne Captain Comatose. Im glattgebügelten Kosmos elektronischer Musik, wo jedes aus der Reihe tanzende Bit sofort per Mausklick zurecht gewiesen wird, bringen Captain Comatose Leben. Humorvoll, unberechenbar und herzlich nehmen Khan und Snax ihre Fans bei der Hand, um gemeinsam mit ihnen in Flammen aufzugehen. "Up In Flames", der Titel ihres zweiten Albums, weißt den Gedanken die Richtung: hier geht es um knisternde Energie und wild züngelndes Verlangen.
Nicht umsonst haben sich Captain Comatose das New York der späten 70er Jahre als mythische Heimat ausgesucht. Damals, lange vor dem 11. September, zog die Stadt am Hudson glamouröse Drag-Queens, schwule Manager, eitle Möchtegern-Sternchen und verkommene Stricher in Scharen an. Larry Levan rührte aus diesen menschlichen Zutaten allwöchentlich ein gärendes Disco-Gebräu an, das die Paradise Garage zum mächtigsten Mythos der Clubkultur machte.
"Up In Flames" ist eine einzige Verbeugung vor dem Spirit, der einst durch die Häuserschluchten Manhattans wehte und der heute unter dem ideologischen Müll neo-konservativen Gedankengutes kaum noch auszumachen ist. Um so erfrischender und wohltuender ist es, die Hüften zum poppigen Disco-Trash-Groove von "To My Song" zu schütteln oder mit "Road To Devastation" in sade'sche Erniedrigungsorgien abzutauchen.
Ursprünglich und dreckig sind die Beats, die Khan und Snax zusammenbasteln. Kein großes Techniktheater findet sich auf "Up In Flames" wieder. Roh und unbehauen, voll berauschender Energie, ziehen die Tracks jeden mit sich, der sich nicht schnell genug in Sicherheit bringt. Hier von Kunst zu sprechen mag machem schwer fallen. Doch auch ein Terry Richardson landete nicht gleich mit seinen ersten Aufnahmen in den etablierten Institutionen des Kunstbetriebes.
Dorthin wollen Captain Comatose, genau wie Richardson, auch gar nicht vordringen. Sie stürzen sich lieber in die intensive Atmosphäre der Clubs, fallen über das Publikum her wie ein orgiastischer Feuersturm, um es verschwitzt und johlend in den anbrechenden Morgen zu schicken.
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