laut.de-Kritik

Das Ding hat Staub angesetzt, bevor es im Regal steht

Review von

"A Better World" beginnt zwar mit einem klassischen Intro, aber keinesfalls im schonenden Schongang, sondern mit komplett durchgedrücktem Gaspedal. Von 0 auf 300 in weniger als 55 Sekunden auf der nach oben offenen Kitsch-Skala. "The Hope In The Human Heart" heißt das einleitende Instrumentalstück, das sie alle vereinigt: Die hundertfach weichgekochten und glattgebügelten Streicher, die wir von sämtlichen Romantic Comedy-Soundtracks kennen, die ans Limit überreizten Steigerungensloops (vgl. Panflöten-Fußgängerzonen-Massaker) und zu Guter letzt die altbekannten, zärtlich dahin geklopften Weihnachts-CD Glockenspielanschläge. Das Who Is Who der überemotionalen Kitschgranaten umspielt den Hörer mit dicker Zuckerwatte, aus der es schon bald kein Entfliehen mehr gibt. Die Ohren bluten in fluffigem Pink.

Wir nähern uns diesem Machwerk ganz vorsichtig. Auf leisen Sohlen. Wie Spione. Oder Taschendiebe. Der erste verstohlene Blick lässt uns bereits ein wenig erschaudern. Die bloße Titelliste verspricht ganz Furchtbares. Einerseits eine esoterische Christenrock-Platte ("Bethlehem", "Hope In The Human Heart", "Heart And Soul"), andererseits eine patroitische Soldaten-Konzeptscheibe ("Chain Of Command", "The Soldier", "Land Of The Free"). Oh My! Aufgeblasen amerikanischer geht es ja kaum. Doch halt! Chris De Burgh ist ja Ire, also ein waschechter Ire. So ein Ire, der am liebsten irische Sagen vertont und in irischen Landschaften irische Texte schreibt. Und als Trottel gilt er ja eigentlich auch nicht. Klar, als langweiliger Balladenbarde vielleicht schon, aber eben auch als guter, mit dezentem Vokuhila frisierter Kerl, der mit Kritik eher so mittel umgehen kann. Also Vorsicht! Keine weiteren Vermutungen und Gerüchte mehr, nur noch knallharte Analysen im Anblick der versprochenen besseren Welt.

Die etwas tiefer schürfende Spurensuche filtert dann auch ruckzuck neue Informationen ans Licht. Seit Jahren hatte sich De Burgh mit Vorliebe religiösen Themen gewidmet und stets sein historisches Interesse am Krieg unterstrichen. "A Better World" soll gewissermaßen die Essenz aus den De Burghschen Denkprozessen präsentieren. Die diskursive Verbindung der Komplexe "Krieg" und "Religion" wirkt aber trotzdem extrem befremdlich.

Immerhin reduziert er auf "Bethlehem" den Kitschfaktor extrem, was allerdings die Frage aufwirft, was dieses grausame Intro überhaupt soll. Der Song beginnt mit einigen rauschenden Gitarrenanschlägen, die zunächst ein wenig an Guns N` Roses erinnern. Bevor der Song aber in einem Axl Rose-mäßigen Schreianfall auseinanderbricht, verordnet Chris himself die Komposition im entsprechend christlichen Rahmen: "I saw three kings/ riding through the desert as the day begins/ We bring great joy/ to the birth of a baby boy." We see what you did there, Chris. Trotz des vorbelasteten Lyric-Kontext schält sich aus "Bethlehem" in der Folge ein relativ straighter und extrem eingängiger Rocksong heraus, den man durchaus auch Cat Stevens und den Killers zugetraut hätte. Und irgendwie hört man diesem irischen Geschichtenonkel dann doch ganz gerne zu, wenn seine Stimme pathetisch anschwillt: "I saw St. Paul talking to the devil/ like the best of friends./ They said lets make a deal/ and bring this curse and war to an end." Das ist gute und souverän getextete Pfadfinder-Lagerfeuer-Mucke.

Das folgende "Once I A Lifetime" präsentiert zunächst mexikanische Mariachi-Trompeten, entfaltet sich dann aber als waschechter Discofox-Schlager. Und irgendwie muss man sich fragen, ob Chris De Burgh das ironisch oder zumindest augenzwinkernd meint? Falls ja, wäre "Once In A Lifetime" ein waschechtes Meisterwerk. Falls nicht, muss ich an dieser Stelle vor diesem Werk kapitulieren. Denn Sekunden später vollführt Chris die nächste 180 Grad-Drehung und lässt "The Open Door" von der Leine, das so sphärisch und überinszeniert wirkt wie eine Riverdance Show, bei der Santiano für den Soundtrack sorgen. Eine wirkliche Rock- und Matrosen-Oper, so ein episches Ding, das man gerne mit fünf besoffenen Freunden grölen würde. Aber selbstverständlich meint er das ernst. Bierernst. Todernst. Wie konnten wir nur zweifeln. Und einmal mehr erwischt man sich dann doch beim dezenten Mitsingen und heroisch in die Ferne blicken.

In Sachen Abwechslung steckt "A Better World" im weiteren Verlauf ziemlich zurück und nutzt sich auf in der zweiten Hälfte auch recht schnell ab. Mit "Hold On (I'm On My Way)" gibt es zwar noch eine Komposition, die ihre Country-Wurzeln ganz offen zur Schau stellt und damit noch einmal klar heraus sticht. Ansonsten wechseln sich komplett konventionelle Piano-Balladen mit komplett konventionellen Rockpop-Nummern ab. Dazu singt Chris De Burgh Zeilen wie: "I Have Always Been A Soldier/ I Have Served My King And Queen/ (...) In This World Of Changes/ Please Remember Me". Mäh! Der Sänger inszeniert sich auf "A Better World" als eine Art Kreuzritter, als ewig unverstandener Held.

Keine Frage: Immer wieder treffen die großspurig inszenierten und vor Pathos nur so triefenden Kompositionen irgendwelche versteckten Nerven und reißen die Hörerschaft mit wie ein anschwellender Gletscherfluss. Ab einem gewissen Zeitpunkt kann man die verschiedenen Helden-, Soldaten-- und Martyrer-Bilder aber nicht mehr hören – ein Funken Ironie hätte der Platte sicherlich mehr als gut getan. So aber bleibt der Barde ein verbissenes, ewig mahnendes und stellenweise leider unfreiwillig komisches Relikt. Sorry, aber "A Better World" hat schon Staub angesetzt, bevor es nur im Regal steht.

Trackliste

  1. 1. Hope In The Human Heart
  2. 2. Bethlehem
  3. 3. Once In A Lifetime
  4. 4. The Open Door
  5. 5. Heart & Soul
  6. 6. Chain Of Command
  7. 7. Confession
  8. 8. Homeland
  9. 9. Cry No More
  10. 10. Shipboard Romance
  11. 11. Falling Rain
  12. 12. All For Love
  13. 13. Hold On (I'm On My Way)
  14. 14. The Land Of The Free
  15. 15. The Soldier

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10 Kommentare mit 20 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    ich trau mich hier als langjähriger Chris de Burgh-Fan zu schreiben. Ja,über Geschmack lässt sich streiten. Aber es gibt wirklich viele Gleichgesinnte denen die neue CD sehr gefällt und genau wegen dieser Musik und diesen Texten Chris de Burgh lieben. Mir stellt sich bei der Kritik die Frage weshalb ein Künstler wie er immer so hart angegangen wird. Ehrlich ich kenne nur wenige die 40 Jahre im Geschäft sind und auch noch immer ihr Publikum begeistern. Chris ist auf jeden Fall kein komisches Relikt. Sondern einfach ein sympatischer Mensch der uns gut. Was soll daran verkehrt sein?

    • Vor 7 Jahren

      "Aber es gibt wirklich viele Gleichgesinnte denen die neue CD sehr gefällt"

      Mag ja sein. Aber dem Rezensenten gefällt sie eben nicht. Warum ist der eine Punkt für dich nachvollziehbar, der andere aber nicht? Ist das so ne "Millionen Menschen können nicht irren"-Argumentation?

      "Mir stellt sich bei der Kritik die Frage weshalb ein Künstler wie er immer so hart angegangen wird."

      Ist doch gar nicht der Fall. Nick Cave z. Bsp. fuhr hier doch kürzlich Lobeshymnen ein. Aber selbst wenn deine Beobachtung stimmt: laut.de ist eben bekannt (und geschätzt) für unverblümte Kritik. Trotzdem können die Rezensenten ihre Argumentation in aller Regel rhetorisch verteidigen.

      "Ehrlich ich kenne nur wenige die 40 Jahre im Geschäft sind"

      Klar doch. Abgesehen von jeder Altrockband sowie gefühlt jedem zweiten Schlager-Heini. Außerdem spielts eh keine Rolle. Der könnte auch 60 Jahre dabei und immer noch scheiße sein.

      "Sondern einfach ein sympatischer Mensch der uns gut (durchnimmt? füttert?). Was soll daran verkehrt sein?"

      Grundsätzlich ist daran nichts verkehrt. Sofern Musik nichts anderes zu tun haben darf, als deine Erwartungen zu erfüllen.

  • Vor 7 Jahren

    Vielleicht sollte man sich mal die positiven Kommentare auf Chris de Burghs FB-Seite durchlesen...Seine Fans (zu denen ich mich auch zähle) sind begeistert von seinem neuen Album "A better world". Chris berührt so viele Menschen mit seinen Songs und seine Konzerte sind meistens ausverkauft. Die Leute gehen glücklich nach Hause. Das alleine zählt! Er verdient es nicht, von Kritikern niedergemacht zu werden, die glauben, sie hätten sie Weisheit mit Löffeln gegessen!!

    • Vor 7 Jahren

      Genau. Leave Britney alone!
      Und wer nicht glaubt, daß Durchfall 'ne geile Sache ist, sollte sich auf der Diarrhoe-Fanseite auf FB die Kommentare durchlesen. Es gibt keinen Grund, das so zu verteufeln. Die Leute bleiben auch da glücklich zu Hause. Das alleine zählt. Ein ordentliches Abführmittel verdient es nicht, von Kritikern niedergemacht zu werden, die es vorher mit Löffeln gefressen haben.
      Gruß
      Skywise

    • Vor 7 Jahren

      "Die Leute gehen glücklich nach Hause."

      Die sind froh, dass sie endlich raus können und die Scheiße vorbei ist.

    • Vor 7 Jahren

      Werden da wohl die Türen verriegelt

      Unerhört!

    • Vor 7 Jahren

      Über Geschmack lässt sich halt trefflich streiten. Letztlich zählt aber ja vor allem, wie sich ein Album verkauft - und da dürfte CdeBs neue Scheibe wohl ziemlich weit vorn in den Charts auftauchen...

    • Vor 7 Jahren

      CdeB ist kool. Er fühlt den Scheiß. Ich bezweifle aber dass er wirklich real ist..

    • Vor 7 Jahren

      Hätte er damals den Fährmann bezahlt wäre die Welt eine bessere! Heino müsste nicht nach Irland über setzen und den Iren beweisen, Chris schriebt keine irischen Sauflieder.

    • Vor 7 Jahren

      @Skywise: tu uns bitte zukünftig einen gefallen und lass es einfach. deine talente solltest du eher auf der nächsten klausurtagung der jungen liberalen einbringen. fantoys verarschen können hier andere besser, ohne sich dabei komplett zum nappel zu machen.
      @Speedi: du solltest in erwägung ziehen zu einigen deiner postings sekundärliteratur anzubieten, damit auch jeder die chance hat sie zu verstehen. ausserdem solltest du deine alten idole nicht verschmähen...auch wenn es in deiner generation gerade mode zu sein scheint...gell, lauti!? ;)

    • Vor 7 Jahren

      @Sodhahn:
      Pluralis majestatis, richtig?
      Gruß
      Skywise

    • Vor 7 Jahren

      @Sodhahn, "Don't Pay The Ferryman" sein zweit größter Hit ist Allgemeingut, so rein vom Wissen her. Und Heino ist deutsches Allgemeingut oder bestreitest das etwa? ;)

      "damit auch jeder die chance hat sie zu verstehen"

      Will ich das? Ausserdem beinhaltet das eine Bedingung die ich bei 99% der Menschen ausschließe, so rein innerlich gedacht. ;)

      "gell, lauti!?"

      Hm, was hab ich mit "lauti" zu tun? Davon mal ab, auch wenn ich den Umgang den eine bestimmte Klientel hier mit dem pflegte (bis er dann auf Imigrationskurs wo auch immer hin ging) nicht gut fand. "Lauti" war eine dumme Socke, also was solls? :)

    • Vor 7 Jahren

      @speedi: deine spitze gegen einen etablierten forenuser ist unangebracht! ihr beide habt einiges gemeinsam und damit meine ich nicht nur den gleichen jahrgang. also, sei lieb :)

    • Vor 7 Jahren

      Was heißt eignetlich "Lauti war"? Er kam sah und löschte vielleicht mal, heutzutage ist er da und lieb

    • Vor 7 Jahren

      Dumme Socke am Stiso! :)

    • Vor 7 Jahren

      lauti ist und bleibt ein feiner kerl. motor und antrieb dieser page. wenn meuri sich diesen status erarbeiten will, dann muss er deutlich zulegen

    • Vor 7 Jahren

      Meuri ist nur grantig, weil das Original nun zurück und er wieder sidekick ist.

      Dabei haben beide ihre ganz eigene Exzellenz. Lauti ist der junge Sportliche, der die Mädels checkt und Hip Hop verstanden hat. Während Meuri den Aspi-Hochbegabten-Swag rockt und in seiner eigenbrötlerischen Weisheit hier von allen verkannt wird.

  • Vor 7 Jahren

    Die Vorwürfe sind absolut haltlos. Chris = Ehrenmann².

  • Vor 7 Jahren

    Also ich finde das neue Album sehr schön. Ihre Kritik zu Once in a lifetime kann ich nicht verstehen.
    Es tut mir sehr leid, dass ich es sagen muss aber bei Ihnen schneiden die Chris de Burgh schlecht ab. Wie kann es sein, wenn es doch verschiedene Reviewer sind?
    Nur The road to freedom Alben hat eine gute Bewertung erhalten.
    Vielleicht sollten sie es dann einfach lassen. Klar ist Geschmack verschieden, aber man darf auch Kritik nett verpacken und nicht so blöd schreiben, dann man nach dem 1. Absatz schon die Nase voll hat!

  • Vor 7 Jahren

    Über Musikgeschmack lässt sich streiten, das ist richtig. Kritik ist, falls überhaupt notwendig, auch angebracht. Aber nachdem ich die Kritik von Herrn Heppeler gelesen habe, musste ich an ein arrogantes, selbstherrliches Geschwafel von einem möchte gern Kritik-Onkel denken, über den ich nur schmunzeln kann. Das ganze war keine Kritik, sondern gnadenloses Niedermachen.
    Mein Tipp: Bleiben Sie lieber bei Ihrer Kunst, dann können Sie sich über entfremdete Gesichter auslassen, in der Hoffnung, dass Ihnen dies besser gelingt.

    Und nun dazu, was ich eigentlich hier schreiben wollte:

    Lieber Chris, vielen Dank für dein neues, tolles und absolut gelungenes Album.

  • Vor 6 Jahren

    Wunderschön - "heaart and soul" ist genau die richtige Hymne für mich und meinen Liebsten!