laut.de-Kritik

Pennäler-Pop, an dem ein paar Retro-Momente das beste sind.

Review von

"How Have You Been?" beweist sich zwar an etlichen Stellen als Album mit gutem Potenzial. Zu oft unterliegen die westfälischen Giant Rooks darauf aber eingespielten Maschen, minder originellen musikalischen und sprachlichen Stilmitteln, Pennäler-Pop-Level in den Themen und Stimmungen. Drei Viertel der Platte wirken wie schon mal irgendwo gehört und lassen schulterzuckend auf einen Clou oder mitreißenden Moment hoffen.

Dabei hat die Band überraschende Augenblicke grundsätzlich drauf, hört man etwa das verschachtelte Krachgewitter am Gipfelpunkt des Tracks "Brave New World" zur Zeile "falling in slow-motion / nuclear explosion". Oder eine Stelle in "For You", in der Lucas Bassgitarre so schneidend und gefährlich klingt, als wenn ein Leopard seine Zähne fletschte und den Sprung auf seine Beute vorbereitete.

Solche Wendungen dürfte es gerne öfter geben. Am anderen Ende der Kreativitäts-Skala trottet das Füllsel "Love Is A Selfish Thing", das so viel Substanz hat wie eine Tütensuppe, bei der man zu viel Wasser mit zu wenig Pulver aufrührt: ein Hauch von nichts. Generell könnten die kurzen Lieder gerne noch kürzer sein, denn meistens verschießen sie ihre Munition voreilig.

Das mag einmal daran liegen, dass das Konzept der Scheibe der Versuch ist, ungefähre und vage Stimmungen wie einen Pudding an die Wand zu nageln: diffuses Verlorensein nach einer Trennung ("Morning Blue"), Tagträume und geplatzte Träume (mehrmals, zum Beispiel in "Fake Happiness"), Lust auf ewige Bindung ("How Have You Been?"), Gründeln in Erinnerungen und Wechsel von Jahreszeiten ("Fight Club"), Hoffnung auf ein Wunder in Form eines Wesens, das das eigene Schicksal rettet ("Under Your Wings"), allgemeiner Weltschmerz ("Cold Wars").

Die Plattenfirma schwärmt von "geschliffenen Texten und komplexem Songwriting". Die Gitarrenrocker liefern jedoch tonnenweise Statements der Sorte Schreib-Workshop, erste Sitzung, Warm-Up: "The sun goes down without any reason (...) rain starts fallin'", "I don't wanna live / I don't wanna die (...) nobody should feel the way I feel right now", "I won't never let you go / cause you're mine / you'll be mine / 'til the end of time." - "Und was sich reimt, ist gut", meint der Pumuckl. Dennoch sollten die Rookies kein reines 'reim-dich-oder-ich-fress-dich'-Spiel veranstalten wie etwa in ihrem Teenie-Hormone-Rockpop "Morning Blue" über ein Twen-Mädel, 22, Teilzeitkraft in einem Secondhand-Geschäft, irgendwo in Georgia im Auto unterwegs. In mehreren Songs purzeln erste und dritte Person im Satzbau durcheinander. Man kann den angedeuteten Stories mit ihren vielen Metaphern von Sonnenauf- und untergang, Bergen, Wasser und Schwimmen nicht schlüssig folgen.

Ein weiteres Manko, das den Spaß bremst, sind die sich wiederholenden Muster aus Gitarren-Wall of Sound, hymnischen Parts und innehaltenden Bridges nach zwei Dritteln Liedverlauf, mit Akustikgitarren-Geplätscher und gedimmtem Tempo. Laut-Leise-Dynamik und Schnell-Langsam-Wechsel funktionieren ein paar Mal gut, aber nicht in jedem zweiten Track.

Zudem unterhält Frederik Rabe mit charismatischem Brummel-Timbre nur stellenweise gut, zum Beispiel in "Fight Club". Auf der Langstrecke dieses 52 Minuten dauernden zweiten Albums hat man sich nach 20 Minuten an ihm satt gehört und bräuchte Abwechslung. Gewiss mag ein müde herunter gesungener Text wie in "Nobody Likes Hospitals" dem Thema des depri gestimmten Liedes Rechnung tragen. Dieser Monotonie zuzuhören, ist trotzdem weder angenehm noch spannend oder erkenntnisreich. Übrigens ist die Aussage "Nobody Likes Hospitals" ja auch recht flach. Zum Beispiel mögen Frauen, die dort Kinder zur Welt bringen, Krankenhäuser so weit ganz gerne und denken Jahrzehnte später positiv daran zurück. Der Tune fließt bestimmt mal in Soundtracks bedeutungsschwangerer deutscher Kinofilme mit melodramatischen Phasen ein, ansonsten bräuchte man diesen wie auch manch anderen Track als Fan des Erstlings "Rookery" nicht.

Das Debüt verkaufte sich super, war ein Platz Drei der deutschen Album-Charts und erzielte in drei Jahren 200 Millionen Streams: Sehr beachtlich für eine deutsche Gitarren-Band! Viel Neuartiges folgt nun nicht nach, nette Elton John-Momente mit donnerndem Sound und Massivität ("For You"), solide, stringente Unterhaltung mit leicht mitsummbarer Melodie ("Under Your Wings"), Zuckerwatte-Indie, der wohl bei The Verve in die Lehre ging ("Cold Wars"), Schrammelei nach Art der Rolling Blackouts Coastal Fever (z.B. "Somebody Like You"), (zu) viel Beatles und gute 'laid back'-Beats: "Fake Happiness", "Bedroom Exile".

Jenes Sozialphobie-Stück, "Bedroom Exile", über diese Tage, an denen man gerne die Bettdecke übern Schädel zöge, das Handy auf Flugmodus ließe, alles zu viel ist, hangelt sich von Mark Ronson zu MGMT. Das Soul-angereicherte Intro metamorphisiert sich zum Power-Banger mit einem attraktiven Electro-Vibe. Gelegentlich setzt sich Funkiness durch. "Pink Skies" verfügt über solche Breaks und Riffs und Moves, die Offbeat-Groove versprühen. Das süße Lied über Annäherungsversuche auf einer Party versetzt nostalgisch in eine heile Welt anno 1962, "sixties playing on the radio", es gibt Surf-Kalifornien-Anleihen, Choral-Hall und Yacht-Pop im Stile von Tame Impala.

Wem bei Schuljungen-Poesie wie "God knows it's true / I've been waiting for somebody like you" nicht die Ohren abfallen, erlebt ein fluffiges und soundtechnisch gut produziertes Werk, das die Musikwelt keinen Deut verändert, aber ganz nett und okay ist.

Trackliste

  1. 1. For You
  2. 2. Pink Skies
  3. 3. Somebody Like You
  4. 4. Under Your Wings
  5. 5. Cold Wars
  6. 6. Nobody Likes Hospitals
  7. 7. Fight Club
  8. 8. Flashlights
  9. 9. Brave New World
  10. 10. Bedroom Exile
  11. 11. Morning Blue
  12. 12. Fake Happiness
  13. 13. Love Is A Selfish Thing
  14. 14. How Have You Been?

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