laut.de-Kritik

Weit mehr als nur kühl kalkulierte Backfisch-Beats.

Review von

Autsch. Da wird aber ziemlich dick aufgetragen zu Beginn. Nicht auf "The High Road", dem bereits zweiten Album der erst 15-jährigen amerikanischen Sängerin Joanna Levesque, genannt JoJo. Sondern im der CD beiliegenden Promotion-Waschzettel ihrer Plattenfirma.

"Ich fühle mich begnadet, als würde mir mir ein Engel über die Schulter schauen," wird JoJo zitiert. Mit-Produzent Vincent Herbert ergänzt: "Manchmal, wenn ich sie singen höre, kann ich gar nicht glauben, dass so etwas überhaupt möglich ist." Songschreiberin Dianne Warren setzt noch einen drauf: "Ich kann es gar nicht erwarten, zu sehen, wie sie sich weiter entwickeln wird. Ich werde es sehen. Die Welt wird es hören." Doch diese Welt besteht im Moment nur aus einem stirnrunzelnden Laut-Rezensenten – dem solche Vorab-Schaumschlägerei nun absolut nicht zusagt.

Vor diesem aufgeblasenen Marketing-Hintergrund macht JoJo mit "The High Road" dann allerdings eine überraschend gute musikalische Figur. Im Background agieren hier eine große Anzahl erprobter und bewährter Produzenten, passend ergänzt mit bekannten Songschreibern wie Diane Warren. Ergebnis ist ein rundes, gelungenes R'n'B-Mainstream-Album, das dank seiner produktionstechnischen Finessen, abwechslungsreichen Kompositionen und des stimmlichen Einsatzes seiner Protagonistin einen runden, überdurchschnittlichen Eindruck hinterlässt.

"This Time" etwa funktioniert auf Anhieb: Der mit trockenen Beats, wummernden Bässen und melodischen wie auch Rap-Zwischenteilen versehene Song gefällt und funktioniert ganz prächtig. In Sound und Ausführung klingt "The Way You Do Me" sehr beyoncig. Die erste Single-Auskopplung "To Little, Too Late" ist eine Black-Music-gefärbte, freundliche Pop-Song-Fingerübung. "Anything" basiert auf Totos "Africa" – und JoJos Interpretation klingt niemals aufgesetzt oder das Original verletzend. Im als Stilmittel eingesetzten Soul-Phrasieren fällt allerdings Joannas noch ausbaufähige, nicht immer 100-%ige Stimmarbeit hie und da allerdings als verbesserungswürdig ins Ohr.

Charmanten Backfisch-Charme verbreitet "Like That". Gefühlig inszeniert, und das Album perfekt abrundend: Der Schlussakkord "Note To God". Einmal glänzt JoJo als (Mit-)Komponistin: Den Song "How To Touch A Girl" verbuche ich mal auf der gern gestatteten "Ich darf doch auch mal Songwriting selbst ausprobieren"-Erfahrungs-Seite. Für die Klientel 'suchender Teenager' hat die Sängerin hier sicher die richtigen Lyrics gefunden. Doch es wäre zu abwertend, "The High Road" als womöglich rein kalkuliertes Reißbrett-Teen-Zielgruppen-Projekt zu bezeichnen - dafür sind Sängerin, Songs und Produktion oft genug einfach zu stark und zu überzeugend.

In Sachen stimmlicher Reife ist JoJo noch nicht so weit wie – bei ihren Erstlingswerken – Kolleginnen wie Joss Stone oder Renee Olstead. Wobei natürlich alle drei sehr unterschiedliches musikalisches Terrain bearbeiten. Gerade das Ausnahmetalent Joss Stone steht einzigartig da - denn die hat bereits allerlei andere, weitaus gestandenere Mitbewerberinnen nach ihrem Debüt ziemlich blass aussehen lassen. Darum ist eine direkte Gegenüberstellung Stone/Levesque sicher angemessen zu relativieren.

Manch (noch) vorhandenes Manko macht JoJo hingegen mit Intensität und glaubwürdiger musikalischer Leidenschaft wett. Ein andere Vergleichsmöglichkeit bietet - was ganz junge Jahre angeht - Christina Aguilera. Da sitzt (vordergründig) alles, da sind Power und Stimme - doch der stets zu kühl und aseptisch wirkenden heutigen Neo-Lady-Marmalade fehlt es bei aller Finesse von jeher an überzeugender, authentischer musikalischer Herzwärme. Davon besitzt JoJo bereits jetzt eindeutig mehr.

So könnte es sehr spannend werden, wenn sich aus JoJo eine reife Joanna Levesque entwickelt, die dann hoffentlich übertriebenes Promotion-Getöse nicht mehr nötig hat. Denn: Das Mädel kann was - lasst es halt nur in Ruhe mit überflüssigen Lautmalereien. Damit es sich in den kommenden Jahren die nötige Reife erarbeiten kann.

Trackliste

  1. 1. The Way You Do Me
  2. 2. Anything
  3. 3. This Time
  4. 4. Too Little, Too Late
  5. 5. Let It Rain
  6. 6. The High Road
  7. 7. Like That
  8. 8. Good Ol'
  9. 9. Coming For You
  10. 10. Exceptional
  11. 11. How To Touch A Girl
  12. 12. Note To God

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