laut.de-Kritik
Band-Doku mit vielen Anekdoten.
Review von Ulf Kubanke"Sum Of The Parts" ist weit mehr als lediglich irgendeine Genesis-Doku. In 90-minütiger Spielfilmlänge deckt sie die Biografie der legendären Band von den Ursprüngen bis in die Gegenwart komplett ab. Dabei sind erstmals alle Kernmtglieder Tony Banks, Peter Gabriel, Phil Collins, Steve Hackett und Mike Rutherford (plus Gründungsmitglied Anthony Phillips) mit an Bord und geben launige Kommentare zum eigenen Werdegang ab.
Das Konzept ist durchaus interessant. Die Macher fahren einen extrem gut zusammengeschnittenen "in their own words"-Ansatz, angereichert durch erklärende Randbemerkungen von Weggefährten. Als Bonusmaterial gibt es ein paar Extra-Interviews mit den Progpionieren.
So weit so gut. Doch in der Umsetzung bietet diese Herangehensweise Stärken und Schwächen gleichermaßen. Natürlich ist es ein Vergnügen, zu sehen, wie alle - vor allem Gabriel und Collins - nach gefühlten 100 Jahren mal wieder öffentlich an einem Tisch sitzen und die ganze Story mit milder, mitunter angenehm englischer Selbstironie betrachten.
Ebenso gelungen ist die - für eineinhalb Stunden ertstaunliche - Dichte anekdotischer Details, die den Flow des Films stets kurzweilig hält. So erzählt etwa Peter Gabriel erfrischend von seiner frühen Angst, von den Kollegen für seine - meist vom Kleiderschrank der Freundin/Ehefrau zusammengeklaubten - Bühnengarderobe verlacht zu werden. Deshalb schmuggelte er die schräg austaffierten Klamotten meist erst kurz vor oder während des Gigs hinein.
Auch betonen sie die einzelnen Fähigkeiten der Member ausführlich, wobei der typisch britische Charakter der Kombo deutlich zu Tage tritt. Herrlich, wie man sich gemeinsam darüber amüsiert, in den Staaten von den Rock'n'Roll-Junkies viele Jahre lang als eine Art musikalische und optische Tuntentruppe nur wenig Ernst genommen zu sein.
Jede einzelne Periode unterfüttert die DVD geschickt mit teilweise rarem Livematerial, wobei vor allem die prähistorischen Sequenzen aus den ganz frühen Tagen soundtechnisch von überraschend ansprechender Tonqualität sind. Die suggestive Wucht der Reportage ist auf der Popcornebene so gut gelungen. Man bemerkt erst hinterher, was dem Zuschauer eigentlich fehlt.
"Sum Of The Parts" bietet nämlich keinerlei kritische Distanz oder gar Einordnung des musikalischen Schaffens und der Bandcharaktere. Das liegt vor allem daran, dass es keinen übergeordneten Kommentar eines neutralen Sprechers gibt. So entsteht beim Zuschauer schlussendlich der bleifüßige Eindruck konstanter musikalischer Superlative. Am Ende steht Quark wie der 90er Grusel "No Son Of Mine" einträchtig auf derselben Ehrentribüne wie etwa das grandiose "The Lamb Lies Down On Broadway". Netter Versuch und mit bunten Bildern und blumigen Worten geschickt hingebogen, aber dennoch unwahr!
Insgesamt übertreiben die Macher es mit Schulterklopfen und Weihrauch dennoch nicht ganz so arg, dass der teils kauzige Charme von Genesis auf der Strecke bliebe. So kann man dem Fan und dem Neuling gleichermaßen bedingt zu Kauf raten und unbedingt dazu mal wieder die alten Klopper à la "Nursery Cryme" oder "Foxtrot" aufzulegen.
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