laut.de-Kritik

Heimelig-punkige Songs vom Guns N' Roses-Bassisten.

Review von

Er ist der Bassist von Guns N’Roses, klar. Und der Typ, dem in den 1990er Jahren die Bauchspeicheldrüse in Folge übermäßigen Alkoholkonsums platzte. Doch ist Duff McKagan so viel mehr - Mitglied in zig weiteren Bands, Multiinstrumentalist, Autor. Anfang des neuen Jahrtausends studierte er Wirtschaft und gründete 2011 eine Vermögensverwaltung, die Musiker:innen berät.

Wichtig ist für dieses Album, das vierte unter eigenem Namen, aber vor allem aber der Umstand, dass es in seinem eigenen Studio entstanden ist. Die ursprüngliche Idee war, zwischen zwei GnR-Tourabschnitten die Möglichkeit zu haben, in Ruhe und vertrauter Umgebung Songideen umzusetzen. Der Erwerb eines alten Tonstudios unweit seines Hauses in Seattle erwies sich als Glücksgriff: Kaum in Betrieb genommen, breitete sich COVID-19 aus. So hatte Duff nun die Möglichkeit, auch im Lockdown entspannt zu arbeiten.

Und die Songs sprudelten nur so aus im heraus, nach und nach kamen mehr als 60 zusammen. Diese spielte er, wie gewohnt, mit trockener Stimme und Akustikgitarre ein, um dann weitere Spuren, Instrumente und Gastbeiträge hinzuzufügen. Produzent Martin Feveyear, der unter vielen anderen schon Mark Lanegan, Brandi Carlile und McKagans Band Loaded betreut hat, stand tatkräftig zur Seite.

Der Opener und Titeltrack gibt den Weg vor - sprichwörtlich, denn es geht um einen Leuchtturm, der dem Erzähler im Sturm Orientierung bietet. Zunächst folkig und existentiell gehalten, singt McKagan im zweiten Teil des Songs trotzig, fast schon wütend immer und immer wieder "shine", bei jeder Wiederholung mit einer weiteren Spur angereichert, bis man sich zum Schluss in einem wahren Klangorkan wiederfindet.

McKagans Punkwurzeln zeigen sich nicht nur in diesem Lied. Ein wichtiges Element auch im Sound von GNR, denn während Slash und Axl Rose die große Geste suchten und dabei auf Aerosmith schielten, zumindest in den ersten Jahren, hielt sich McKagan an die New York Dolls, die Stooges oder UK Subs. Drei Akkorde und die Wahrheit, wie es so schön heißt. Passenderweise ist "Three Chords and the Truth" auch der Titel der Radioshow, die McKagan mit seiner Frau Susie Holmes seit August 2023 wöchentlich produziert.

Einige der Songs sind Liebeserklärungen, so auch der Titeltrack. Doch McKagan packt noch viel mehr in das Album. "Lightfeather" handelt vordergründig von der für die amerikanische Wahrnehmung so wichtige Schlacht am Little Big Horn, ist aber gleichzeitig eine Danksagung an seinen Karate-Lehrer, der ihn 1994 wieder auf die Beine brachte. "I Saw God On 10Th Street", mit das beste Stück, ist eine mitreißende Folk-Punk-Nummer, in der Gott in ebenjener Straße angesichts all des Elends auf dieser Welt flucht und angewidert auf den Boden spuckt.

Ein wichtiges Thema in McKagans jüngstem Schaffen sind die Panikattacken, die ihn seit seiner Jugend plagen. Als ihn wieder mal eine ereilte, griff er zur Gitarre und schrieb "This Is The Song". Den Track packte er aber nicht auf das Album, sondern im Mai 2023 zum Mental Awareness Day mit zwei weiteren Stücken auf eine EP. Die Erkenntnis, dass es viele weitere Leute gibt, die mit Panikattacken leben müssen, habe ihm sehr geholfen, so McKagan.

Bei der Auswahl der Stücke habe er sich nicht am klassischen Aufbau eines Rockalbums orientiert, laute und leise Stücke in einer bestimmten Reihenfolge. "Eigentlich sind das alles nur einfache Punksongs", meint er, "ganz nackt und ohne Geschrei. Die Themen decken aber ein breites Spektrum ab. Indem ich mit einer Ode an meine Frau beginne und mit einer Ode an das Leben ende, rahmt diese Platte die beiden Dinge ein, die ich am meisten liebe".

Musikalisch fehlt dadurch gleichwohl ein bisschen der rote Faden. "Holy Water", "Fallen", "Forgiveness" und "Fallen Ones" klingen eher lieblich, "Just Another Shakedown" könnte mit anderer Stimme und anderem Solo als energiegeladenes GNR-Stück durchgehen. Dazu gräbt McKagan mit "Hope" ein Lied aus, das er bereits 1999 für sein Album "Beautiful Disease" aufgenommen hatte. Sein Kumpel Slash steuerte damals die Gitarre bei. Auf Basis der damaligen Mastertapes sang McKagan die Lyrics neu ein.

Für "I Just Don’t Know" schaute ein weiterer Freund, Jerry Cantrell von Alice In Chains, im Studio vorbei. Eine nachdenkliche Nummer mit Streichern aus der Konserve und brauchbarem Solo. Der Abschluss, ein Anhängsel, gebührt Iggy Pop, der den Text des Openers zu Science Fiction-Klängen mit Grabesstimme vorliest. Eine weitere Jahrzehnte lange Freundschaft, die dazu führte, dass McKagan an Pops aktuellem Album "Every Loser" (2023) beteiligt war und ihn Anfang des Jahres auch auf Tour begleitete.

Den Rhythmus in McKagans Leben bestimmt nach wie vor die Touraktivität mit Guns N’Roses. Eine Konzertreise mit "Lighthouse" soll aber irgendwann stattfinden, wie auch weitere Veröffentlichungen mit dem bereits aufgenommenen Material. Die Vorhaben gehen McKagan nicht aus, doch sieht er es ganz entspannt: "Ich habe meinen Platz gefunden, an dem ich mich wohlfühle, wie ich meine eigene Musik klingen lassen möchte.".

Trackliste

  1. 1. Lighthouse
  2. 2. Longfeather
  3. 3. Holy Water
  4. 4. I Saw God On 10th St.
  5. 5. Fallen
  6. 6. Forgiveness
  7. 7. Just Another Shakedown
  8. 8. Fallen Ones
  9. 9. Hope (feat. Slash)
  10. 10. I Just Don't Know (feat. Jerry Cantrell)
  11. 11. Lighthouse (Reprise with Iggy Pop)

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