laut.de-Kritik

Ein wunderbares Stück deutschsprachiger Popmusik.

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Wenn sich eine der bekanntesten deutschen Dancehall-Bands nach langer Auszeit mit dem ersten neuen Album seit vier Jahren zurückmeldet, lohnt es sich, kurz zu skizzieren, wie es überhaupt zu dieser schier endlos wirkenden Pause kam. Denn nur so lässt sich die neue LP "Im Rauch Der Bengalen" musikalisch und inhaltlich verstehen.

Bevor sich Monika Jaksch und Nick Tilstra im Jahr 2004 als Duo zusammenschlossen, waren beide schon lange auf eigenen musikalischen Pfaden unterwegs. Aber auch wenn ihre ersten Inspirationen unterschiedlicher Natur waren, fanden sich sowohl Mono als auch Nikitaman in einer gemeinsamen Leidenschaft wieder: dem Reggae. Mit "Das Spiel Beginnt" werfen sie erstmals als Duo ihren Hut in den Ring einer Szene, die bis dato nur wenig der Kunstfertigkeit der aus Jamaika in den europäischen Raum schwappenden Bewegung verinnerlicht hatte. Aber Mono & Nikitaman leisten in den folgenden Jahren dank unermüdlicher Arbeit und ihrer schier nie endenden Energie sowohl solo (beispielsweise Mono mit dem Song "Zivicops" oder Nikitaman mit "Mein Weed") als auch als Tag-Team und den gemeinsamen Alben "Für Immer", "Ausser Kontrolle" und "Unter Freunden" einen wichtigen Beitrag zum Werdegang der deutschen Reggae- und Dancehall-Szene. Nach ausgiebiger Tour mit der letztgenannten Scheibe folgt dann eine kreative Pause, die bis in das Jahr 2015 andauern sollte.

Wird dann nach solch einer langen Durststrecke eine neue LP mit dem Titel "Im Rauch Der Bengalen" angekündigt, entsteht sehr schnell eine entsprechend große Erwartungshaltung. Wer die Alben von Mono & Nikitaman kennt oder das Duo jemals live erlebt hat, weiß wie energiegeladen die beiden Musik machen, wie sie es schaffen, dem entspannten Reggae eine tanzbare Note zu entlocken - und wie sie schon immer mit kritischen Texten Stellung zu Streitfragen ihrer Zeit bezogen.

Der Opener "Alles Zurück" erfüllt zunächst genau diese Erwartungshaltung. Ein für Mono & Nikitaman typisch treibender Riddim nebst zufriedenstellender Comeback-Ansage: "Es kommt alles zurück / und noch mehr, ich kann's kaum erwarten. Endlich wieder zurück / wieder da, es brennen die Straßen!"

Dann folgt mit "Parkdeck" eine überraschend schnelle Ernüchterung: poppiger Beat, eine auf den ersten Blick belanglos wirkende Message in Kaugummi kauender Gute-Laune-Manier. Und dabei soll es über die ingsgesamt 45 Minuten und 13 Sekunden währende Spielzeit nicht bleiben: Ebenso "Keine Schuhe", "Rot", "Mensch", "Ein Haus Ist Kein Zuhause", "Weit Weg", "Irgendwie Und Ich" und "Nichts Zu Verlieren" kommen mit einer Mischung aus Pop, Rock und elektronischen Klängen daher - also insgesamt acht der 14 Tracks. Sicher, Mono & Nikitaman ließen sich noch nie in Genre-Grenzen zwängen und komponierten immer frei von der Leber weg, das muss man als M&N-Fan aber erst mal verdauen.

Allerdings kann man eine Platte ja zum Glück noch ein zweites, drittes und zehntes Mal anhören. Und irgendwann zwischen diesem dritten und zehnten Durchgang setzt sich die Erkenntnis durch, dass die oben genannten Nummern keineswegs musikalisch oder inhaltlich belanglos sind. Sie sind allesamt auf ihre ganz eigene Weise klanglich ausgefeilt und harmonisch, die Texte weiterhin auf verschiedenen Ebenen kritisch und politisch.

Ob es ums Loslassen der omnipräsenten multi-technologischen Erreichbarkeiten geht ("Keine Schuhe") oder einfach nur das Mensch-Sein ("Mensch", "Rot"), oder ob eben die aktuelle Flüchtlingsdebatte thematisiert und der Heimatbegriff kritisch hinterfragt wird ("Ein Haus Ist Kein Zuhause") - Mono & Nikitaman sprechen das aus, was viele nicht hören wollen: "Ein Haus ist kein Zuhause, Zuhause ist kein Land / Keine Mauern und kein Zaun, kein Drinnen und kein Draußen / Wo die Angst aufhört, fängt Zuhause an.".

Und auch für die eingefleischten Reggae- und Dancehall-Heads bietet "Im Rauch Der Bengalen" nicht nur Hörbares, sondern definitiv Feierbares. Die Streetsingle "Bääm" oder der Track "Brennholz" bringen selbst in Birkenstock steckenden Füßen das Tanzen bei. Und "Verstärkung" groovt derart aus den Lautsprechern, als läge der Track selbst noch am Strand von Negril in der Sonne.

Wenn Nikitaman in "Alles Zurück" also singt: Es kommt alles zurück / Mittendrin im Rauch der Bengalen / Und alles ist wieder da, alles genau wie es war" hat er nicht ganz recht. Denn das neue Album des Duos ist keineswegs, wie man es erwartet hätte. Es ist um ein Vielfaches poppiger und massentauglicher als seine Vorgänger, man kann sogar fast sagen, es ist erwachsener.

Hat man sich damit erst mal arrangiert, ist "Im Rauch der Bengalen" nicht einfach nur ein lang erwarteter Nachfolger auf den letzten Langspieler von Mono & Nikitaman, es ist vielmehr ein wunderbares Stück deutschsprachiger Popmusik.

Trackliste

  1. 1. Alles Zurück
  2. 2. Parkdeck
  3. 3. Keine Schuhe
  4. 4. Bääm
  5. 5. Rot
  6. 6. Mensch
  7. 7. Interlude
  8. 8. Ein Haus Ist Kein Zuhause
  9. 9. Brennholz
  10. 10. Weit Weg
  11. 11. Eine Sekunde
  12. 12. Verstärkung
  13. 13. Irgendwie Und Ich
  14. 14. Nichts Zu Verlieren

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