laut.de-Kritik
Triumphaler Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Review von Dominik KautzIm ausklingenden Jahrtausend verfrachteten Lowrider im Fahrwasser des rohen, staubigen Stoner Rock-Sounds von Kyuss die Wüste nach Schweden. Eine 1997 veröffentlichte Split-EP mit ihren Landsmännern von Sparzanza, die ein Jahr darauf folgende Doppel-EP mit den Kaliforniern von Nebula sowie das zwei Jahre danach vorgelegte Debütalbum "Ode To IO" reichten der Band aus, um ihren bis heute ungebrochenen Heldenstatus zu erlangen und damit die inländische Szene für spätere Gruppen wie die Truckfighters, Monolord und Graveyard zu bereiten.
Dem 2003 angekündigten zweiten Album folgte jedoch nicht - wie erwartet - neue Musik, sondern völlig überraschend die Auflösung. Erst nach der Reformierung im Rahmen der 2013er Desertfest-Happenings in Berlin und London und weiteren sporadischen Konzerten belebten die Mannen um Frontmann Peder Bergstrand ihr Songwriting wieder. Jetzt, 20 Jahre nach dem Debüt, legt das Quartett in Originalbesetzung mit "Refractions" endlich den Nachfolger hin.
Berechtige Zweifel an der qualitativen Durchschlagkraft ihres Comebackalbums zerstören Lowrider direkt im Opener "Red River". Dessen aus den 2003er-Sessions stammendes Hauptriff katapultiert den Hörer direkt zurück in die orbitalen Umlaufbahnen von Jupiter und schlägt damit unerwartet eindrucksvoll die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Mit typisch tiefer gestimmten, fett dröhnenden Gitarren, äußerst delikaten Soli, höllisch groovenden Drums und schwebendem Gesang spielen sich die in Karlstad beheimateten Rocker heavy as fuck in einen wabernden Rausch. Kraftvoller und beeindruckender hätten Lowrider "Refractions" definitiv nicht eröffnen können.
Nicht weniger wirkmächtig gehen die Schweden in "Ode To Ganymede" zu Gange. Das Stück, wie bereits "Ode To IO" einem Jupitermond gewidmet, beginnt mit einer getragenen, leicht melancholischen Einführung und einer an Bergstrands Side-Project I Are Droid erinnernde Gesangsführung, die in ein herrlich schleppendes Riffing mündet. Anstatt sich aber nur auf bereits Erprobtes zu verlassen, erweitern Lowrider ihren Klangkosmos um eine Hammond-Orgel. Diese nimmt nach der Hälfte des Songs in einer Art Call-and-Response-Prinzip die Melodie des Gitarrensolos auf und führt sie, bevor der Track in einem opulenten Doom-Riff endet, sphärisch fort.
Während "Sernanders Krog", die schwächste Nummer der Platte, eher gemächlich vor sich hin dümpelt, geht "Ol' Mule Pepe" direkt auf die Zwölf und eröffnet ein wahres Fuzzfest. Wem das urgewaltige Riff irgendwie bekannt vorkommen sollte: Die Ursprünge des Tracks gehen zurück bis ins Millennium-Jahr. Zwar packten Lowrider "Ol' Mule Pepe" bereits auf die 2017 erschienene Deluxe Edition von "Ode To IO", doch tönt die Neuaufnahme um Längen besser als das Original.
Den ersten Teil der Doppelnummer "Sun Devil / M87*" kennt man ebenfalls vom Debütalbum der Schweden. Anno 2020 spielen sie "Sun Devil" aber nur ganz kurz an und leiten direkt weiter in die Fortführung, deren Name sich auf eine (für orbitale Verhältnisse relativ erdnahe) Radiogalaxie mit einem supermassenreichen Schwarzen Loch bezieht. Entsprechend leitmotivisch umgesetzt, einem alles verschlingenden Sog gleichkommend, dröhnt und pulsiert das rein instrumentale Riffgebirge von "Sun Devil / M87*" absolut leuchtkräftig.
Das würdige Finale "Pipe Rider" fasst die prägenden Elemente des Albums im Verlaufe seiner epischen Spiellänge von elfeinhalb Minuten vielschichtig, überaus progressiv zusammen. Peder Bergstrands Worte "Give me something new / something that feels true / refractions of a view / fragments of your youth" unterstützen das höchst dynamische Tongerüst, erneut in ätherischer I Are Droid-Manier. Wie in einem Zaubergarten à la Hieronymus Bosch blitzen ständig leichtfüßige, elegische Melodien hervor. Das macht "Pipe Rider" zu einem phantastischen Stream of Consciousness, der erkundet werden will und sich dabei immer tiefer in die Hirnrinde bohrt. Chapeau!
Was lange währt, wird endlich gut. Manchmal sogar sehr gut. Selten trifft dieses Prädikat wohl derart passend ins Schwarze wie bei Lowriders Comeback-Scheibe "Refractions", mit der sie triumphal sämtliche Erwartungen übertreffen und ihren Status als Stoner Rock-Legende zukunftsträchtig ausbauen. Dabei klingen sie, als wären sie einer Zeitkapsel entstiegen. Dank hervorragender Produktion und fein abgestimmtem Mixing atmet "Refractions" zu jeder Zeit den herrlich rotzigen Sound der späten 90er und transportiert ihn glasklar ins Jetzt. Damals wie heute gilt: An dieser Platte werden sich eine ganze Reihe Bands der Szene messen lassen müssen.
1 Kommentar mit einer Antwort
"Ode To Ganymede" schon als Single gehört, brennt. Wenn das ganze Album so ne Wucht hat, wird das sehr geil.
Kannte die garnicht, aber wirklich sehr geil!