laut.de-Kritik
Garagepunk-Perlen mit Feinschliff.
Review von Christoph DornerBis zur Splitsingle mit B-Seite von Sonic Youth hat es Musiknerd und Vinylfreak Jay Reatard mittlerweile schon gebracht. Ganze Alben sind dagegen eher nicht so sein Format. "Watch Me Fall" ist nach dem von Fans zum Meilenstein erkorenen "Blood Visions" erst sein zweiter Versuch über die volle Distanz. Wobei zwölf Songs in 33 Minuten auch nicht gerade die Welt sind.
Nein, ein Konzeptkünstler ist der junge Mann aus Memphis, der die amerikanische Noise- und Punk-Szene in den letzten Jahren wie kein Zweiter infiltriert haben dürfte, wahrlich nicht. Songmaschine Jay Reatard hat einfach seinen Track-Output der letzten Monate gebündelt und – das ist das eigentliche Novum – einfach mal sauber produzieren lassen.
Der fehlende Garage-Appeal schadet den flotten, vom britischem Punk der 70er Jahre hörbar beeinflussten Poppunk-Nummern wie "Ain't Gonna Save Me", "Man Of Steel" oder "Can't Do It Anymore" jedenfalls nicht unbedingt - auch wenn man dadurch schnell heraushört, wie einfach die Songs um ein paar Akkorde herum strukturiert sind. Aber daran hatte ja auch bei den Ramones kaum jemand etwas auszusetzen.
Dabei ist das Songschema brechende Windmühlen-Geschrammel, oft unterfüttert mit Akustikgitarren, minimalistischen Breaks und Zwischenspielen, auch nur Steigbügelhalter für die Person Jay Reatard. Seine unstete Stimme, eine Mischung aus mit Metal kokettierendem Falsett, nasalem Bellen und ungeduldigem Hudeln, gibt den Songs ihre eigentliche Bestimmung.
Live liefert Reatard die klassische Punkshow ab, doch auf "Watch Me Fall" lassen sich bei genauerem Hinhören vielfältigere Einflüsse herausdestillieren. "Wounded" etwa zitiert harmonischen Kiwi-Pop, "Rotten Mind" 90er Surf-Indie von J. Mascis.
Das abschließende "A Whisper (There Is No Sun)" ist gar so etwas wie ein Folk-Song mit dezenten Streichern am Ende. Auch wenn seine Songs oft nur Schnappschüsse sind und das Albumformat naturgemäß mehr Angriffsfläche bietet als limitierte Vinylsingles – ein schlechtes Stück hat Jay Reatard bis heute noch nicht veröffentlicht.
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