laut.de-Kritik

Die Cavaleras überraschen mit ihrem besten Album seit langem.

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Während sich die einstigen Weggefährten bei Sepultura auf ihrem aktuellen Album stilistisch so richtig austoben und zu neuen Ufern aufbrechen, machen die Cavalera-Brüder Max und Iggor das genaue Gegenteil: Sie halten ihre Wurzeln eisern umklammert.

Eben zelebrierten sie live das 20-jährige Jubiläum des so legendären wie umstrittenen Albums "Roots", Max brachte mit Soulfly zusätzlich das einzige Album seines Nailbomb-Projekts von 1994 auf die Bühnen. Jede Menge Nostalgieprogramm also, das sich auch auf dem neuesten Cavalera-Conspiracy-Werk niederschlägt. Und zwar im Positiven.

"Psychosis" klingt wie eine Reise zurück in Sepulturas Glanztage: Roher Death- und Thrash-Metal trifft auf den urtypischen Groove, der Max' Brachialriffs und Iggors donnernden Drums innewohnt. An Max' bellenden Vocals wird sich in diesem Leben ohnehin nichts mehr ändern. Und auch wenn 'back to the roots' die abgenudeltste Formel dieser Welt ist, ist "Psychosis" eine feine Metalpackung geworden.

Das liegt nicht zuletzt an Produzent Arthur Rizk, der auch gleich die Bassspuren einspielte. Der Sound ist zwar immer noch ungeschliffen, doch viel aufgeräumter als beim grottig abgemischten Vorgänger. Man weiß endlich wieder, wo Max' Rastazöpfe aufhören und Iggors Cymbals beginnen. Dafür verwebt Rizk die neun Songs mit kleinen Soundspielerein an den Übergängen nahtlos ineinander, was das Album wie aus einem Guss klingen lässt.

Vom Opener "Insane" bis zum finalen "Excruciating" münden Knüppelparts in drückende Midtempo-Passagen und umgekehrt – wie eine Lärmsession in einer unerlässlich rotierenden Death/Thrash/Groove-Metal-Drehtür. Marc Rizzos Gitarrensoli bringen mal etwas Melodie, mal etwas Chaos rein, sphärische Synthesizer sorgen für Atempausen. Und ja, auch die exotischen Instrumente gingen nicht verloren: Im Rausschmeißer ist etwa ein Didgeridoo zu hören.

Trotz des homogenen Gesamtbildes haben die einzelnen Songs eigenständigen Charakter. Am weitesten aus dem Rahmen fällt der Titeltrack. Nicht nur ist es das einzige Instrumental, sondern auch der einzige ruhige Track. Mit Urwaldflair und entrückten Gitarrenklängen kommt jenes World-Music-Element ins Spiel, das auf "Roots" oder den frühen Soulfly-Scheiben so präsent war.

Ansonsten wird frei von der Leber gebrettert. "Insane" und "Terror Tactics" sind zwei erstklassige Bleifuß-Nummern, die bollern wie zu besten "Arise"-Zeiten, wobei dem zweiten Song noch ein schleppender Schlussteil angehängt wurde. Dieser Übergang wirkt für einmal etwas erzwungen. "Judas Pariah" ist nochmals eine Rille heftiger und trägt dank gnadenlosem Blastbeat-Gewitter und rohem Sound einen angeschwärzten Anstrich zur Schau. Ein fieser Brocken! "Spectral War" dagegen fährt wie eine Planiermaschine ein, die Tempoexzesse blitzen nur gelegentlich auf.

In "Hellfire" wiederum packen die Cavaleras die Industrial-Keule aus. Ein sägendes Riff misst sich mit mechanischem Beat, dazu schwirren Synthies durch den Hintergrund. Nailbomb lässt grüßen. Die Vocals gehen hier aufs Konto von Justin Broadrick von Godflesh, was sich aber dank viel Hall ziemlich exakt wie Max anhört. Wenn die Idee also war, dank einem Gastsänger für Variation zu sorgen, war zumindest das ein Schuss in den Ofen.

Im heimischen Ofen landen sollte "Psychosis" aber nicht, sondern in der Playlist oder, noch besser, in einer maximal aufgedrehten Soundanlage. Den Cavaleras ist hiermit ihr wohl bestes Album seit Jahren gelungen. Ohne Scheiß! Gleichgülig, welche ihrer Kappellen man nun betrachtet. Die Brüder mögen zwar 'nur' in ihrem Familienalbum voller Doublebass-Salven, Riffs und röhrenden Schlachtrufen schwelgen und keinen Gedanken an Innovation verschwenden. Doch was soll man sagen? Es funktioniert! Zumindest ich hätte nach den letzten beiden, eher mauen Conspiracy-Platten einen solchen Wurf nicht erwartet. Alle Achtung.

Trackliste

  1. 1. Insane
  2. 2. Terror Tactics
  3. 3. Impalement Execution
  4. 4. Spectral War
  5. 5. Crom
  6. 6. Hellfire
  7. 7. Judas Pariah
  8. 8. Psychosis
  9. 9. Excruciating

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