laut.de-Kritik
Reggae hat endlich wieder Eier!
Review von Dani FrommHübsch aber unspannend: Dieses Etikett passt dieser Tage auf viel zu viele Reggae-Veröffentlichungen. Kaum, dass es ein bisschen drastischer zur Sache geht, rutscht man gleich in Dancehall-Gefilde ab. Nicht, dass ich mich dort unwohl fühlen würde - aber manchmal steht einem eben doch der Sinn nach richtigem Reggae mit Schmackes, mit ordentlich Rrrumms dahinter, einer Platte mit Eiern.
Wie schön, dass der alte Denroy Morgan neben der Musik offenbar keine anderen Hobbys pflegte, als besagte Eier zu benutzen. Um einen ganzen Schwarm Kinder in die Welt zu setzen, derer fünf auf ihrer "Mission In Progress" antreten, oben genannte Wünsche zu erfüllen. Brooklyn trifft Jamaika, Hip Hop-typische Wucht pimpt karibischen Groove. Yo, Selassie! So lass' ich mir das gefallen.
Von Beginn an zeigen die Geschwister, wo der Hammer hängt: Gar nicht lahm, dafür druckvoll und dominiert von sich dynamisch ergänzenden Vocals öffnet "Cross Wi Borda" das Tor in geradezu Rock-geschwängerte Welten. Die Langatmigkeit, für die Reggae zuweilen eine gewisse Anfälligkeit pflegt, kommt aufgrund der vielseitigen, abwechslungsreichen Stimmen gar nicht erst auf.
Mit Ausnahme des Titeltracks, der zwar ein opulentes Gemisch aus satten Keyboard-, Percussion- und E-Gitarren-Sounds auffährt, trotz allem aber ausfranst und einfach nicht auf den Punkt kommen will, sorgt "Mission In Progress" für kurzweilige Unterhaltung. Höchstens noch den melodischen, dafür aber öde weichgespülten Schmachtfetzen "Love You Right" hätte man sich getrost sparen können.
Mit Energie und Einsatzfreude gehen die Morgans zur Sache. Zu pluckerndem Bass wird in "Politician" oder "Headline" Kritik geübt. Rap-Einlagen stärken und bereichern traditionelle Reggae-Elemente. "Ask me 'bout Brooklyn, ask me 'bout Jamaica": Der Eindruck, diese Herrschaften wissen genau, wovon sie berichten und hätten es demzufolge nicht nötig, wie auch immer geartete Fassaden hoch zu ziehen, spannt sich quer durch das Album.
Üppige Bläser bereichern "The Fight" oder "Brooklyn & Jamaica". Durch die hallenden Drums und die kräftige Orgel von "Yute Dem Share" flirrt eine Akustik-Gitarre, wobei man bei Morgan Heritage auch deren elektrische Schwester äußerst schätzt: Selten hat ein Reggae-Tune härter gerockt als "12 Shotz".
Bei alledem gehen die leisen Töne trotzdem nicht unter. "Nothing To Smile About" liefert zu sparsam instrumentierter Melodie eine Anleitung zum genauen Hinschauen und schärft den Blick auch für die Schattenseiten. "Be Sure" beweist mit ungewohnt frischer, ungewöhnlicher Konstruktion, dass auch inhaltlich Übersichtliches erfreut, solange es in zuversichtlich klimpernde Klänge, eingängige Hooks und vor allem eine ansprechende stimmliche Darbietung gehüllt wird.
Letztere kommt in "Youths Today" noch einmal voll zum Zuge: Facettenreicher Gesang erhebt sich über einem melodiösem Hintergrund und setzt einen versöhnlichen Schlusspunkt. Als Live-Act genießen Morgan Heritage einen exzellenten Ruf. Mit "Mission In Progress", dem mittlerweile zehnten Longplayer, fing die Crew erstmals tatsächlich einen Großteil der Kraft und des Feuers ein, die sie auf der Bühne zur Legende werden ließ.
2 Kommentare
ich hab noch nie von den typen gehört, aber die sehen aus wie ausm comic entlaufen oder so.
Oo... Also Morgan Heritage gehören schon zu den alteingesessenen des Reggae - wenn auch in diesem Genre sich noch ganz andere Generationen rumtreiben, wie beispielsweise Bunny Wailer - aber gehört haben sollte man den Namen dann doch schonmal, wenn man sich ein wenig für Reggae interessiert. Hab die Platte noch nicht gehört, aber nach den Lobpreisungen, scheint das ja unmöglich eine Fehlinvestition werden zu können.