laut.de-Kritik
Vom Großstadtdschungel ins jamaikanische Unterholz.
Review von Philipp Kopka"Hab' meinen ganzen Mut zusamm' genomm', bin einfach weg gegangen, schnell in ein anderes Land geschwomm'." Besagtes Reiseziel von Marsimoto heißt – ganz getreu der Kiffromantik – Jamaika. Der Einfluss der karibischen Insel macht sich aber nicht nur in den Instrumentals bemerkbar. Auch Marsi selbst erweitert mit dem Gang ins Land der Rastafari seinen Horizont.
Statt durch Hochhausblocks in Green Berlin streift der Marsianer durch das Dschungel-Dickicht des jamaikanischen Hinterlands und bastelt nebenbei an seinem ganz eigenen Plan für eine grüne Weltrevolution. "Bin längst raus aus der Stadt, der Dschungel hat mir Glück gebracht." Uns beschert der Dschungel das bisher rundeste, stimmigste und damit beste Marsimoto-Album.
Die Green Berlin-Produzentenbande rund um Kid Simius, Nobodys Face, BenDMA, Dead Rabbit, K-Paul und den Krauts hat Marsi für "Ring Der Nebelungen" wieder ein maßgeschneidertes Beatkorsett gebastelt, das förmlich überquillt vor Kreativität. Es blubbert, spratzt und trommelt aus dem jamaikanischen Unterholz, dabei wirkt das Soundbild trotz der vielen Kreativköpfe nie unstimmig. Die Jungs von Green Berlin mischen den Dschungelsound mit verschiedensten Einflüssen aus Dub, Reggae und Dancehall zu einem homogenen Beatgewächs, das maßgeblich zum runden Sound der Platte beiträgt.
Dabei stehen die krachenden Trap-Bretter bewusst zurück. Die Vorabsingle "Illegalize It" mal ausgeklammert, lässt "Ring Der Nebelungen" Bombast à la "Wellness" und "Grünes Haus", wie er noch auf "Grüner Samt" vorherrschte, fast gänzlich vermissen. Was zunächst vielleicht enttäuscht, erweist sich mit jedem Durchlauf aber als Erfolgsrezept hinter Marsis viertem Werk: Subtil entfaltet der Sound eine bisher unerreichte Anziehungskraft, die einen unentwegt tiefer in die Welt von "Ring der Nebelungen" zieht.
Trotzdem schneiden zwischenzeitlich bedrohliche Monsterproduktionen perfekt getimed durch das mit viel Fingerspitzengefühl gewebte Beatgefrickel. "Die autonome Zone beginnt in deinem Kopf" wettert uns der Maskenmann etwa auf dem bitterbösen Brett "Anarchie" entgegen. Das Ziel ist schnell ausgemacht: "Marsis besetztes, gesetzloses Gebiet". Bevor Marterias grünes Alter Ego die Revolution ausruft, nimmt er uns mit in sein altes Viertel. "Jede Nacht steigt hier 'ne Blockparty." "An Der Tischtennisplatte" war die Welt eben noch in Ordnung.
"Wenn alles nur so einfach wär" würde Marsi wohl heute noch auf einem Balkon in Kreuzberg mit seinem 'Meisterwerk' Mary Jane gepflegt einen durchziehen. Mit Gras vom Dealer und nicht aus der Apotheke versteht sich. Auf die Legalisierung seines Lieblingskrauts hat der Marsianer nämlich gar keine Lust. "Illegalize It" lautet der Befehl in Richtung Polizeipräsident. Die Anti-Legalisierungshymne ist einer der seltenen Momente, in denen Marsi kurz aus seinem Konzept ausbricht und das grüne Rumpelstilzchen gibt.
Die Weiterentwicklung offenbart sich vor allem dann, wenn man den "Ring Der Nebelungen" aus der Ferne betrachtet. Dann offenbart sich eine Welt, die den Hörer mit bisher ungeahnter Konsequenz durch den gesamten Langspieler trägt. Die vierte Platte gerät zum Konzeptalbum, das den grünen Außerirdischen auf seinem Weg durch unsere Welt begleitet. Statt sich in Einzelheiten zu verzetteln, behält Marsi immer das große Ziel vor Augen.
Mit Weitblick erhebt sich der Maskenträger über Gesetze und Landesgrenzen, denn "zu Hause ist überall!". "Green Pangea" heißt die Utopie des grünen Superkontinents. Auf vertracktem Stottersample liefert "Marsi Mandela" seinen Vorschlag zur Völkerverständigung: "Eine Währung, eine Hymne, eine Fahne".
Das Recht, die Menschheit in eine bessere Welt zu führen, hat Marsi doch allemal, immerhin ist der grüne Kobold älter als die Zeit. "Seit Beginn der Galaxie bin ich dabei, hab den Urknall verpennt, denn ich war sternhagelhigh." Marsi streunt in seinen "7 Leben" durch die Weltgeschichte. Ob nun als T-Rex mit zu kurzen Armen, "Marsi The Kid" im Wilden Westen oder Katze im Einfamilienhaus bei Dortmund: Fast schon beängstigend, was Marten Laciny so lässig in vier Minuten packt. Genau wie "Zecken Raus" beweist auch sein Lebensepos, was den Rostocker, egal ob nun als Marteria oder Marsimoto, in Deutschland zu einem der besten Texter macht. Er ist ein verdammt guter Geschichtenerzähler.
Wo auf "Grüner Samt" den Indianern noch die Coolness attestiert wurde, schwingt sich Marsi in "Flywithme" kurzerhand zum Stammeshäuptling auf und führt uns mit gespenstischem Voodoo-Trommel-Brett noch tiefer in den Dschungel. "Und all die andern nehmen jetzt ihre Masken ab, nur Marsi nicht, weil Marsi keine Maske hat." Nicht nur das große Ganze zeigt die Entwicklung, die er in drei Jahren hinter sich gebracht hat. Auch einzelne Tracks wirken wie "Grüner Samt" 2.0: Statt Granada chillt Marsi in Pangea, die in "Ich Tarzan, Du Jane" Angebetete stilisiert er zum "Meisterwerk", und statt durch die Leben verstorbener Legenden zu springen, strickt er in "7 Leben" lieber seine eigene.
Dabei bewahrt sich Marsimoto die Stärken, die schon den Vorgänger auszeichneten: Unzählige Querverweise, Zitate und Wortspiele sprudeln nur so im Überfluss aus jeder Zeile. "Jeder Gang macht schlank, jede Gang macht Slang. Das ist alles was zählt." Selbst beim zwanzigsten Durchlauf entdeckt man hier und da wieder eine Doppeldeutigkeit oder ausgefuchste Referenz. Von Haftbefehl bis Freundeskreis zitiert sich Marsi mit Eleganz und "Tijuana Flow" nicht nur durch den Deutschrapkosmos. Die Platte scheint in ihrer Verspieltheit fast unergründlich. Wieder und wieder will man durch Marsis Welt streifen, denn an jeder Ecke wartet etwas Neues, etwas Unentdecktes.
Die Maske ist runter, der "Häuptling vom Stamm der Marsianer" legt die Karten auf den Tisch: "420 ist unser Code und der geheime Plan geht auf, wenn all die Züge nicht mehr auf den Gleisen fahren." Wenn sich der Soundtrack zur grünen Weltrevolution so anhört, folge ich Marsi blindlings überall hin, selbst wenn das heißt, per Raumschiff den Planeten zu verlassen. "Wir gehen zurück, weil diese Welt uns nicht verdient." Aye, aye Captain!
22 Kommentare mit 25 Antworten
Jaa, ich kann der Rezension insofern Recht geben das es ein gutes Album geworden ist, Beats und Texte - sind Oberklasse. Allerdings befürchte ich das der Schreiber selbst zu sehr am Schwarzen Lotus genascht hat, die superlativen sind ein Schüppchen zuviel. Allerdings würde ich auch 5/5 geben und unterstreichen das das vierte Album von Marsi das stimmigste ist.
Merkst du eigentlich, dass du dir selbst widersprichst?
Ich wiederhole mich zwar aber seis drum: Das Marsi-Album ist Bombe. Ich kann jeden verstehen der nicht auf die Stimme klar kommt, aber diese Beats sind keine Bretter sondern ein verdammter Wald aus Riesenmammutbäumen. GRN BLN is Baus
Bin gespannt.
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Trippin bester track
Beats, Flow und Text harmonieren einfach perfekt. Stimme muss man halt mögen. 5/5 ist schon ok.