Porträt

laut.de-Biographie

Leprous

Im Progressive Metal unterscheidet man grob zwei Richtungen: die technisch anspruchsvolle, oft mit dem Dünkel der Selbstbeweihräucherung behaftete (siehe Dream Theater) - und die atmosphärische, näher am Song orientierte (siehe Porcupine Tree).

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Leprous sitzen ein bisschen zwischen den Stühlen. Sie lassen sich keiner der beiden Gruppen zuordnen. Mit anderen Worten: Sie sind eigenständig.

Ihre Musik setzt auf Stimmungen und Gitarren-Riffs, technische Finessen kommen trotzdem nicht zu kurz. Über allem schwebt die Stimme von Sänger Einar Solberg. Der beherrscht so ziemlich alle Stile, die man sich vorstellen kann. Kein Wunder, ist der Mann doch hauptberuflich Musik- und Gesangslehrer.

Leprous stammen aus Notodden in Norwegen, derselben Stadt, aus der auch die Black Metal-Ikonen Emperor kamen. Sie gründen sich 2001, die ersten Jahre ist die Band aber nur Hobby und hat wechselnde Besetzungen. Neben Solberg gehört Gitarrist Tor Oddmund Suhrke zur Ur-Formation.

2006 entpuppt sich dann aber als einschneidendes Jahr für die Band: Leprous nehmen ihr erstes Album "Aeolia" auf, komplett in Eigenregie und selbstproduziert. Begeistert sind die Urheber später nicht mehr davon.

"Das Album ist übertrieben progressiv", resümiert Solberg in einem Interview. "Alles nur um der Progressivität Willen. Es gibt Leute, die es immer noch am besten finden. Ich verstehe das nicht, aber bitte." Dennoch reicht es, um die Aufmerksamkeit des Labels Sensory Records zu erregen.

Dort erscheint 2009 das erste richtige Studio-Album "Tall Poppy Syndrome". Die Songs sind ausgefeilter, die Bandmitglieder scheinen inzwischen perfekt aufeinander eingespielt.

Leprous bauen sich zudem ein zweites Standbein auf: Im gleichen Jahr bringt Ex-Emperor-Musiker Ihsahn sein Solomaterial erstmals auf die Bühnen der Welt und holt sich dafür Leprous als Backing-Band ins Boot. Diese Allianz behält auch auf kommenden Ihsahn-Touren Bestand. Leprous touren außerdem im Vorprogramm von Therion und spielen anschließend ein paar eigene Shows.

2011 steht das dritte Album "Bilateral" in den Startlöchern, veröffentlicht auf Inside Out und deshalb mehr beachtet als sein Vorgänger. Die Kritiken fallen sehr gut aus, die Band steht wieder auf vielen Bühnen, dieses Mal als Support von Amorphis. Danach geht es auf die erste eigene Headliner-Tournee durch Europa.

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"Coal", die vierte Leprous-Scheibe, erscheint 2013 erneut bei Inside Out, gefolgt von einer
weiteren Tour. Ihrem avantgardistischen Stilmix bleiben die Norweger treu und lassen sich in keine eindeutige Kategorie packen.

Tor Oddmund Suhrke dazu: "Wir wollen auch weiterhin verstärkt unseren Ideen nachgehen und auch in Zukunft weit mehr auf Emotionen in Songs setzen, anstatt einfach coole Riffs aneinander zu reihen und darüber die Inspiration zu verlieren."

Das angestrebte Ziel setzen Leprous auf "The Congregation" mit Bravour um. Einar schreibt das Album quasi im Alleingang am heimischen Computer. "Statt meinem Wissen habe ich dieses Mal vor allem meinen Ohren vertraut. Wenn man immer nach derselben Methode vorgeht, immer nur auf sein Wissen vertraut, besteht die Gefahr, in alten Gewohnheiten stecken zu bleiben."

Trotzdem geht Einar zunächst mit dem Ziel an das Songwriting zum Nachfolger "Malina" heran, den Stil von "The Congregation" zu perfektionieren. Bald zeichnet sich jedoch ab, dass daraus in erster Linie deshalb nichts wird, weil er gänzlich neue musikalische Gefilde beackert. Am Ende steht ein Album, das Leprous eigener Formulierung zufolge "mehr als Rock- denn als Metalband definiert".

Außerdem treten Einars schon immer vorhandenen Klassik-Einflüsse stark hervor. Wesentlichen Anteil an "Malina" hat Cellist Raphael Weinroth-Browne, dessen Spiel sich durch das ganze Album zieht und im Rausschmeißer "The Last Milestone" gar auf sich allein gestellt bleibt – mit Ausnahme von Einars Gesang.

"Das Album ist das perfekte Beispiel für etwas, das mit einer Vision beginnt, am Ende jedoch rein gar nichts mehr mit der ursprünglichen Idee zu tun hat", fasst Einar zusammen. Qualitativ schaden tuts nicht, vielmehr dürfte es die Leprous-Fanschar noch ein wenig näher an die der gerne als Vergleichsgröße herangezogenen Agent Fresco bringen. Trifft sich gut, denn im Herbst 2017 begeben sich die Bands auf gemeinsame Europa-Tournee.

Die folgenden eineinhalb Jahre stehen unter dunklen Vorzeichen. Einar Solberg leidet an Depressionen. Den Prozess des Umgangs begleitet er kreativ. Entsprechend steht das sechste Album "Pitfalls" unter diesen Eindrücken. Musikalisch ächzt der Hörer keineswegs unter musikalischem Ballast. So transparent der Umgang mit der Krankheit, so klar präsentiert sich die Band. Kaum verwunderlich, dass sie dabei wieder neue Wege beschreitet: Pop, Klassik und Elektronik verbindet sie zu einem beeindruckenden Zeitdokument, das bei allem künstlerischen Anspruch auch ein gewaltiges Stück Lebenshilfe bietet.

Der Sänger bringt den Innovationsgeist und das Spiel mit unvorhergesehen Wendungen in einem Statement zum Ausdruck: "Du glaubst, zu verstehen, wohin die Reise führt, wenn du dich den einzelnen Tracks widmest. Erreichst du hingegen das Ende des Albums, erschlägt es dich förmlich und du wunderst dich, was gerade geschieht."

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Leprous - Pitfalls: Album-Cover
  • Leserwertung: 4 Punkt
  • Redaktionswertung: 5 Punkte

2019 Pitfalls

Kritik von Yan Vogel

Das fragile Antlitz der menschlichen Existenz. (0 Kommentare)

Fotogalerien

Berlin, Kesselhaus, 2019 Die Norweger entfesseln "Pitfalls" mit vollem Körpereinsatz.

Die Norweger entfesseln "Pitfalls" mit vollem Körpereinsatz., Berlin, Kesselhaus, 2019 | © Manuel Berger (Fotograf: Manuel Berger) Die Norweger entfesseln "Pitfalls" mit vollem Körpereinsatz., Berlin, Kesselhaus, 2019 | © Manuel Berger (Fotograf: Manuel Berger) Die Norweger entfesseln "Pitfalls" mit vollem Körpereinsatz., Berlin, Kesselhaus, 2019 | © Manuel Berger (Fotograf: Manuel Berger) Die Norweger entfesseln "Pitfalls" mit vollem Körpereinsatz., Berlin, Kesselhaus, 2019 | © Manuel Berger (Fotograf: Manuel Berger)

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