laut.de-Kritik

Arabischer Dünen-Metal der Extraklasse.

Review von

Jerusalem im Frühling 2018: Jello Biafra (Dead Kennedys) steht im Metal-Plattenladen von Uri Zelcha, dem Bassisten von Orphaned Land. Der Israeli empfiehlt dem amerikanischen Anarchisten nachdrücklich eine arabische Band namens Myrath, die man sich unbedingt anhören müsse. Ein Jahr später erscheint deren herausragendes Werk "Shehili".

Vorhang auf! Ein paar Sekunden lang eröffnet traditioneller arabischer Folk den "Dance". Binnen weniger Augenblicke drängen mächtige Gitarren das Thema in den Hintergrund, wo es dramatisierend flackert. Im Zentrum erschallt derweil klassischer Heavy Metal mit einem Sänger, der durchaus einiges bei Maidens Bruce Dickinson gelernt zu haben scheint.

Seine Worte künden von Zerstörung und Überleben, von Tod und Unbeugsamkeit, von Kunst und Lebensfreude, die gegen religiös verbrämten Faschismus antritt. "The sky is raining fire. We dance between the bombs. The curtain falls tonight over the ruins and tombs." Die Tunesier Myrath offenbaren hier die Geschichte eines syrischen Tänzers, der trotz Morddrohungen des IS öffentlich weiter tanzte, obgleich sein Weg durch Ruinen und über Grabstätten führte.

"Der Sinn hinter unserer Musik ist es, Glück zu erzeugen, um den Leuten Tribut zu zahlen, die sich wehren und die nie die Hoffnung verlieren, selbst in einer Welt voller Hass und Unsicherheit." Die großen Worte von Frontman Zaher Zorgati sind alles andere als leer. In einem Land, das heimische Metal-Acts vor nicht allzu langer Zeit als Aufrührer oder Rebellen brandmarkte und deren Kunst auch nach den großen sozialen wie politischen Fortschritten der letzten Jahre keine Selbstverständlichkeit bedeutet, ist bereits Myraths bloße Existenz ein Statement.

Letzteres bliebe öd und leer, so es ihnen an Talent mangelte. An dieser Stelle jedoch überzeugt das Quintett auf ganzer Düne. "Shehili" bezeichnet seit mehr als tausend Jahren einen Saharawind, der - mal offenherzig, mal geheimnisvoll - die Grenzen zwischen Traum und Realität auflöst. Kein Titel wäre passender. Den genau in dieser Art sprengt dieses exotische Dutzend Lieder sämtliche Klangbarrieren zwischen Orient und Okzident.

Zusammen mit Kumpel und Produzent Kevin Codfert (Adagio) erschufen sie einen wuchtig klangfarbigen Reigen, der Genre-Schubladen ebenso sprengt wie gängige Hörgewohnheiten. Sollte man es Progressive Metal, Ethno-Metal, Orient-Metal, Folk-Metal oder Arab-Metal nennen? Nichts davon wäre gänzlich falsch. Doch keine Bezeichnung deckt diese umfassende Mischung aus lieblichen Melodien, fordernder Vertracktheit und knallhartem Wumms komplett ab.

Am ehesten passt wohl noch der Sammelbegriff Middle-East-Metal, da Fans von Orphaned Land, Yossi Sassi oder Melechesh hier bedenkenlos zugreifen können. Dabei fordern sie typische Abendland-Hörer genauso heraus wie jene des Morgenlandes. Wenn Myrath etwa zwischendurch folkloristische bzw- spirituelle Maghreb-Vocals einsetzen, die für manchen Nordmann sicherlich ein wenig nach Muezzin auf Koks klingen, wird es für den heimischen Metalhead womöglich erst einmal schwierig.

Ähnlich herausfordernd mag für auf Tradition geeichte arabische Ohren der satte Heavy Metal à la "Born To Survive" klingen. Doch gerade die Liebesheirat eigentlich grundverschiedener Musikkulturen gebiert überzeugende Schnittmengen wie etwa die muntere Erdigkeit von "Monster In My Closet". Als besonderen Anspieltipp empfehle ich das vor sehnsüchtiger Romantik strotzende "Lili Twil". Es handelt sich um das Cover eines nordafrikanischen Evergreens von 1972, das Myrath hier teilweise in Darija intonieren, einem marokkanischen Dialekt.

Inmitten dieses Wüstensturms gelangt man an "Stardust", eine schillernde Oase in Form einer zupackenden Semi-Ballade, deren Clou, das tolle Piano-Keyboard von Tastemann Elyes Bouchoucha, man nicht verpassen sollte.

zu guter Letzt eignen sich Myrath ähnlich gut zum kulturellen Friedensstifter wie ihre Freunde, die Israelis Orphaned Land, mit denen sie bereits ausgiebig tourten. Giftiges Gejaule antisemitischer Boykottschranzen, das nicht die Regierung trifft, sondern die Musiker, ist ihnen ebenso fremd wie religiöser Extremismus und totalitäre Politik jeder Couleur. Ihr Freiheitswille umarmt bewusst alle Völker - insbesondere auch Israelis wie Palästinenser - und setzt auf die Kunst als Botschafterin. Mit einem prachtvollen Album wie "Shehili" im Rücken sollte dies gelingen.

Trackliste

  1. 1. Asl
  2. 2. Born To Survive
  3. 3. You've Lost Yourself
  4. 4. Dance
  5. 5. Wicked Dice
  6. 6. Monster In My Closet
  7. 7. Lili Twil
  8. 8. No Holding Back
  9. 9. Stardust
  10. 10. Mersal
  11. 11. Darkness Arise
  12. 12. Shehili

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6 Kommentare mit 25 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    Orient-Hammerfall. Nett. Würde ohne den Exoten-Bonus aber untergehen.

    • Vor 5 Jahren

      Das ist aber halt auch eine sinnfreie Aussage, nichts für ungut. Das ist eben ihre Nische, ihr Markenzeichen. Solche Abspaltungen formuliert man bei anderen Bands ja auch nicht. Ich habe zumindest noch nie jemandes Beitrag gelesen, in dem derjenige meinte, Melechesh wären nur eine weitere Black Metal Band, wenn ihr Exoten-Bonus nicht wäre. Genau das ist doch der Kniff, eine große Stärke des Metal. Im Endeffekt kann man aber auch wirklich alles negativ konnotieren, eh klar.

    • Vor 5 Jahren

      @Forndom
      Da stimme ich voll zu.

      @Viva Las Vegas
      Was ist denn aus deiner Sicht der Exoten Bonus?
      Das Ganze ist doch musikalisch schon recht eigenständig und Exotenbonus ist in der Musik ja eher etwas das man so schon zigmal gehört hat und jetzt halt von „Exoten“ (blind, taub, im Rollstuhl, unter 15, über 80 und so weiter) gemacht wird.

  • Vor 5 Jahren

    Will ich mich in den Serail verführen lassen? Schoss mir sofort durch den Kopf.Dann klickte ich das Dance Video an, huch Alibaba und die 40 Räuber meets Disney Alladin. Hochglanz polierte vom Wüstenstaub befreite Optik. Fake Fakir, aber das Handwerk beherrschen sie. Ist in Ordnung, nur wie lang reicht es? Potential sehe ich auch, das muss nur dreckiger werden. Bisschen Skorpion King meets Fluch des Pharao, mit viel heißen staubigen Stürmen! Der Mut fehlt dem Album einfach.

    Gruß Speedi

    • Vor 5 Jahren

      ich glaube, das ist keine frage des künstlerischen mutes. die region ist von so viel staub, dreck, blut und schmerz umhüllt, dass hier oft eher eine sehnsucht nach der schimmernden, für unsere ohren evtl pompösen seite der musik herrscht. die sehnen sich in der kunst oft nicht so sehr nach dreck wie unsere persilgesellschaft.

      wen du heftigeren stoff aus der region willst, empfehle ich ältere orphaned land und die knallharten melechesh. beide sind obig verlinkt.

    • Vor 5 Jahren

      Sinnvoller ist es vermutlich, den guten Stephan einfach zu ignorieren.

    • Vor 5 Jahren

      Das mit dem Ignorieren hab ich bei den Straßenpsychotikern, die durch die Gegend krakelen, dass sie von Hillary Clinton vergewaltigt wurden, mittlerweile ganz gut drauf. So ein Kommentar wie der da oben ist aber einfach nochmal nen ganzen Zacken schärfer. Und wenn ignorieren schon schwerfällt, sollte man ihm dann nicht zumindest irgendwie aktiv helfen können?

    • Vor 5 Jahren

      Entschuldigen tu ich mich für die Vögel über mir nicht Anwalt, da kannste noch so vernünftig hier auftretten, haste sofort die Arschkrampen an der Backe. Is halt so!

      Bin gerade eine Antwort am texten, bitte um etwas Gedult und las sie halt spielen, manche kommen aus der Kotschmierphase im Babyalter halt nicht heraus. So viel zu Dreck. Wünschenswert wäre halt was anderes!

    • Vor 5 Jahren

      "eine Antwort am texten" ist wirklich eine sehr krasse Drohung, denn da ist klar, dass es wieder hunderte Worte voller sinnfreiem Geschwurbel und dementdebilem Gelaber wird.

    • Vor 5 Jahren

      Zum Beispiel, dass du dich vielleicht doch nochmal in Behandlung begibst. So schreibt doch kein Mensch, der nicht mindestens vorhat, ein Attentat auf Ronald Reagan auszuüben.

      Wir machen uns wirklich nur Sorgen um dich.

    • Vor 5 Jahren

      Anwalt, Glauben ist kein Wissen und ich sehe was ich seh! Das Kunst schön färbt allgemein, kritisiere ich gar nicht. Gehört dazu, Träumen ist ok. Was mir bei der Truppe fehlt, ist wirkliche Identifikation mit der Region aus der sie kommen. Wirkt mir so wie eine Bollywoodproduktion (irgendwas Seelenloses) und nicht echt wie z.b. Wüstenrock, al a "Platzhalter" (fällt mir gerade keine Band ein), wo das Studio der Aufnahme tatsächlich neben/in der Mojave stand und die Band aus der Region stammt. Bildhafter kann ich das nicht darstellen.

      Will gar nicht auf irgendwas politisches an Dreck raus, das große Teile rund um Arabien in Trümmern liegt und man deshalb schön färbt. Die arabischen Klänge bei der Truppe, haben was von Werbeprospekt Arabien und bedienen ein Klischee. Das genügt mir nicht. Ich mag z.b. auch keine Sifi Filme wo die Raumschiffe immer nur strahlend weiss aussehen, nachdem sie den Starwar gerade überlebt haben. Spätere Textur drüber pinseln beim Remaster nützt dann auch nichts.

      Schließe nicht aus das ich mir als Europäer ein gänzlich falsches Bild gerade mache, Araber sind der Feind seit dem 11.9. ;)

      Gruß Speedi

    • Vor 5 Jahren

      Craze und Morpho ihr steht doch drauf! Könnt ihr ruhig zugeben, ich weiß das ich tolle, spannende Sachen schreibe! Hab nix gegen Fan´s!

    • Vor 5 Jahren

      morpheau halt doch einfach mal deine Schnauze. Du bist hier der allererste, der Speedi in die Nähe von irgendwelchen "Psychotikern" bringt, während Speedi hier einfach nur einen Beitrag zum musikalische Thema abgegeben hat, trägst Diskussionen mit Speedi auch allgemein regelmäßig auf die persönliche Ebene und stichelst ihn an und meinst das dann auch noch als ernsthaft Sorgen machen framen zu müssen. So ein Gemülle kannst du dir einfach echt mal sparen.

    • Vor 5 Jahren

      Wow, Gleep Glorp scheint massivst butthurt zu sein. :lol:
      Gleep, heißt du zufällig Tobias? :ill:

    • Vor 5 Jahren

      Der hingegen ist leicht zu ignorieren, da irrelevantes Neufagott.

      "Craze und Morpho ihr steht doch drauf! Könnt ihr ruhig zugeben, ich weiß das ich tolle, spannende Sachen schreibe! Hab nix gegen Fan´s!"

      Muss ich jetzt nach deinem letzten Kommentar doch zugeben. Sind ein paar echte Klassiker dabei. Meine Lieblingsstellen waren "al a" und der Querverweis auf den Wüstenrock, den du als Beispiel anführst, obwohl dir leider gar keine Band dazu einfällt.

    • Vor 5 Jahren

      Gleep danke, so hart formuliere ich es nicht mehr, der Mensch ist ein Gewohnheitstier und an die beiden Zecken hab ich mich längst gewöhnt. Fans halt und die Borreliose hab ich im Griff!

      Hab jetzt ein bisschen Zeit wo anders verbracht, ein paar Wochen, die Beiden waren amn verdursten nach Stoff. Das sie jetzt wie besoffene Kamele um die Oase rumtollen, verständlich. :P

    • Vor 5 Jahren

      ""eine Antwort am texten" ist wirklich eine sehr krasse Drohung, denn da ist klar, dass es wieder hunderte Worte voller sinnfreiem Geschwurbel und dementdebilem Gelaber wird."

      fühle mich hieran erinnert:

      "»Wer ist es denn dann?« fragte Arthur. »Tja«, sagte Ford, »wenn wir Glück haben, sind es bloß die Vogonen, die uns in den Weltraum werfen wollen.« »Und wenn wir kein Glück haben?«

      »Wenn wir kein Glück haben«, sagte Ford grimmig, »könnte der Kommandant seine Drohung wahrmachen, und uns erst noch ein paar von seinen Gedichten vorlesen ...«

    • Vor 5 Jahren

      Para das ist Vogelgrippe die du da als Zecke verbreitest, noch überträgt die sich nicht auf den Menschen. ;) Aber kein Ding, kommt geflogen meine Fans, noch ist der Scheißhaufen gross genug!

      Hoffe einfach das der Anwalt mit meiner Antwort doch was anfangen kann und Spaß hat an der Diskussion. Hast du die Textstelle gestrichen mit den "oberflächlichen arabischen Klängen", die ich meine gestern noch gelesen zu haben?

    • Vor 5 Jahren

      "Anwalt, Glauben ist kein Wissen"

      ich weiß.

      "Was mir bei der Truppe fehlt, ist wirkliche Identifikation mit der Region aus der sie kommen (...) Seelenloses)und nicht echt§
      &
      "Die arabischen Klänge bei der Truppe, haben was von Werbeprospekt Arabien und bedienen ein Klischee."

      empfinde ich komplett anders. gerade die folkelemente sind dermaßen maghreb-authenthisch und überlieferten mustern folgend. die klingen gerade nicht nach werbung. sondern: die werbung hat solche musik ausgebeutet. deshalb dein eindruck.

      bzgl authentizität empfehle ich auch das lesen der bio. dort wird einiges deutlich.

      und dass es vor ort eben keinen producer gibt, der professionell arbeiten kann und man deshalb zu einer französischen produktion greift (was man evtl hört), halte ich nicht für ehrenrührig oder verwässernd oder seicht. da ist ja viel prog im ansatz. und der eh selten dirty as fukk.

      evtl ist es sogar weit subversiver, wahre stories wie "dance" nicht in klangliches blut zu tauchen, sondern so nonchalant zu bringen wie hier.

    • Vor 5 Jahren

      Das is es, die Bio gestern schon gelesen (auch von dir?). Macht mal richtiges Schild dran und nicht nur Redaktion Laut. Vertausch sorry! Und danke für ein paar Fakts, die so nicht aus der Rezi zu lesen waren. Hör man gleich ein zweites Mal hin! ;)

    • Vor 5 Jahren

      ja, habe ich parallel verfasst.

      porträt und rezi überschneiden sich natürlich nicht. die solle sich idealerweise ergänzen. wär sonst ja doppelt gemoppelter tüdelkram.

    • Vor 5 Jahren

      Wie gesagt ich lese quer dauernd, mein Fehler. ;) Mir ist übrigens noch ein Punkt aufgefallen, was du besser lassen solltest in deinen Rezis, muss ich aber noch ausformulieren (spannend mach), liegt aktuell nur als Gedanke vor (Zeit schindend), bisschen Gedult also. :)

    • Vor 5 Jahren

      Gedult muss man haben, das ist Fact!

  • Vor 5 Jahren

    Der Metal funktioniert aber sowas von gut mit der Exotik. Das geb ich mir.

  • Vor 5 Jahren

    Klingt ja interessant, vor allem wegen der Stimme (!!!). Soooo exotisch finde ich's nicht, vor allem: Ist bekannt, warum sie nicht auf Arabisch oder Französisch texten? 'Nett' und noch nicht 'dreckig' genug trifft beides zu, finde ich.

  • Vor 5 Jahren

    Die Message ist super.

    Aber sorry, musikalisch ist das Powermetal wie man ihn schon vor 15 Jahren gespielt hat mit etwas orientalischer Folklore aufgepeppt.

    Oriental-Metal hat aber durchaus Potential! Vielleicht kommen die nächsten Metallica irgendwann mal aus der Ecke?