laut.de-Kritik

D'Angelo ist der Musiker, der Prince heute gerne wäre.

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Bitte gehen Sie nicht weiter, hier gibt es was zu sehen. Ein Comeback, wie es nicht alle Tage vorkommt. Noch vor ein paar Tagen hat niemand geahnt, was sich hinter dem fünfzehnten Adventskalendertürchen verbirgt. Kein Schneemann, kein Schlitten, kein Mistelzweig, sondern ein Engel. Ein Metatron, der fast fünfzehn Jahre nicht mit uns gesprochen hat. Über Nacht und ohne große Vorwarnung steht D'Angelos "Black Messiah", der lang erwartete Nachfolger von "Voodoo", vor uns.

Trauer, Alkoholkonsum, Drogenprobleme, ein Autounfall und eine monumentale Schreibblockade hatten den Ausnahmekünstler über Jahre hinweg gelähmt. Wie bei "M B V" oder "Chinese Democracy" haben wohl nur noch die wenigsten geglaubt, dass dieses Album überhaupt einmal das Licht der Welt erblickt. Doch im Gegensatz zu Axls Guns N' Roses-Klon gelingt D'Angelos Rückkehr. Das Warten hat sich mehr als gelohnt.

"Black Messiah", das sich unter anderem mit der Hilfe von Q-Tip und dem The Roots-Schlagzeuger Questlove entwickelte, hört man die schwere und lange Zeit seines Entstehens nicht an. Die vom Vorgänger bekannte Mixtur aus Soul, Funk und R'n'B erweitert D'Angelo um packende, aber niemals aufdringliche, Rock-Facetten

"'Black Messiah' ist ein höllischer Albumtitel. Er kann sehr leicht missverstanden werden", erklärt der Sänger im Booklet der Platte. "Viele werden möglicherweise denken, dass es um Religion geht. Einige werden vielleicht annehmen, dass ich mich selbst als 'Black Messiah' bezeichne. Es geht aber um die Welt. Es geht um eine Idee, nach der wir alle streben können. Es geht um Menschen, die sich erheben, in Ferguson, in Ägypten, bei Occupy Wall Street, überall da, wo eine Gemeinschaft die Schnauze voll und beschlossen hat, Veränderungen herbeizuführen. Es geht nicht darum, einen charismatischen Anführer zu preisen, sondern Tausende davon zu feiern." Damit meint er keineswegs die ihm unbekannten Pegida-Latenznazis, sondern Menschen, die gegen die unterschiedlichsten Arten der Unterdrückung aufstehen.

"Shut your mouth off and focus on what you feel inside." "Ain't That Easy" beginnt mit einem sperrigen Feedback. Ein rockiges Gitarren-Riff unterwandert den Track und bietet den Nährboden für fratzenhaft verzerrten Funk. Komplett analog aufgenommen, schiebt sich D'Angelos Falsett über einen knurrenden Rhythmus mit stockendem Händeklatschen. Mit der Sterilität mancher heutiger Funk-Produktion hat der Song nichts gemein. Seine Wurzeln schlingt er vielmehr um Sly And The Family Stone, aber auch Parliament und Funkadelic. Dem P-Funk, zu dessen Mob auch Mitautorin Kendra Foster zählt.

Das schwer zugängliche "1000 Deaths" beginnt mit einem appellierenden Priester, der vom wahren Messias predigt. Nicht dem weißen Mann, der heute am Kreuz hängt, sondern vom Jesus der Bibel, "with hair like lamb's wool, a black revolutionary Messiah". Ein unerbittlicher und feindseliger Anti-Groove unterlegt die Geschichte eines in die Schlacht ziehenden Soldaten. "Send me over the hill / I was born to kill". Ein düsteres, lautes, und hässliches Monster, gespickt mit Zorn. Vorwärts und rückwärts wabert der Bass in Richtung eines Gitarrensolos, das einem qualvollen letzten Schrei gleicht.

D'Angelo zeigt sich auch in der weiteren Folge noch deutlich politischer als in der Vergangenheit. "All we wanted was a chance to talk / 'Stead we only got outlined in chalk / Feet have bled a million miles we've walked / Revealing at the end of the day, the charade", singt er in "The Charade" und bezieht sich auf die Proteste in Ferguson. Eine Sitar und eine psychedelische Gitarre, die nicht nur hier an Eddie Hazel denken lässt, begleiten seine grimmigen Worte durch den Track, der an einen verqueren Outtake von Princes "Diamond & Pearls"-Album erinnert. Im vom Pino Palladinos Viersaiter und Questloves Schlagzeug vorangetriebenen Soul-Traumwelt "Till It's Done (Tutu)" fragt sich der Wiederauferstandene: "Do we even know what we're fighting for?"

Der pulsierende Bass, das harmonische E-Piano und eine des zurückgelehnte Gitarre bieten dem Crooner im jazzlastigem "Betray My Heart" genug Raum für seinen samtweichen Scat-Gesang. Fröhlich pfeift sich D'Angelo zu Dixieland-, Slide-Gitarre und Tamburin durch "The Door", eine Potpourri aus Blues, Jazz, Country und Michael Jackson-Schnappatmung. Mit einer gehörigen Portion spanischem Flair, Flamenco und einer Zuckerglasur aus süßlichen Streichern begibt er sich in "Really Love" weg von der Straße, ab ins Schlafzimmer. Die Soldatenuniform wirft D'Angelo, nun ganz Marvin Gaye, in dieser zarten, wehmütigen und vor Erotik knisternden Liebesballade von sich. "When you touch me there / When you make me tingle / When our nectars mingle / Doo doo wah, I'm in really love with you."

Nahtlos knüpft "Black Messiah" an "Voodoo" an. Will man Erbsenzählerei betreiben, kann man anmerken, dass der Longplayer in Art und Sound auch schon vor zehn Jahren hätte erscheinen können, da er etwas aus der Zeit gefallen wirkt. Diesen Makel gleicht er jedoch mit seiner Verzwicktheit und Extravaganz aus. Niemals sucht D'Angelo den einfachen Weg, durchleuchtet stattdessen Ecken und Kanten nach verborgenen Geheimgängen. 2014 ist D'Angelo der Musiker, der Prince heute gerne wäre.

Trackliste

  1. 1. Ain't That Easy
  2. 2. 1000 Deaths
  3. 3. The Charade
  4. 4. Sugah Daddy
  5. 5. Really Love
  6. 6. Back To The Future (Part I)
  7. 7. Till It's Done (Tutu)
  8. 8. Prayer
  9. 9. Betray My Heart
  10. 10. The Door
  11. 11. Back To the Future (Part II)
  12. 12. Another Life

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