laut.de-Kritik

Fingerübungen mit Mini-Manko.

Review von

Einfach mal machen. Etwas ausprobieren. Sich ausprobieren. Gucken, was dabei rumkommt, und das Ergebnis ohne viel Bohei unter die Leute werfen. Die Fans brauchen ohnehin kein Promo-Blaba oder irgendwelche Vorreden, die freuen sich auch so. Eigentlich ein sehr verführerisches Konzept, das Little Simz mit ihrer EP-Reihe seit mittlerweile zehn Jahren verfolgt.

Irgendwann unterwegs hat sie den Zusatz "Age 101" aus dem Titel gestrichen und nummeriert ihre Drops seither nur noch durch, reduce to the max. "Drop 7" haben wir inzwischen erreicht, gestern angekündigt, heute schon da: sieben Tracks, einige dauern nicht einmal zwei Minuten. Laufzeit insgesamt: rund eine Viertelstunde.

Fünf-zehn Minuten. Man muss sich das so deutlich vergegenwärtigen, weil eigentlich gar nicht möglich ist, was Little Simz in diesem lächerlichen Nichts von Spieldauer alles unterbringt. Die Tracks kommen teils über Skizzencharakter nicht hinaus. In manchen liefert Little Simz nur eine verstümmelte Hand voll Lines, in "SOS" etwa wiederholt sie lediglich einen Vierzeiler, der Rest der Lyrics beschränkt sich auf "Go, go, go" in repetitiven Loops.

Verrückt, dass man am Ende von "Drop 7" trotzdem den Eindruck hat, als sei man soeben höchst detailliert ins Bild gesetzt worden, über die aktuelle Befindlichkeit einer Künstlerin, die ihrem eigenen Erfolg offenbar immer noch nicht ganz traut. Dass sie ihn verdient hat, steht außer Frage: "If I said that I'm the greatest then I mean it", heißt es in der Machtdemonstration "Power". Nach einer knappen Minute ist da alles klar. Wie rasant sich ihr Leben und die Reaktionen der Menschen auf sie geändert haben, scheint Little Simz aber trotz dieser Gewissheit schwer zu beschäftigen, genau wie der Umstand, ständig unter Beobachtung zu stehen.

Aus "I Ain't Feelin It" schallt im Grunde die alte From-rags-to-Riches-Story. Wahrscheinlich schlürft jede*r lieber Tee im gut beheizten Schlösschen, statt broke jeden Penny zweimal umdrehen zu müssen. Der Preis dafür ist halt, dass man sich nicht, wie es eigentlich der eigenen Natur entspräche, alleine mit Stift und Papier einigeln kann, sondern den Leuten da draußen wieder und wieder erklären muss, dass die Musikerin Little Simz, die Shelley, die sie in der Netflix-Serie "Top Boy" als Schauspielerin verkörpert, und die Privatperson Simbi miteinander nur bedingt zu tun haben.

Eigentlich grenzt an einen mittelmäßigen Witz, dass Little Simz ihre vielfältigen lyrischen wie Rap-technischen Skills an eine viertelstündige Skizzen-Kollektion verplempert, in der alle ihre Fähigkeiten nur aufblitzen, sie keine davon richtig ausfahren kann. Fingerübungen, mehr zeigt sie nicht, die allerdings absolviert sie auf elaborierten, überraschend elektronisch geratenen Beats. Verantwortet hat sie Jakwob, dem man im Zusammenhang mit Charli XCX oder Shygirl bereits begegnet sein könnte. Oder, weil ihn Tua schon vor über zehn Jahren empfohlen hat.

Jeder einzelne der Tracks hier birgt ein kleines Paradoxon: Es klingt eingängig, tanzbar sogar, bleibt zugleich aber weit entfernt von allem, das auch nur rudimentär an Pop erinnert. Musikalischer Detailreichtum wirkte selten so übersichtlich, schlicht, auf das Wesentliche heruntergebrochen. Dass Little Simz in kargen Produktionen zur Höchstform aufläuft, sollte sich spätestens seit "Grey Area" herumgesprochen haben. Entsprechend bespielt sie auch diese Kulissen mit ihrer enormen Bandbreite ganz virtuos. Sie klingt mal altbekannt-abgeklärt, mal kleinmädchenhaft-piepsig, das gerne auch in ein und demselben Songschnipsel.

Dass sie genauso trittsicher wie im Englischen auf Portugiesisch rappt, wussten wir das vor "Fever" schon? Was soll da denn bitte noch alles kommen, am Ende Gesang? Genau: Zum Abschluss zeigt Little Simz obendrein, dass sie auch davor nicht zurückschreckt. Klar kann sie singen. Klar trifft sie in den weichen, wattigen Klavierakkorden von "Far Away" die Töne. In der Höhe allerdings kippt ihre Stimme seltsam weg, und auch sonst stolpert es hier gelegentlich, scheint die Silbenzahl nicht ganz in den Takt zu passen. Das bleibt - abgesehen von seiner Kürze - allerdings das einzige Mini-Manko dieses Projekts.

Trackliste

  1. 1. Mood Swings
  2. 2. Fever
  3. 3. Torch
  4. 4. SOS
  5. 5. I Ain't Feelin It
  6. 6. Power
  7. 7. Far Away

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