laut.de-Kritik
Die Männlichkeit in all ihren Facetten.
Review von Ulf KubankeDiese Platte "ist eine glühende Vision der Wunden, die unser Jahrhundert der traditionellen Maskulinität zugefügt hat", um es mal mit einem berühmten Bridget Jones-Zitat zu sagen. Das Trio Der Mann nimmt sich auf "Wir Sind Der Mann" der Männlichkeit in allen Facetten an. Von stumpf bis komplex, von resigniert bis euphorisch, servieren sie einen bunten Stilmix zu nicht minder farbenfrohen Texten.
Das Projekt selbst besteht aus drei Fake-Charakteren, Ray, George und Berthold Mann alias Bijan, Summen und Osburg von den Türen. Doch mit der Mutterband hat diese Platte nichts zu tun. Genauso wie Bauhaus nicht Love & Rockets sind, hat auch Der Mann seinen ganz und gar eigenen Mikrokosmos. Teil der multimedial gedachten Gruppe sind darüber hinaus der Berliner Kunstmaler Helmut Kraus und die Kölner 3D-Animationsfirma Industriesauger-TV.
Heraus kommt ein Dutzend Songs, die teils selbstironisch verhohnepiepeln und zwischendurch in regelrecht philosophische Poesie münden. Fans von Tomte, Tocotronic, Kettcar oder Friebe dürften an diesem Büffet sicherlich Spaß haben. Das heißt jedoch nicht, Der Mann würde abkupfern. Denn selbst ist Der Mann und bastelt sich hier eine ganz eigene musikalische Nische.
Ähnlich wie bei den Türen gibt es hier ein Füllhorn verschiedener Richtungen, die nicht selten in einem freundlich und fettreduziert vor sich hin groovenden Light-Rock kulminieren. Alles klingt anglo-amerikanisch grundiert und bietet gern mal einen schmachtenden Whoo-Haah-Chor oder Handclapping im Hintergrund. Sogar die in ihren Hoax-Biographien explizit erwähnten Einflüsse wie Alex Chilton oder Velvet Underground schauen gelegentlich zur Tür herein. In "Jeder Mensch" etwa rattert ein John Cale entlehntes Barrelhouse-Piano à la "I'm Waiting For My Man" vor sich hin.
Da, wie Clint Eastwood einst sagte, ein Mann nun einmal tun muss, was ein Mann verdammt nochmal tun muss, schnappt sich jeder der Musiker abwechselnd das Mikro. Somit teilen sich drei Leadsänger zwölf Tracks auf. Während Berthold und Ray eine leichte Grobheit einflechten, fährt George stimmlich eher die niedliche Schiene mit gelegentlich souligem Schaulaufen ("OMG").
Textlich sind sie immer dann besonders gut, wenn sie aus der Mitte ganz netter Alltagsbetrachtungen heraus klettern und entweder die große Erkenntnis oder die große Verarsche von der angezogenen Handbremse befreien. "Ständig redet jemand auf dich ein / Doch am Ende wird niemand bei dir sein / Du lebst dein Leben nur für dich allein" trifft genau ins einsame Herz der melancholisch entfremdeten Großstadtexistenz ("Nur Für Dich Allein").
Humoristisch schießen sie den Vogel mit den herrlichen Zeilen "Oh, du Reformhaus, Freudenhaus des Stuhlgangs / Gedörrte Pflaumen und Rosinen sind deine Konkubinen!" ab ("The Rise Of The Reforming House"). Das bringen sie so dermaßen trocken und entwaffnend, man(n) möchte ihnen dafür einen Orden verleihen und allen unlustigen Karnevalsschranzen der Republik das Lied zwangsimplantieren.
Dennoch fehlt am Ende etwas zur totalen Befriedigung. Trotz aller Filigranität im Spiel und Vielseitigkeit der Arrangements erstarrt die Produktion in totaler Harmlosigkeit porentief reinen Praktikantenrocks. Ein Lied wie "Wo Fängt Mann An?" schreit mit seinem energetischen Rhythmusnaturell geradezu nach Ecken, Kanten und einer Spur maskulinen Drecks. Fehlanzeige! Sauberer klingt Doris Day auch nicht.
"Alles Keine Arbeit" möchte mit seinem fast Zappa-esken Zwischenspiel so gern Droge sein. Doch ein Großteil des Potenzials der Lieder krankt an der eigenen Glätte, die immer ein wenig spießig nach Zimmerlautstärke-Gig im Studi-Wohnheim müffelt, wo man auf Parties nur auf dem Balkon rauchen darf. Von der sinnlichen und detailfreudigen Konsequenz des Grundtons ihrer Rollen ist diese letztendlich akademisch anmutende Keimfreiheit leider einen Tick zu weit entfernt, um vollends zu überzeugen. Oder um es mit ihren Worten zu sagen: "Was passierte mit Fick Dich!?"
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