laut.de-Kritik
Tolles Indierock-Album mit nur wenigen Aussetzern.
Review von Florian DükerObwohl die erfolgreiche Netflix-Serie "13 Reasons Why" eigentlich schon nach einer Staffel nicht mehr sehenswert war, verdient sie doch allein aus folgenden Gründen Anerkennung: Die Adaption des Romans "Tote Mädchen lügen nicht" behandelt mit Mobbing und Suizid sehr wichtige Themen und sie hat zumindest in der ersten Staffel einen ziemlich guten Soundtrack.
So verhalf die Serie dem ebenso kitschigen wie schönen "The Night We Met" von Lord Huron zu knapp 170 Millionen Aufrufen auf YouTube und brachte den größtenteils jungen Zuschauern die Musik von Hamilton Leithauser näher. Die beiden Songs vom Kollaboalbum mit dem ehemaligen Vampire Weekend-Mitglied Rostam, die Szenen der Serie untermalen, sind nun mit riesigem Abstand Leithausers erfolgreichste Stücke.
Dass es auch Songs von Leithausers viertem Album "The Loves of Your Life" wieder in Serien und Filme schaffen werden, erscheint realistisch. Denn auf dem Album sind Songs, die mit dem besten Material von Leithauser mithalten können. Das hat einiges zu bedeuten, denn Leithauser macht seit mehr als 20 Jahren Musik, früher unter anderem mit der Band The Walkmen.
In einem ziemlich witzigen Promoclip für "The Loves of Your Life" berichtet Leithauser, dass jeder Song des Albums von bestimmten Menschen handelt: zum einen von Freunden oder alten Bekannten und zum anderen von Fremden, die er vielleicht mal in den New Yorker Straßen gesehen hat.
Besonders dankbar sollte man sich jenen Personen erweisen, die die beiden ersten Singles "Here They Come" und "Isabella" inspiriert haben. "Isabella" basiert auf einer coolen Kontrabass-Line, lebt von den Vocals Leithausers und der Background-Sängerin und wird verziert durch die zahlreichen Instrumente auf dem Track.
"Here They Come" folgt demselben Konzept wie "In A Blackout" (eines der oben genannten erfolgreichsten Stücke Leithausers), startet still und leise mit einer vielversprechenden Akustikgitarren-Melodie und explodiert irgendwann euphorisch mit Einsetzen der Drums und des Klaviers. Könnte Leithauser dieses hohe Niveau, mit dem das Album startet, über die vollen 42 Minuten halten, hätten wir es hier ohne Zweifel mit einem Anwärter für das beste Alternative- oder Indie-Rockalbum des Jahres zu tun.
Dass Leithausers Stimme manchmal zwischen gewöhnungsbedürftig und nervtötend schwankt, zeigt sich aber schon auf dem direkt auf "Isabella" und "Here They Come" folgenden "Cross-Sound Ferry (Walk-On Ticket)". Sein Gesang ähnelt hier leider eher schrillem Geschrei, das den Hörer während der willkommenen Ruhepausen des Stücks jäh aus den Gedanken, was sich Leithauser dabei gedacht hat, reißt.
"Don't Check the Score", die dritte Single, ist das längste Stück der Platte. Leithauser lässt sich Zeit für spannungsaufbauende Strophen, die in einem hymnenartigen Chorus münden und ein beruhigendes Outro, in dem Leithauser einem Freund rät, sich keine Sorgen zu machen und ihm das Gefühl gibt, geliebt zu werden, egal was passiert.
"Til Your Ship Comes in" knüpft daran an: "I love you now. I loved you then. I'll love you 'til your ship comes in" singt Leithauser begleitet von Klavier, Schlagzeug, Gitarre und Bass. Sein Anteil vor allem an der Produktion des Albums ist mehr als beachtlich. Er hat es zwar nicht ganz alleine bewältigt - Jon Baptiste beispielsweise half mit seinen Klavierfähigkeiten aus - aber die allermeisten Schlagzeug-, Bass-, Gitarren-, Synthesizer- oder Mandolinparts wurden von Leithauser persönlich im Studio in New York City eingespielt.
"Wack Jack" markiert einen weiteren Höhepunkt des Albums. Verspielt, vielschichtig, stimmig, aber dennoch eingängig und markant: Leithausers Mischung aus Alternative, Folk, Indie-Rock und Pop funktioniert einfach. Am kleinen, aber feinen Intro von "Wack Jack" kann man sich eigentlich gar nicht satt hören.
"The Other Half" läutet das Ende des Albums ein, aber irgendwie hat man das Gefühl, dieses Lied schon einmal besser von einer anderen Indie-Band gehört zu haben. "The Old King" hingegen ist ein super Outro für ein super Album. Background-Vocals liefern Leithausers Töchter, die ein kleines bisschen schief, aber irgendwie süß "whatever happens ... know you can love me. Whatever happens next ... know you can trust me" im Chor singen. Ein angenehmer Ohrwurm, den man gerne mit sich herumträgt, denn die Melodie klingt so positiv und ermutigend wie die Botschaft.
Vampire Weekend haben mit der konstant hohen Qualität ihrer Musik eine Art Messlatte für Alternative-/Indie-Rock geschaffen und zählen neben Arcade Fire auch zu den kommerziell erfolgreichsten Vertretern des Genres. Leithauser muss den Vergleich mit Vampire Weekend nicht scheuen, der sich aufgrund des Sounds und der Wahlheimat New York anbietet.
"The Loves of Your Life" ist ein Album mit hohem Wiederspielwert, vielschichtigen Instrumentals und interessanten Texten. Es leidet ein wenig darunter, dass Leithauser seine Stimme nicht immer so einsetzt, dass sie so angenehm klingt wie seine Instrumentals. Schaut man darüber hinweg, kommt man in den Genuss eines sehr gelungenen Albums mit wenigen Aussetzern.
1 Kommentar
Bis jetzt Platte der Woche!