laut.de-Kritik

Im Knast in den Schminktopf gefallen?

Review von

Eigentlich möchte man diesen Menowin an den Schultern packen und kräftig durchschütteln. Sollte er fragen, warum: Gleich nochmal. Eine vergleichbare Vergeudung von Talent ist mir in den vergangenen Jahren echt nicht begegnet.

Was setzte der Kerl für Glanzlichter, als er (im zweiten Anlauf, wohlgemerkt) zwischen all den selbstwahrnehmungsgestörten Möchtegern-Nachwuchsstars bei DSDS antrat! Mit einem, der singen und tanzen kann und zudem sein eigenes Ding durchzieht, anstatt eine Karaoke-Vorstellung zu liefern, rechnet man in diesem Rahmen ja nicht unbedingt.

Menowin landete verdient hinter Mehrzad Marashi (der seltsamerweise auch etwas konnte, das waren merkwürdige Zeiten!) auf dem zweiten Platz. Da Dieter Bohlen damals neben dem Erst- noch nicht auch den Zweitplatzierten ausschlachtete: die beste Ausgangsbasis für ein Album, auf das ich wirklich gespannt gewesen wäre.

Doch was macht Menowin? Setzt auf seine zweite Chance einen dampfenden Haufen Scheiße! Ja, Ruhe jetzt, Fanboys und Fangirls, das muss man so deutlich sagen dürfen. Statt sich am Riemen zu reißen, seine Bewährungsauflagen und vielleicht sogar den einen oder anderen Vertrag zu erfüllen, band er sich frischen Ärger mit dem Gesetz ans Bein - und fuhr wieder ein. Herzlichen Glückwunsch!

Seine allein zurück gelassene Anhängerschaft erging sich unterdessen in Hickhack im Kindergarten-Style. Bis Menowin im vergangenen Dezember entlassen wurde, schienen die meisten das Interesse verloren zu haben. Nach x leeren Versprechungen kommt ja wohl eh nix Gescheites mehr aus seiner Richtung.

Kein Wunder also, dass sein nun doch fertig gestelltes Album statt freudiger Erwartung Hohn und Spott auf sich zieht. Dazu noch dieser Titel. "White Chocolate" - bitte! Und das Coverartwork! BITTE! Im Knast in den Schminktopf gefallen? Das darf doch alles nicht wahr sein. Ach, schütteln wir Menowin einfach noch einmal - dann hören wir rein.

Siehe da: So schlecht gewählt erscheint der Titel plötzlich gar nicht mehr. Weiße Schokolade trifft es schon ganz gut: Möchte schwarz sein, schmeckt dafür jedoch entschieden zu zuckrig. Optik: zu blass. Zart schmelzend aber allemal. Genießbar? Auf jeden Fall.

Statt sich das Heft von einem Charts-erprobten Produzenten komplett aus der Hand nehmen zu lassen, legt Menowin überall die eigene an, ist an Texten, Kompositionen und Arrangements beteiligt. Im Ergebnis präsentieren er und seine Mitstreiter zwar keine Neuerfindung des musikalischen Rades, wohl aber durchaus brauchbare, weil funktionale Songs mit R'n'B-Schlagseite.

So lange diese - wie "Moments", "Girl You Make Me Crazy" oder "Babe" - ein wenig altmodisch daher kommen, besitzt das durchaus einen gewissen Charme. Motown goes Pop, warum nicht? Eher zeitlos als verstaubt klingt, was Menowin hier vorlegt. Ein wenig mutlos, vielleicht.

Zu viele Nummern wecken zu viele Assoziationen zu zu vielem, das man längst zu gut kennt. Auf der anderen Seite stellt sich so umgehend eine gar nicht unangenehme Vertrautheit ein. Allein im Verlauf des geradezu klassischen Disco-Tracks "Rock The Floor" denke ich mindestens an Adamskis "Killer" und an Chic und höre Dr. Alban im Hinterkopf "Sing Hallelujah" anstimmen. In "Real Love" blitzt die "Thriller"-Basslinie kurz auf, versteckt sich aber gleich wieder in den Nebeln, ehe es am Ende noch jemand merkt. Das sind ja alles nicht umsonst Hits geworden.

Ne-Yo und Chris Brown dürfen weitgehend ungestraft auf Michael Jackson machen - warum dann nicht auch Menowin? Dass er singen kann, Emotion in seinen Gesang legt und zudem - leider gar nicht selbstverständlich für einen, der über eine Casting-Show bekannt wurde - Gefühl für Timing, Takt und Rhythmus besitzt, können ihm wohl nur die entschlossensten Hater absprechen.

Allein die inflationär eingestreuten Plastik-Claps, das ewige Fingergeschnippse und die hin und wieder unpassend durchs Bild fiepende Elektronik saugen der Weißen Schokolade einen Teil ihrer Seele aus. Die an anderen Stellen unsensibel dazwischen schrappende E-Gitarre wirkt, beispielsweise in "Bad", als habe man sie unüberlegt bei Billy Idol ausgeborgt.

Die spanisch anmutende Gitarre in "Round'N'Round" hätte ich so wenig gebraucht wie eine "Spanish Version" der ersten Auskopplung: Flamenco-Folklore für Partytouristen, naja, dafür gibt es bestimmt eine Zielgruppe. Eine geschicktere Wahl für die Single, wenn es denn schon keine Ballade sein soll, hätte besagtes "Rock The Floor" dargestellt. Hauptsache nicht "For You", ein billiger Dancefloor-Stampfer, der mit seinem eingeklebten Rap-Part wie einer der unsäglich modernisierten Comeback-Aufgüsse alter Modern Talking-Erfolge wirkt.

Alles in allem schmerzt "White Chocolate" aber deutlich weniger als befürchtet. Auch was die Texte betrifft, habe ich allein in den letzten Wochen schon Schlimmeres, schon viel Schlimmeres gehört. Besonders die Stellen, aus denen offenkundig Menowins Knasterfahrung, das Ringen mit Einsamkeit, Monotonie und den eigenen Dämonen spricht, verraten, wenn schon keinen extremen Tiefgang, so doch zumindest ordentlich Potenzial.

Es ist offenbar längst noch nicht alles verloren. An einer Stelle möchte ich jedoch entschieden widersprechen: "They have cut my wings", beklagt Menowin in "Let Me Out". Nee, nee, Kollege. Haben sie nicht. Diese Verstümmelung geht ganz allein auf dein eigenes Konto. Egal. Abschminken, weitermachen.

Trackliste

  1. 1. Moments
  2. 2. Girl You Make Me Crazy
  3. 3. Babe
  4. 4. Rond'N'Round
  5. 5. Gonna Get Better
  6. 6. Bad
  7. 7. Stop
  8. 8. Let Me Out
  9. 9. For You
  10. 10. Real Love
  11. 11. Memories
  12. 12. Rock The Floor
  13. 13. Imagine
  14. 14. Round'N'Round (Spanish Version)

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