laut.de-Kritik
Musik jenseits von Raum, Zeit und Verstand.
Review von Hannes HußWo ist hier unten, wo oben, wo links, wo rechts, wo vorne und wo hinten? Als Enten schwimmen Pedro, Peter und Joel an mir vorbei, quaken fröhlich, pinkeln ins Wasser und ziehen davon. Mir wird übel, ich muss schlafen. Doch wo ist hier der Boden?
Der Boden auf dem sich Kollegin Lütz in den "Besten Jahren" wälzte? Vor mir liegt nur ein Wirrwarr der Referenzen, von 70s Softrock hin zu Krautrock und Neuer Deutscher Härte und generell allem, was Deutschland noch hervorgebracht hat. Natürlich noch Tropicalismo aus Brasilien, und irgendwann zieht Ludwig van Beethoven in einer Spacekapsel an mir vorbei. Ich kann nichts mehr sehen, nur diese Enten, die mich verhöhnen.
Ihr Gequake ergibt für mich keinen Sinn, sie singen von "versiegelten Fenstern / und verzuckerten Ziegeln" und einem "Marmeladenglas". Sind sie zu schlau, bin ich zu dumm? Was ist Raum, was ist Zeit? Im "Ententraum" schwebe ich durch alles hindurch, entziffere mühsam Referenzen, lasse mich von Lyrics veräppeln, denen ich nur mühsam zuhören kann. Und wer ist diese seltsam mechanische Roboterstimme, bekannt von der Düsseldorf Düsterboys-EP "Im Winter"? Hier stellt sie sich als "Schmitt, Gedankenzähler" vor. 15 Gedanken zählt er, zwei davon gut, drei gemein und über die restlichen will er nicht reden. Aber welche Gedanken zählt er? Meine? Eure? Seine eigenen?
Ok, wir halten uns mal an etwas fest. Der Titel des vorliegenden Albums "Ententraum" ist eine Referenz an den großen Humoristen Karl Valentin, der einst einen Witz erzählte vom Mann, der im Traum eine Ente war. Schön, das kann ich noch verstehen. Aber der "Ententraum" der International Music entpuppt sich in "Der Traum Der Ente" als (mutmaßlicher) Traum unseres geliebten Schmitts. Das Hirngespinst eines größenwahnsinnigen Gedankendiebes. Mehr als 60 Minuten entführt er uns in die hintersten Winkel seines Denkens, warnt uns "Fass bitte nichts an / das ist mein Museum", lässt uns an Proben der Band teilhaben. "Spiel Bass / und trink dein Bier" schreit Peter den armen Pedro an, bis er heiser wird und der Song in einen bedrohlich blubbernde Minimalismus-Setting abrutscht. Dafür soll Joel, diese gottesgleiche Erscheinung im Vokuhila, "Schlagzeug / von oben" spielen. Bitte was?
Alle Versuche, dieses wunderbar dadaistische Album zu verstehen, sind zum Scheitern verurteilt. Sobald ich mich aufrappeln kann, zieht mir irgendeine Zeile den Teppich unter den Füßen weg. "Truth is not objective" ist hier das Motto. Alles kann, nichts muss. Als wäre Paul Feyerabends dadaistische Wissenschaftsphilosophie Rockmusik geworden. Wider alle Zwängen des Alteingesessenen zimmern International Music ihre schiefen Traumgebilde. "Museum" ist beseelt in seiner Leichtigkeit, melancholisch trabt der Song vor sich hin. Peter Rubel singt von der Überheblichkeit des kreativen Prozesses und bricht dennoch zusammen. Nur eines bleibt ihm noch übrig: Das Weinen verweigern. "Weinen will ich nicht / das befeuchtet mein Gesicht zu sehr".
Na dann, ab nach Düsseldorf. Also nicht zu den Düsseldorf Düsterboys, der Zwillingsband der International Music. Nein, die einzige Stadt im Ruhrpott ohne Schwielen an den Händen. Dorthin möchte uns die Band in "Raus Ausm Zoo" entführen. Lässig springen sie ins Cabrio, richten die Haare im Rückspiegel und zwinkern verführerisch den hübschen Menschen an der Eisdiele zu. Wer kann da noch widerstehen? Sie wollen mit uns auf die "Vernissage" und dort bei "Champagner und Schnittchen" flirten. Allerdings mies gelaunt, wie sie betonen.
Eigentlich wären sie lieber in Krakau, denn "da ist der Himmel ja so grau". Oder der "Höhle Der Vernunft" auf der "Insel Der Verlassenheit". Hier findet Gedankenzähler Schmitt eine raum- und zeitlose Schwarmintelligenz, die an der Selbsterkenntnis ihrer selbst zerbricht. Zufrieden mit seiner Beobachtung wartet er auf Antwort von Rubel. Der will sich auf solche Spielchen gar nicht einlassen. Die Band dreht die Regler hoch, spielt aggressiven Bluesrock und hämmert Schmitt entgegen: "Weiß / weiß / weiß / Baby, ich weiß". Als müssten sie den nervigen Philosophie-Doktoranden in der Kneipe ruhigstellen, der mal wieder über Hegels Phänomenologie des Geistes unter Anbetracht des deutschen Nationalismus diskutieren wollte.
Viel lieber wollen die drei Jungs den "Wassermann" anbeten. "Mein Herz schlägt immer für dich", versprechen sie. Allerdings, wenn sie ihm nahekommen, mit ihm auf den Wiesen liegen, so sind die Herzen wieder "unentschieden". Vielleicht ist das besser so, denn die "Erosion meiner Lust / ist die Korrosion unserer Liebe". Eine Zeile, so bedeutungsschwanger wie schwachsinnig, man möchte sie direkt über dem Herzen tragen, könnte man sie denn verstehen.
Noch seltsamer wird es in "Kopf Der Band (Pedros Version)". Ein Bluesschmankerl, gnadenlos simpel, endlos melancholisch und wunderbar linkisch. Der "Kopf Der Band" ist ein Staple der Band. Peter und Joel stellten sich schon auf dem Debütalbum als Köpfe der Band vor, jetzt übernimmt Pedro die Bühne. Er imaginiert sich selbst als "Box im Raum" und träumt einen "Traum von Pubertät", buchstabiert die Zeilen langsam aus. Doch der Traum zerfällt, sobald er die Pubertät selbst erreicht hat.
Die Schwermut durchzieht den gesamten "Ententraum". Im "Dschungel" dämpft das Schlagzeug die Stimmung zum Trauermarsch herunter. Dazu philosophiert Peter Rubel über die Natur des rätselhaften Dschungels. Er ist "Zuhause" und "grüner Sarg", "weder Mitternacht noch Tag". In ihm findet die Band ihre Ruhe, die Melodien sind herrlich simpel, Rubel träumt von "Spaghettieis in Rüttenscheid". Sogar seine Ausflüchte in rauere Stimmgefilde sind von grenzenloser Sanftheit.
An anderer Stelle will er der Schwere der Welt gänzlich entfliehen. Er träumt sich in Atmosphären, "nicht Stimmung, sondern Luft". Dort, wo der "Ententraum" Sinn ergeben kann. Diese Musik, die weder Rock noch Pop sein kann, wie "Marmeladenglas" andeutet. Dort, wo sich die "Misery" verzieht, die Frage nach dem "Fürst Von Metternich" egal ist. Diese hatte der wunderbar drängelnde Opener aufgeworfen. Ist dieser Fürst denn Sekt oder konservativer Politiker? Im "Ententraum" muss er nichts sein und kann daher beides sein. Dort, in der unendlichen Leichtigkeit, will die Band sein. Der "Ententraum" wartet auf sie.
11 Kommentare mit 5 Antworten
Nicht ansatzweise so gut wie das Debut "Die besten Jahre". Die gleiche Nummer geht beim zweiten Mal einfach nicht auf, zu vorhersehbar ist das dann doch alles. Ebenso musikalisch ein großer Rückschritt, die Hooks und Riffs einfach nicht so catchy wie beim letzten Album. Während diese " Nonsense-Lyrik" des Vorgängers noch sehr unterhaltdam war wirkt sie hier einfachnur noch erzwungen.
"Die besten Jahre" war ein Volltreffer aus dem Nichts, beim zweiten Mal gibt es eine dementsprechend hohe Erwartungshaltung. "Ententraum" hat weiterhin gute Tracks, aber diesmal hätte es keine Doppel-LP sein müssen.
Quack!
großartig.
Enorm eklektisch, enorm rhapsodisch, krautig, psychedelisch, mal the Byrds, dann Beatles, kurz Sonic Youth, ups : jetzt wieder la Düsseldorf. Jeder Song ein Volltreffer. "Ententraum" : Ein Traum! Ein Jahrhundertwerk.
"Spiel Bass" auf Albumlänge würde ich mir gerne geben.
"Immer mehr" jetzt schon klar im engeren Kreis für Song des Jahres!
Rest scheint ganz nett, wirkt aber etwas ziellos.
Lecker!
Pspspspspspspspsps!
Kuhkatziii! ♥ ♥ ♥
Maunz, maunz, miaui, miauz! ♥
miez miez miez!