laut.de-Kritik

Gender-Games und Gurgeln mit Chili und Honig.

Review von

Dion di Mucci ist von allen heute lebenden Artists, die sich irgendwann mal in den Charts wiederfanden, der dienstälteste. Das vorletzte Mal, dass er den Massengeschmack mit seiner Vorliebe für handgemacht Authentisches crackte, liegt zwar über fünfzig Jahre zurück. Doch kurioserweise verzauberte der New Yorker aber die Engländer mit seinem 2020 veröffentlichten Blues-Manifest "Blues With Friends" - die Platte verkaufte sich super.

Was durchaus erstaunlich ist für das Werk eines vergessenen Stars der Buddy Holly-Ära. Du Mucci releast nun erneut bei Joe Bonamassas KTBA-Initiative. Für was diese steht, erklärte uns einmal Dions Duett-Partnerin Joanne Shaw Taylor im Interview.

Und wieder geht es um Freundschaft: "Girl Friends". Jenes Freundestreffen vor drei Jahren geriet zum großen Namedropping: Paul Simon, fast gleich alt, mischte mit. Bruce Springsteen und dessen Frau Patti, enge Freund:innen reicherten Dions Stücke an. Jeff Beck lebte damals noch und ließ die Saiten glühen. Brian Setzer und Billy F. Gibbons verkabelten die Amplifier und setzten Dions Seniorenwerk unter Starkstrom. Gleichwohl viele Jungs und nur zwei Ladies - Patti Scialfa und Samantha Fish. Nach einer erfolglosen Platte ohne Promis (2021) schließt Dion nun die Lücke und präsentiert seine "Girl Friends".

Türöffner Bonamassa kontaktierte Joanne fürs überraschend mediokre "Just Like That + Joanne Shaw Taylor". Da wäre mehr gegangen. Als Taylors Karriere begann, war die Kanadierin Sue Foley schon eine alte Häsin. Vor etwa 20 Jahren interviewte sie zahlreiche Blues-Gitarristinnen für ein Buch namens "Blues Guitar Women". Erschienen ist es aber nie. Die Recherche brachte aber einen Kontakt zur Westcoastlerin Debbie Davies ein. Debbie galt im Kontext als eine Art Prototyp, vergleichbar mit Suzi Quatro als ikonische Rock'n'Roll-Bassistin. "Do Ladies Get The Blues + Christine Ohlman + Debbie Davies" versinkt dann auch Bonamassa-konform im Strudel der Soli.

Einige der "Girl Friends" kennt man in unseren Gefilden kaum, allenfalls hat man irgendwo den Namen schon mal gehört: Die New Yorker Christine Ohlman wertet "Sugar Daddy" als Sidekick prima auf. Aber die Nummer kommt sowas von formelhaft gewollt memphisbluesig rüber, dass sie direkt nach dem Anhören schon wieder verblasst. Auch, wenn die intensive Vocal-Performance der beiden sowie der kristallklare Raumklang passen.

Randi Fishenfeld fällt als Geigerin wiederum aus dem Rahmen. Die Rechtsanwältin in Rente stammt aus Brooklyn. Ihr Feld war ursprünglich die Klassik, gespielt in einer rock'n'rolligen Version. Dions Stimme fügt sich großartig zu ihrem feurigen Electric Blues. Der Senior klingt herzhaft, richtig kraftvoll und mit Biss. Randi ist eine Bekannte des verstorbenen E-Street-Bläsers Clarence Clemons.

Aurora Block, die sich Rory nennt, stammt ebenfalls aus der East Coast-Region: New Jersey. Ihr Beitrag "Don't You Want A Man Like Me + Rory Block" ist sowohl rhythmisch als auch spielerisch ein Highlight. Ein cooles Lied, einfach, effektiv und, ein Fall für JJ Cale-Fans.

Shemekia Copeland ragt unter all den Namen noch als bekanntester hervor: eine tolle Stimme aus Harlem! Würde sie behaupten würde, jeden Tag fünf Mal mit Ingwer, Chili und Honig zu gurgeln, man würde ihr es abnehmen. Eine Sängerin, die mehr als (nur) singt, die quasi mit jeder Zeile eine Story zu erzählen hat, manchmal aber wirklich ein Statement mit Ausrufezeichen setzt. Etwa, wenn sie keck "you're my little moochie-boochie" krächzt und dreckig lacht. Oder wenn sie "just rest here in my aaaa-a-ha-aaaa-aaaaaaarms" trällert. Oder wenn sie im Spoken Word "Nobody likes drama, baby" raunt.

Ein Sonderfall bleibt die klassisch ausgebildete Valerie Tyson aus Florida: Eine Aufnahme von Rufus & Chaka Khan entflammte ihre Liebe für Funk und Soul. Bei Dion gibt sie ihren Einstand in die Welt des Blues, in dem Stück spielt die Gitarre ausnahmsweise mal kaum eine Rolle.

Maggie Rose und Carlene Carter rekrutieren sich hingegen aus dem Country-Sektor. "I Got Wise + Maggie Rose" ist eine getragene, ruhige Nummer mit wirklich schönen Vocals. "An American Hero + Carlene Carter" könnte mit seinem heiklen Text noch zur Hymne im Wahlkampf Joe Biden versus Donald Trump reifen. Nicht nur, dass die Melodie nach drei Takten so vertraut klingt, als kenne man sie längst. Nein, der Song bündelt die Sehnsüchte nach dem 'Früher', das angeblich besser war. Gefährliche Wünsche oder Bedürfnisse, die Populisten bedienen, spiegeln sich im wohligen Coming home-Flair des Tracks wider.

Das Verhältnis der Geschlechter spielt als Thema auf dieser Platte selbstverständlich eine Rolle. "An American Hero" nimmt zwischen den Zeilen toxische Männlichkeit ins Visier. In "Sugar Daddy + Christine Ohlmann" entdeckt der Mann mit Geld und Status, der eine jüngere Gespielin sucht, Instagram als Plattform für neue Kontakte. "Mama Said + Shemekia Copeland" thematisiert dagegen die Frau, die dem Mann sagt, wos lang geht. Und "Do Ladies Get The Blues" fragt, ob Frauen den Blues genauso fühlen wie Männer.

Unterm Strich mischen sich hier etliche Standard-Stücke mit großartigen und außergewöhnlichen Aufnahmen. Ein Ohr leihen sollte man auf jeden Fall dem Unikat "Endless Highway + Randi Fishenfeld".

Trackliste

  1. 1. Soul Force + Susan Tedeschi
  2. 2. I Aim To Please + Danielle Nicole
  3. 3. Stop Drop And Roll + Valerie Tyson
  4. 4. Do Ladies Get The Blues + Christine Ohlman + Debbie Davies
  5. 5. An American Hero + Carlene Carter
  6. 6. Don't You Want A Man Like Me + Rory Block
  7. 7. Sugar Daddy + Christine Ohlman
  8. 8. Endless Highway + Randi Fishenfeld
  9. 9. I Got Wise + Maggie Rose
  10. 10. Hey Suzy + Sue Foley
  11. 11. Mama Said + Shemekia Copeland
  12. 12. Just Like That + Joanne Shaw Taylor

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