laut.de-Kritik
"Subtil" heißt das Zauberwort.
Review von Yan VogelDie Wertschätzung von Marillion bewegt sich zwischen dem Genuss eines Pop-Häppchens wie "Kayleigh" und dem Ohrenschmaus eines Full-length-Konzepts wie "Brave". Merke: Die Briten haben bereits eine immense Bandbreite auf Platten konserviert. Das Albumformat ist das eine, Liveshows das andere, das das Quintett in seiner vierzigjährigen Laufbahn auszeichnet.
Neben zahlreichen Fan-freundlichen Events im Rahmen der Conventions beglücken Marillion ihre Anhängerschaft mit erlesenen Konzert-Aktivitäten. "Live At The Royal Albert Hall" etwa besticht mit kammermusikalisch-klassischer Unterfütterung von Highlights aus dem Backkatalog.
Diesen Ansatz verfolgen Rothery und Co. jetzt auch im Studio. Ergänzung erfährt die Rockband um ein Streichquartett, Waldhorn, Saxophon und Flöte. Ähnlich wie bei den Neo Prog-Kollegen von IQ auf "Resistance" bieten die ausgewählten Stücke neben großer Abwechslung genügend Raum für den Einsatz des klassischen Instrumentariums.
Bemerkenswert hierbei klingt das Sax-Solo, das Steve Rothery im Geiste von Knopfler und Gilmour in einer Gitarren-Elegie in astrale Sphären weiterträgt und den abendfüllenden Longtrack "This Strange Engine" vom gleichnamigen Album veredelt. Die vorliegenden Tracks kennen Fans in- und auswendig, sie stellen jedoch ausnahmslos balladeske und epische Exponate dar.
"The Hollow Man" schwelgt als Piano-Ballade mit Streicher-Flächen in Nostalgie. "Estonia" und "The Sky Above The Rain" ziehen die Dramatik-Schraube mit zusätzlichen Arrangements an. "The Fantastic Place" entlockt Kritikern das Schimpfwort "Wohlfühlprog". Für Fans bildet dieses Stück Musik dagegen das perfekte Vehikel für ihre persönliche Traumreise.
Der Vertonung im intimen Rahmen auf "Less Is More" setzen Marillion auf "With Friends From The Orchestra" ein breites dynamisches Klangspektrum entgegen. Der Bombast der jüngsten Melange aus Metal und Klassik aus der Feder von Blind Guardian mit "Legacy Of The Dark Lands" taucht hier hingegen nicht auf. "Subtil" heißt das Zauberwort.
Hier wie dort fühlt sich Sänger Steve Hogarth wie ein Fish im Wasser und sorgt für Gänsehaut und eindringliche Momente. Ob man jetzt den Winter sich wärmend am Kamin verbringt oder, Klimawandel sei Dank, in Flip Flops um den verdorrten Tannenbaum sitzt, tut der feierlich-festlichen Stimmung keinen Abbruch.
3 Kommentare mit 2 Antworten
stimmt, "Wohlfühlprog". Oder auch: "Prog" für Leute, denen Prog zu kompliziert ist.
Verallgemeinerungen sind immer toll!
sehr gute versionen. allein schon für den "hollow man" und das überlied "this strange engine" in diesen fassungen ein bringer.
Du aber auch!
Puh, arg gediegen und seicht.