laut.de-Kritik

Spitzhacke schwingende Zipfelmützen tanzen Pogo.

Review von

Wie schreiben wir einen Hit? Wie können wir ein breiteres Publikum ansprechen? Und wie steigen wir am schnellsten in die Klang-Champions-League auf? Über die Fragen, die sich ein Großteil der Bands aller Fahrtrichtungen mindestens 200 Tage im Jahr den Kopf zerbrechen, können die beiden Middle Class Rut-Masterminds Zack Lopez (Gitarre, Gesang) und Sean Stockham (Drums, Gesang) sowie Bass-Aushilfe Nate Perry nur lauthals lachen.

Die Sacramento-Stinkefinger scheren sich auch auf ihrem zweiten Album "Pick Up Your Head" einen feuchten Kehricht um konventionelle Strukturen und eingängige Soundumarmungen. Das Duo wickelt lieber eine Spule Stacheldraht um das Mischpult, dreht die Gain-Regler auf Anschlag und knotet versiffte Flanellhemden um die rostigen Mikrofonständer. Schnell noch ein paar Nine Inch Nails- Alice In Chains- und Jane's Addiction-Poster an die Studiowand getackert, und los gehts!

Wenn Lopez im Opener "Born Too Late" die schrammeligen Postpunk-Akkorde wie Salven durch die Aufnahmeräumlichkeiten jagt, nimmt sogar ein Grammy-Mixmaster wie Dave Sardy (System Of A Down, Slayer, Oasis, Red Hot Chili Peppers) Abstand von gängigen Spielt-doch-mal-ein-bisschen-runder-Einwürfen. Stattdessen werden alle Clean-Module aus dem Studio verbannt.

Nach dem eröffnenden High Speed-Ritt treten die Verantwortlichen auf "Leech" ein wenig auf die Bremse. Mit polterndem Groove walzen MCR den unter Denkmalschutz stehenden T.Rex-Proberaum nieder und hinterlassen tonnenweise Schutt und Staub. Ähnlich schleppend kommt das fast schon Industrial-lastige "Weather Vein" daher, Qietsch-Exzesse à la Tom Morello inklusive.

Drei Minuten später buddelt sich das Album-Highlight "No More" ans Tageslicht und nimmt dabei die Massen bei der Hand. Zeit, auf die Knie zu sinken.

"Cut The Line" klingt, als würde Schneewittchens Zipfelmützengarde in verwinkelten Grubenstollen Pogo tanzen. Mit emporgestreckten Fäusten und reichlich Groove im Gepäck geht es alsbald wieder an die Oberfläche ("Sing While You Slave"). Halbzeit. Das verhältnismäßig ruhige "Dead Eye" serviert den Pausentee, ehe der Titeltrack, im verschrobenen Latin-Hip Hop-Industrial-Gewand, zum Finale bläst.

Kurz vor Toresschluss präsentieren sich MCR nochmal als Meister der Extreme. "You Don't Belong" schwingt die Grunge-Punk-Keule, während "Take A Shot" mit geschmeidigen Piano-Klängen aufwartet. So langsam fährt der Puls wieder runter. Doch lange wird's nicht dauern: Die Repeat-Taste blinkt schließlich schon wie wild.

Trackliste

  1. 1. Born Too Late
  2. 2. Leech
  3. 3. Weather Vein
  4. 4. No More
  5. 5. Cut The Line
  6. 6. Sing While You Slave
  7. 7. Dead Eye
  8. 8. Pick Up Your Head
  9. 9. Police Man
  10. 10. You Don't Belong
  11. 11. Aunt Betty
  12. 12. Take A Shot

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