laut.de-Kritik
Streck dem ungemütlichen Wetter den nackten Po ins Gesicht!
Review von Laura Weinert"Come now, let's hide in our childhood for a while." Diese Zeile läutet "The Waltz Of The Tick Tock Of Time", das bemerkenswerteste Stück der Platte, ein und gibt gleich zu Beginn das treffende Motto für die folgende Dreiviertelstunde vor. Spieluhrästhetik, kindliche Verspieltheit und baskenmützenbesetzter Charme kennzeichnen Maia Vidals melancholische Zirkus-Popnümmerchen.
Dass Rancid in den Teenagerjahren ihre Lieblingsband war, davon ist nicht mehr viel zu spüren. Von rebellischem Punk ist Maia ungefähr so weit entfernt wie die Bretagne von der Provence - und kulturell ist das bekanntermaßen ziemlich weit. Eher beugt sie sich ganz bekannten Indiepopmethoden: Handclaps, Pling-Pling, zuckrige Stimmen. Das macht aber nichts. Schön ist das in vielen Momenten allemal.
Besonders dann, wenn sie die französischen Wurzeln ihres Vaters ans Tageslicht befördert und mit Marc Ribot an der zurückgehaltenen Klampfe auf Französisch parliert ("Le Tango De La Femme Abandonée"). Das harmoniert noch besser mit der Atmosphäre ihrer frankophonen Chansons als die englische Sprache. In beiden ist Maia allerdings Expertin, stammt die mütterlicherseits doch aus Amerika. Dennoch: Der Eiffelturm-Romantik ("I'll Sail All Night", "La Jaula Dorada") setzt Französisch schlicht die Krone auf.
Vidal funktioniert ein bisschen wie eine Geschichtenerzählerin, die Kinderaugen mit zarter Stimme zum Glänzen bringt. Ab und an klappt das auch bei den großen Kindern - mal schlechter ("Love Song") und mal besser ("God Is My Bike", "Je Suis Tranquille"). Ihr Zirkus-Pop ist überaus leicht verdaulich. Ab und an steuert ein Ausbruch in finales Getöse der Langeweile entgegen, die bei anderen Stücken ("The Alphabet Of My Phobias", "Poetry") aufkommt.
Ein herzerwärmendes Debüt, das besonders von ihrer Stimme profitiert, die mal kraftvoll, mal zärtlich daherkommt, liefert Maia dennoch ab. Auch wenn sie im nächsten Frühjahr möglicherweise schon vergessen sein sollte: In dieser Stunde taugt die unbeschwerte Platte gut dazu, dem ungemütlichen Herbstwetter mit dem nackten Gesäß ins Gesicht zu springen. En garde, 17-Uhr-Dunkelheit!
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