laut.de-Kritik
Neues Cover, alter Inhalt: Ritchie Blackmore gegen den Rest der Welt.
Review von Giuliano BenassiDie Fakten: Nach den chaotischen Veranstaltungen in Woodstock, Altamont und Isle of Wight 1969 und 1970 schien das Format der Monsterfestivals ausgestorben. Am 6. April 1974 versuchte der US-TV-Sender ABC einen neuen Anlauf und organisierte in Oregon, Kalifornien ein Konzert mit härteren Klängen. Neben Black Sabbath und Headliner Deep Purple standen auch Eagles und Emerson, Lake & Palmer auf der Bühne. Alles passte: super Wetter und bis zu 400.000 zahlende Zuschauer, endlich mal volle Kassen für den Veranstalter.
Der Mythos: Deep Purple-Gitarrist Ritchie Blackmore war über den Umstand, dass er vor EL&P auftreten sollte, so sauer, dass er die Bühne mit Benzin übergoss und anzündete. Dabei soll es zu einer Explosion gekommen sein, die ihn und Schlagzeuger Ian Paice fast ins Jenseits beförderte. Der Band gelang es gerade noch, ihren Hubschrauber zu erreichen, bevor die erboste Masse ihr (bzw. Blackmore) an die Gurgel gehen konnten.
Was wirklich geschah, stellt der damalige Bassist Glenn Hughes (übereinstimmend mit anderen Quellen) im Booklet zu dieser Wiederveröffentlichung klar. Blackmore hatte vertraglich darauf bestanden, genau bei Sonnenuntergang auf die Bühne zu treten. Doch die Veranstaltung, die ABC fürs Fernsehen aufnahm, war 45 Minuten 'ahead of schedule'. Blackmore zeigte sich uneinsichtig und verbarrikadierte sich in seinem Wohnwagen. Der Veranstalter riss erbost die Tür aus der Angel und zerrte den exzentrischen Gitarristen unter wüsten Bedrohungen auf die Bühne.
Blackmore gegen den Rest der Welt, also. Der revanchierte sich mit einem angepissten Gesichtsausdruck und malträtierte sein Instrument wie wohl niemals zuvor oder danach. Die Band dankte es ihm und gab ebenfalls Stoff.
Ein Jahr zuvor hatten sich Sänger Ian Gillan und Bassist Roger Glover verabschiedet, ersetzt durch die vergleichsweise unerfahrenen David Coverdale und Hughes. Beide genossen es, zum ersten Mal vor so vielen Menschen zu spielen und blühten sichtlich auf. Besonders Möchtegern-Robert Plant Coverdale, der später bei Whitesnake zu einem der erfolgreichsten Sänger des Genres wurde.
Die meisten Stücke, die sie spielten, stammten aus dem gerade veröffentlichten Album "Burn", angefangen beim starken Titeltrack. Vom 'alten' Material mogelte sich lediglich das bereits zu diesem Zeitpunkt als Gassenhauer geltende "Smoke On The Water" ein. Die ebenfalls aus der Gillan/Glover-Zeit stammenden "The Mule" und "Space Truckin'" dienten extensiven Instrumentaleinlagen. Allein das letzte Stück dauerte knapp 30 Minuten.
Genügend Zeit für Blackmores Verwüstungsorgie. Die hier gut zu beobachten (und zu genießen) ist: Die erste Gitarre endet im Graben, mit der zweiten zerstört er eine sündhaft teure Fernsehkamera. Dann macht er sich an einem Verstärkerturm zu schaffen und weist einen Roadie an, ihn anzuzünden. Es kommt zu einer Explosion, Blackmores Teil der Bühne steht kurz in Flammen. Der Gitarrist, der sein nun drittes Instrument mit den Füßen malträtiert, muss die Hitze auch spüren, zeigt sich aber unbeeindruckt und wirft den Turm stückweise in den Graben. Auch spannend: Die Band, inklusive Drummer Paice, spielt weiter, als wäre nichts gewesen. War sie offenbar gewohnt.
Das Publikum scheint eher erstaunt als wütend, nur in den ersten Reihen kommt es kurz zu einem Handgemenge, als Blackmore die Reste seiner zweiten Gitarre dorthin schleudert. Als er der Band schließlich das Zeichen gibt, den Song zu beenden, machen sie tatsächlich einen raschen Abgang, mit Polizei, Promoter und der Feuerwehr an den Hacken. Was aber leider nicht zu sehen ist.
Letztlich war der Schaden nicht dramatisch: Die Technik war schnell wieder hergestellt, Emerson, Lake And Palmer konnten wie geplant auftreten. Die Organisatoren stellten eine gepfefferte Rechnung, die Deep Purples Management anstandslos beglich. Warum auch nicht: Für "Burn" war der Skandal super Promotion. Wie auch für ABC, das den Auftritt später im TV übertrug und als Videokassette auf den Markt brachte.
Der nicht ganz so kleine Wermutstropfen dieser Geschichte: Bei der vorliegenden Veröffentlichung handelt es sich um altbekanntes Material, das bereits seit 2005 auf DVD verfügbar ist. Bonussequenzen: Fehlanzeige. Trotz der angepriesenen Restaurierung und Split-Screen-Sequenzen ist die alte Ausgabe sound- und bildtechnisch nicht wesentlich schlechter als die neue.
Wer die alte Version schon hat und sie nicht auf Blu-Ray haben will, braucht also zuzuschlagen. Auch wenn das Cover diesmal deutlich besser geraten ist.
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