laut.de-Kritik
Innere Dämonen prallen auf donnernde Klangwelten.
Review von Magnus Franz"I just hold onto my holy demon / And I can't resist this toxic feeling", heißt es im Titeltrack von Drens Debüt-Album "Holy Demon". Denn über den Lockdown hinweg hat sich das Dortmunder Quartett um Fabian Livrée, Arno Augustin, Patrick Uitz-Blickling und Joël Brüning intensiv mit den eigenen inneren Dämonen auseinandergesetzt und ihnen schlussendlich ein ganzes Album gewidmet, das sich als Kampfansage gegen die Schattenseiten des eigenen Selbst versteht.
Während sich die Gruppe auf ihrer 2020er EP "Pet Peeves" noch vollends ihrem eingängigen und charakteristischen Surf-Rock hingegeben hat, ist auf "Holy Demon" – dem Kampf gegen die seelischen und gedanklichen Bürden entsprechend – nun jedoch einiges anderes. Kaum eine Sekunde vergeht, bis sich verzerrte E-Gitarren-Wände, krachende Drums und beißende Bass-Lines bemerkbar machen, die in ihrer Intensität alles bisher von der Band Gehörte übertrumpfen. Nicht zuletzt ist dafür Produzent Zebo Adam, der aufgrund seiner vergangenen Arbeit mit Acts wie Bilderbuch, Zeal & Ardor und den Beatsteaks der Wunschpartner der Gruppe war, mitverantwortlich.
Das Vierergespann feuert einige seiner mitreißendsten Songs gleich zu Beginn ab. Der Opener "Holy Demon" liefert nicht nur einen der fesselndsten und monströsesten Refrains der gesamten Platte, sondern kreiert mit seinen reduzierten Versen auch einen angenehmen Kontrast, ohne jedoch an auch nur einem Punkt Spannung abzulassen. "No Need To Hide" beginnt hingegen mit einem knapp einminütigen, psychedelisch angehauchten Instrumental-Intro, auf das unerwartet hoher Falsetto-Gesang folgt, was spätestens ab diesem Zeitpunkt starke Erinnerungen an frühe Tame Impala-Projekte wie "Innerspeaker" und "Lonerism" hervorruft.
Während Drens ihren Dämonen an dieser Stelle mit Auflehnung und Kraft trotzen ("I'm undercover but I don't need to hide"), hinterlässt die Auseinandersetzung mit den eigenen Schattenseiten an anderen Stellen wiederum eine bedrückendere Botschaft zurück. "I will never get it, I will never get it / I'm nothing", erklingt es zahlreiche Male auf "Stealing All The Air", das einem ständigen Ringen nach Freiheit gleicht. Das Zusammenspiel aus zuerst ruhigen, dann befreiten, dann jedoch wieder beklemmenden Vers-Sektionen, die letztendlich in einem sphärisch explosiven Chorus münden, sorgt für ein fesselndes Hörerlebnis.
Nach einem derart gelungenen Start verbreitet sich mit "Record Store" und dem Erreichen der Halbzeitmarke jedoch allmählich das Gefühl, als hätten Fabian und Co. den Großteil ihrer starken Ideen und Songs in der ersten Hälfte verpulvert. So gelingt es der Band auf der B-Side deutlich seltener, an die Mischung aus gigantischen, aufregenden und an vereinzelt sogar tanzbaren Klangwelten des vorherigen Abschnitts anzuschließen. Viele Grooves, Arrangements und Gesangseinlagen verschmelzen zunehmend in einer Einheitlichkeit, in der sich die Inhalte zu sehr ähneln und wiederholen, als dass die Aufmerksamkeitsspanne bis zum Ende von "Holy Demon" auf demselben Hoch wie noch zu Beginn der Reise durch das Gedankenkarussell der Band bleibt.
Sowohl besagtem "Record Store" als auch "Choose To Loose" fehlen dabei konkrete Alleinstellungsmerkmale, um sich im Ohr festzukrallen. Am ehesten überzeugen noch die Gitarrenarbeit mitsamt gelegentlichen kleinen Melodieläufen, vielmehr wirken die Tracks allerdings wie schwächere, qualitativ abgespecktere Versionen von dem, was es zuvor schon auf der Platte zu hören gab. "You Have I Have" wiederum befreit sich nach seinen wenig bereichernden Soundeffekten und musikalisch enttäuschenden, deplatzierten Versen, die sich irgendwo zwischen Sprechgesang und tatsächlichem Gesang bewegen, auch mit einem üppigen Chorus nicht aus der eigenen Misere.
Zwar sorgt "You Can't Beat Me In My Dreams" auf musikalischer Ebene noch für einen versöhnlichen Abschluss, für Drens Kampf gegen ihre toxischen Gedanken gilt dies jedoch nicht zwangsläufig. Auch auf dem Abschlusstrack verbleibt die Band in einem Gerangel zwischen vermeidlicher Besserung durch Eskapismus ("I'm dreaming myself out tonight / You can't hurt my mind / You can't beat me in my dreams / As it seems") und den Tatsachen der Realität ("My world is turning cold / I'm feeling like I'm imploding / It's like I'm paralyzed").
Zurück bleibt damit auch ein Debüt, das nicht nur lyrisch, sondern auch musikalisch von Zerrissenheit geprägt ist. Während den Jungs aus Dortmund in diesem Anlauf noch nicht bis zum Ende die Qualität aufrecht erhalten, die sie gerade im Anfangssprint der Platte zeigen, merkt man ihnen dennoch an, dass "Holy Demon" als Ventil für die eigenen Sorgen und Ängste funktioniert. Denn bei so vielen angestauten Sorgen, hilft manchmal eben nur eine ordentliche Portion Lärm und Krawall.
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