laut.de-Kritik
Verträumter Falsetto-Folk mit Adeles Drummer.
Review von Philipp KauseOriginellen und alternativen Folk in sauberer Produktion präsentieren jetzt zum zweiten Male Holy Hive. Die in New York verwurzelte Band betreibt gern Namedropping mit den beachtlichen Referenzen ihres Soul-affinen Schlagzeugers Homer Steinweiss. Er trommelte bereits für Adele, Lady Gaga, Dua Lipa, Bruno Mars, gehört zum Umfeld von Mark Ronson und versorgte fast alle von dessen Produktionen. Homers Drumming hört man auf dieser CD gut im lieblichen "Starless" in Form von Snare-Geknatter heraus.
Auftrags-Musiker entwickeln hin und wieder den Drang, ihr eigenes Baby zu zeugen und groß zu ziehen. Besonders schön, wenn sie das auch gut beherrschen. Im Falle der selbstbetitelten LP fehlt es dabei an nichts, denn die Melodien fließen geschmeidig ins Stammhirn und sorgen für vegetatives Wohlbefinden, und Herr Steinweiss fand für sein Projekt auch einen vorzüglichen Sänger.
Paul Spring stimmt die Noten in purster Kristallklarheit an, zudem in auffallendem Falsett. Die hohe Tonlage trifft er mühelos wie ein Barry Gibb. Umso düsterer die sechssaitige Akustische schnarrt, umso krasser der Kontrast zur hellen, unbekümmerten und jugendlichen Stimme Pauls.
Manches auf dem Album lässt seinetwegen und auch stimmungsmäßig, an frühe Bee Gees-Balladen wie "New York Mining Disaster 1941" denken; auch manch rustikale Songs von Simon and Garfunkel wie "Parsley, Sage, Rosemary And Thyme" und "I Am A Rock" kommen in den Sinn. Der Folk-Komponente gemäß nehmen auch eine Akustikgitarre und naturverbundene Texte breiten Raum ein, weitaus mehr als auf dem Debüt 2020. "Circling The Surface" erzählt von Vögeln, die am Himmel ihre Kreise ziehen und im Wasser spielen, während man seine Gedanken so sammelt und mit sich selbst inneren Frieden schließt.
Was bei anderen Bands des Genres oft ins Introvertierte kippt, erscheint hier hingegen Nähe suchend, direkt am Ohr. Selbst "Deadly Valentine" als eines der melancholischsten Stücke auf "Holy Hive" punktet mit zügigem Tempo und spielerischer Stringenz, sucht Optimismus im Wohlklang. Mehrere Tonspuren überlagern einander und erwirken den Eindruck von Chor und Orchester, obwohl beides nicht vorhanden ist und der Effekt von einer minimal kleinen Besetzung herrührt.
Klein gestalten sich auch die Liedformate mit anderthalb bis um die drei Minuten, nur zwei der 15 Tracks stoßen an die vier Minuten-Marke. Instrumente jenseits von Gitarre und Drums beschränken sich aufs Allerwesentlichste und erhalten zum Beispiel ein paar Basstöne lang Raum wie in "Great Chains", wo auch für einige dezente Tupfer ein Tenorsaxophonist loslegt. Dieser Singer/Songwriter-Tune profitiert vor allem von der resonanzsatten Acoustic Lead Guitar.
"Star Crossed" beinhaltet ein Orgel-Finale, auch "Golden Crown" lässt Orgeltöne das Arrangement tragen, ansonsten bleibt alles reduziert auf einen Folk, den man auch spontan an der Straßenecke spielen könnte. Allenfalls der Soul-Groove des besten Tracks, "Story Of My Life", verlangt nach mehr. Während in der Einstiegszeile ein alter Tiger in seinen Käfig trottet, begleitet ein federndes, Jojo-elastisches Wogen auf dem Piano seinen Gang und greift da den betriebsamen Stil der französischen Phoenix auf.
Wer Charlene Soraia, Alexandra Savior, Fleet Foxes oder Laura Marling gerne zuhört, könnte den Holy Hive ebenfalls manches abgewinnen. Der Tune "Ain't That The Way" wartet mit Existenzialismus auf: "Nichts gibt's umsonst, nichts kommt von alleine", und diese Philosophie lässt dann noch an einen Meister denken, dessen Akustikgitarre etlichen seiner Klassiker eine ähnlich dunkle Grundfärbung verlieh, wie's hier auf der Platte geschieht: Leonard Cohen. "Deadly Valentine" lehnt sich an die abgeklärtesten und lakonischsten Nummern des Literaten wie "Stories Of The Street" und "Avalanche" an.
Während Holy Hives Arrangements zum Teil uneinnehmbar wie Festungen klingen und wenig aufgeschlossen gegenüber Improvisation und Soli, punktet die Platte dort, wo sie groovt - etwa in "Brooklyn Ferry" - und weist eine erkleckliche Reihe schnuckeliger Melodien auf. Der letzte Schliff fehlt noch, schlummert aber sicher im Soul-Potenzial der noch recht jungen Formation, wie das Instrumental "Cynthia's Meditation" in seiner deepen Sixties-Retrospektive vorführt.
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