laut.de-Kritik

Heute drauf getanzt, morgen vergessen.

Review von

Immer nur bauchfrei ist ja auch langweilig, wird sich Gwen Stefani vor der Festlegung ihres neuen Images gedacht haben. Warum nicht einfach mal gar nichts obenrum anziehen, dafür eine diamantbesetzte Schlüssel-Kette mit doppeltem "G"-Symbol (Hip Hop), die Haarfarbe zu einer längst fälligen, optischen Deborah Harry-Verbeugung drillen (Pop) und als Krönung eine sauteure Sonnenbrille aufziehen (Style)? Moment mal, das ist ja genial, wird sie dann gedacht haben. Das verbindet ja all das, wofür ich als Solokünstlerin stehe.

Zwar ist Gwen Stefani vor einem halben Jahr auch stolze Mutter des kleinen Kingston James McGregor Rossdale geworden. Fotos mit Fläschchen geben oder Schnappschüsse mit Kinderwagen am Huntington Beach mutet sie ihrer loyalen Zielgruppe trotzdem nicht zu. Dabei könnte sie wahrscheinlich als eine der wenigen im Bling Bling-Business solch einen Gegenentwurf zum weiblichen Coolness-Kodex des Pop-Status Quo stil- und würdevoll transportieren.

Seit ihrer Rolle als Jean Harlow in Scorseses "The Aviator" scheint sich Stefani eher ins Image der unnahbaren Platinblonden verguckt zu haben. Rollen spielt die Sängerin ohnehin sehr gerne, ohne ihre Herkunft als einfaches kalifornisches Mädchen zu verleugnen, das sie trotz ihrer Traumkarriere bis heute geblieben ist ("Orange County Girl"). Sie ist und bleibt eben "Just A Girl", manchmal ein "Hollaback Girl", in jedem Falle aber ein "Rich Girl".

Viel mehr Neuigkeiten sind auf Gwen Stefanis zweitem Soloalbum nach dem umwerfenden Erfolg von "Love, Angel, Music, Baby" weder textlich noch musikalisch zu erwarten. Dass sie eigentlich gar keine Singstimme hat, sollte man ihr im Jahr 2006 auch nicht mehr zum Vorwurf machen, so wenig sie daran schuld ist, dass Kolleginnen wie Nelly Furtado und Fergie sie in letzter Zeit scham- und hilflos kopieren.

Geladen zur großen Beat-Pop-Orgie wurden natürlich genau jene Herren, ohne die das halbe R'n'B/Hip Hop-Umfeld noch immer nicht auszukommen scheint, Timbaland mal ausgenommen. Mit ihrer alten Gefährtin Linda Perry ("What You Waiting For") arbeitete Gwen zwar gleich an fünf Songs, aufs Album schaffte es überraschender Weise aber kein einziger. Dasselbe gilt für einen Song mit Dave Stewart. Dafür begrüßen wir, weils so schön war ("Hollaback Girl"), mal wieder ausufernd die Disco-Platzhirsche der Neptunes, deren bekannte Hälfte auch schon als Solokünstler reüssierte, maßgeblich dank sechs simpel dahin gehauchten Worten von Miss Stefani.

Die Revanche gelingt nur mäßig: Die Vorabsingle "Wind It Up" mit gesampleter Musical-Melodie ("Sound of Music") ist sicher Pharrells bassbetontester Beitrag, wenngleich Stefanis Mut zum Jodeln dem Spaß auf der Tanzfläche doch eher abträglich ist. Ganz anders "Yummy": knochentrocken aufgenommene Percussions bilden die Grundlage für Stefanis wie immer quietschebunte Raps. Die ziellos dahin wummernde, Drum'n'Bass-Sounds zitierende Spirale "Breakin Up" und die einmal mehr minimal arrangierte Ballade "Orange County Girl" gewinnen dagegen keinen Innovationspreis.

Mit Hip Hop-/R'n'B-Grenzgänger Akon ist der übliche gegenwärtige Superstar am Start (letztes Mal Andre 3000), dessen "The Sweet Escape" trotz konservativem 80s Pop-Refrain, den man im Übrigen einer Paris Hilton um die Ohren geschlagen hätte, mit Sicherheit eine der nächsten drei Singles stellt. Auch für den Bootyshaker "Now That You Got It" mit Swizz Beatz gilt: Heute drauf getanzt, morgen vergessen.

Einerseits nimmt Gwen Stefani den Sound-Faden des Vorgängers mit besorgniserregender Gleichgültigkeit auf. Andererseits darf man sich fragen, ob am Ende nicht gerade das die Aufgabe einer Traumfabrik-Vorsteherin von ihrer Sorte ist: Träume einfach so bunt und schillernd wie möglich zu verkaufen. So agiert die Amerikanerin im Stile einer gewieften Produktmanagerin, die sie als hauptberufliche Modelabel-Chefin auch ist, die einen kurzen Blick auf die Zutaten wirft und höchstens nochmal fürs Endergebnis vorbei schaut. Motto: Je vielseitiger, je lustiger.

So klingt die Kollaboration mit dem Sänger von Keane exakt wie eine Cardigans-Coverversion ("Early Winter"), "Wonderful Life" mit Gitarrist Martin Gore nach Depeche Mode light, während "U Startet It" vor 20 Jahren irgend eine Pop-Hupfdohle der Sorte Irene Cara ("Flashdance") gesungen hätte. Die Beiträge des No Doubt-Kollegen Tony Kanal setzen dem flachen Hochglanzpop die Krone auf ("4 In The Morning", "Fluorescent"), nur "Don't Get It Twisted" weiß mit Bläsersatz und Nostalgiebonus für Gwens alte Band ansatzweise zu gefallen. Mit der soll sie sich ja auch eine Zukunft vorstellen können, wie man hört. Schaden kanns nicht.

Trackliste

  1. 1. Wind It Up
  2. 2. The Sweet Escape
  3. 3. Orange County Girl
  4. 4. Early Winter
  5. 5. Now That You Got It
  6. 6. 4 In The Morning
  7. 7. Yummy
  8. 8. Fluorescent
  9. 9. Breakin Up
  10. 10. Don't Get It Twisted
  11. 11. U Startet It
  12. 12. Wonderful Life
  13. 13. Wind It Up (Bonus Track)

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