laut.de-Kritik

Frisch aufgenommenes Material aus sieben Jahrzehnten.

Review von

"It's all one song", erwiderte Neil Young 1997 einem Ruf aus dem Publikum. Daran erinnerte er sich wohl, als er sich ein Vierteljahrhundert später an die Aufnahmen zum vorliegenden Album machte - die Lieder gehen ohne die gewohnten Pausen ineinander über. Dass sie alle gleich klingen, so der damalige Vorwurf, trifft auch diesmal nicht zu: Mehrfachs wechselt Young von Gitarre zu Harmonium und Klavier und bläst auch eifrig in die Mundharmonika.

Genauso, wie er es in den frühen 70er Jahren zu tun pflegte, wie die vielen Livemitschnitte aus jener Zeit bezeugen, die er im Rahmen seiner "Archive Series" in den vergangenen Jahren veröffentlicht hat: Intim, und damals wie heute eine Mischung aus bekannten und weniger bekannten Stücken, die er diesmal mit Lou Adler sichtete.

Wem der Name nichts sagt - Adler produzierte 1971 Carole Kings Meilenstein "Tapestry" und, unter vielem anderem, die Verfilmung der "Rocky Horror Picture Show". Adler ist mittlerweile 89 Jahre alt, aber offenbar immer noch mit einem guten Gespür ausgestattet.

Den Anfang macht eines von Youngs besten Stücken überhaupt, "I'm The Ocean", der Höhepunkt aus seinem Grunge-Album "Mirrorball", das er 1995 mit Pearl Jam als Begleitband aufnahm. Die ruhige, akustische Darbietung auf 12-saitiger Gitarre bekommt dem Klassiker gut, zumal sie den ausufernden Text in den Mittelpunkt rückt.

"People my age / They don't do the things I do", sinnierte Young damals. Das trifft fast 30 Jahre später noch immer zu, denn im Alter von 78 Jahren ist er immer noch produktiver als viele andere. "Before And After" ist sein 45. Studioalbum, zu denen sich unzählige Liveaufnahmen und Archiveröffentlichungen gesellen.

Aus einer davon stammt "Homefires" aus den frühen 70ern, das es nie auf ein reguläres Werk geschafft hat. "Burned" dagegen war ein Betrag für das erste Album jener Band, die Young 1966 mit Stephen Stills gründete, Buffalo Springfield. Aus jener Zeit stammt auch "On The Way Home", das 1968 auf dem dritten Album der Combo erschienen war, nachdem sie sich bereits aufgelöst hatte.

Für das einzige bislang unbekannte Stück, "If You Got Love", wechselt Young von der Gitarre zum Harmonium. Das Überbleibsel aus den Session zum Album "Trans" von 1983 klingt ziemlich schief, gut also, dass er zu "A Dream That Can Last" (aus "Sleeps With Angels", 1994) ans Klavier wechselt.

In den folgenden vier Stücken klingt Young so andächtig wie Nick Cave im Alexandra Palace zu Corona-Zeiten - der Höhepunkt der Platte. "Birds" stammt vom Klassiker "After The Gold Rush" (1970), "My Heart" ist ein weiterer Auszug aus "Sleeps With Angels", "When I Hold You in My Arms" stammt von "Are You Passionate?" von 2002. "Well, the older generation, they got somethin' to say / But they better say it faster or get outta the way", sinniert er hier.

Die Songs handeln im Wesentlichen von der Liebe und dem Sinn des Lebens. Für Lieblingsthema Nummer drei, der unsachgemäße Umgang mit unserem Planeten, wechselt Young wieder ans Harmonium und stimmt "Mother Earth" an. Auf "Ragged Glory" (1990) spielte er das Intro mit verzerrter Gitarre, hier hört sich das Stück wie eine Kirchenhymne an, zumal die Melodie aus dem Traditional "The Water Is Wide" stammt.

Die bekanntesten Stücke kommen zum Schluss. "Mr. Soul" von Buffalo Springfield veranlasste Young zu einem seiner besseren Sprüche: "Bei vielen Liedern dauert es lange, bis sie fertig geschrieben sind, in der Regel eineinhalb bis zwei Stunden. Dieser war in fünf Minuten fertig", erklärte er 1968. Für den Klassiker "Comes A Time" von 1978 wechselt er wieder zur Gitarre, den Schlusspunkt setzt ein Auszug (am Klavier) aus "Barn", seinem Album von 2021, das fröhlich anmutende "Don't Forget Love".

Komplett alleine nahm Young "Before And After" nicht auf. Adler half bei der Auswahl, Keyboard-Techniker Bob Rice spielte Vibraphone und Klavier auf zwei Stücken. Als Gitarrentechniker holte sich Young Jeff Tweedy mit an Bord. Stellenweise meint man auch, ein Publikum zu hören, besonders zu Beginn von "Comes A Time". Aber dies sind nur Anmerkungen am Rande, denn das Album präsentiert sich als runde, andächtige Sache. "Das Gefühl wird nicht in Teilen, sondern als Ganzes eingefangen. Es ist so konzipiert, dass es am Stück angehört werden soll. Diese musikalische Darbietung entzieht sich dem Mischen, einer digitalen Verwaltung und einer Zerstückelung", betont Young.

Vor diesem Hintergrund bietet sich natürlich Vinyl an, auch wenn die monobasierte Dolby-Atmos-Abmischung in den digitalen Formaten durchaus ihren Reiz hat.

Trackliste

  1. 1. I'm The Ocean - Mirror Ball
  2. 2. Homefires
  3. 3. Burned
  4. 4. On The Way Home
  5. 5. If You Got Love
  6. 6. A Dream That Can Last
  7. 7. Birds
  8. 8. My Heart
  9. 9. When I Hold You in My Arms
  10. 10. Mother Earth
  11. 11. Mr. Soul
  12. 12. Comes A Time
  13. 13. Don't Forget Love

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4 Kommentare mit 23 Antworten

  • Vor 11 Monaten

    Ich darf hier zwei Dinge anmerken, die mir aufgefallen sind:

    - Das Album wurde nicht im Studio, sondern live auf Tour aufgenommen. Das Publikum wurde nur soweit als möglich "herausgeschnitten".
    - Es wäre zwar cool, wenn DER Jeff Tweedy (von Wilco) Young's Gitarrentechniker wäre, aber es scheint tatsächlich einen Namensvetter zu geben.

  • Vor 11 Monaten

    Neil ist ein Iconic Gitarrist; nicht der beste. Auch nicht der zehntbeste, aber man hört ihn- besonders elektrisch- unter allen anderen heraus. Das ist sein Verdienst. Neben seinen kompositorischen Fähigkeiten cachy Melodien zu schreiben.
    Dass seine Kinder an Kinderlähmung leiden, und er da viel Zeit und Energie reingesteckt hat, zeigt seine Erdigkeit.
    Dass er sich mit der "Let it Roll" Sache an der Massenmanipulation beteiligt hat, wie zuletzt auch wieder (Details kommen ja so nach und nach in die breite Öffentlichkeit), zeigt, dass ihm entweder tieferes Wissen fehlt, oder ein Teil der Maschinerie ist. Das ist kein Verdienst, sondern das, wovon TalkTalk gesungen haben.

  • Vor 11 Monaten

    "An was für einer Massenmanipulation soll er beteiligt (gewesen) sein?"

    Coronaleugnung. Und das ist jetzt auch kein Geheimnis oder Gerücht.

    • Vor 11 Monaten

      Das ist ganz einfach falsch. Ganz im Gegenteil. Mr. Young hat dazu viel auf seiner Homepage geschrieben, hat Covid von Anfang an ernst genommen, sich impfen lassen. Hat lange keine live Auftritte gespielt weil es ihm zu unsicher war. Seine erste Tour nach der Pandemie hat er erst dieses Jahr gespielt und das in Freiluftbühnen um wegen Covid kein Risiko einzugehen.
      Und er hat Spotify verlassen, weil Joe Rogan einem Impfgegner eine Bühne gegeben hat.

    • Vor 11 Monaten

      Die alternativ Informierten meinen mit Massenmanipulation vermutlich, dass Neil Young Teil der großen Weltverschwörung ist, die Corona nur erfunden hat.
      So würde vielleicht ein Schuh daraus. Das er Corona geleugnet hätte ist jedenfalls Unsinn.

    • Vor 11 Monaten

      Aaaaach, deshalb sind die lautschen Schimpfspatzen gegen Young plötzlich so still bei Nachfragen. Dachte schon, der habe sich wirklich was zu Schulden kommen gelassen, und hatte etwas Sorge, mit Young evtl. einen der guten Dinosaurier verloren haben zu können...

    • Vor 11 Monaten

      ja, er hat sich an etwas beteiligt, was nun so nach und nach rauskommen wird. Wie gesagt, ob er es nicht besser wusste- oder einfach dem Mainstream getraut hat- das kann nur er klären. Er hat nun zum 2ten Mal kräftig daneben gelangt. Wie so viele im "Business"- bei denen war es aber oft das erste Mal.

    • Vor 11 Monaten

      Sehr bequem, zu behaupten, dass etwas rauskommen wird, da muss mensch gar nix belegen, weil es ja noch alles rauskommt! Nach und nach! Und immer schön vage bleiben. So wie nach und navh rauskommen wird, dass DocGutmann einRegenwurm im Auftrag des FSB ist und nebenbei noch objektophil und verheiratet mit zwei verschiedenen Baukränen. Ja, Polygamie!

    • Vor 11 Monaten

      PostdocGuttmann, ich habe auch das Gefühl, dass du da was Heißem auf der Spur bist. Es ist noch nicht ganz zu greifen, aber fast. Entweder was mit Regenwürmern, Baukränen und FSB, also die finale Selbstentlarvung, auf die Caps dich hingewiesen hat. Oder etwas Allumfassendes wie "Die Wissenschaftler hatten Unrecht mit ihren apodiktischen Aussagen zum sog. Coronavirus" (auch wenn diese Wissenschaftler tatsächlich gesagt haben könnten, dass sie es gerade nicht genau wüssten, diese und jene Argumente aber unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Risiken aus aktueller Sicht für eine Impfung o.ä. sprechen würden). So oder so, es bleibt megaspannend. Deine Vagheit, wenn nicht gar Verzagtheit, hat jedenfalls für mich was Musisches, ist deshalb hier genau richtig.

    • Vor 11 Monaten

      ich bin da gar nichts mehr auf der Spur. Die ist schon eiskalt. Es sind ja inzwischen schon zwei weitere große narrativ Waggons auf die Gleise gesetzt worden. Und zu Beginn des neuen Jahres läuft auch hier in der BRD etwas an- nein, es ist nicht die PsyOP mit und um die unsägliche AfD gemeint.

    • Vor 11 Monaten

      Du solltest dich dringend in ärztliche Behandlung begeben, die Psychose kickt voll rein gerade.

    • Vor 11 Monaten

      Lieber Dr. Dr. Gutmann,

      mit Bedauern müssen wir Ihren Antrag auf Bewilligung von Fördermitteln für Ihre Postdoc-Studien zurückweisen. Die Themen „Vages wagen“ und „Rückblicke in die Zukunft: heiße Narrative eiskalt abserviert“ haben ebenso wenig eine Mehrheit finden können wie Ihr Ersuchen um 100 Schlafschafe für Tierversuche. Beschwerden bitte direkt an den Wissenschafts- und Ethikrat (derzeitige Besetzung: Large Professor, Dr. Dre, Dr. Ugly Katz). Bei Fragen zur Dosierung bitte auch dort anklopfen. I.Ü. gut gemeinter Rat von Caps. Bitte ernsthaft drüber nachdenken, Doc!

    • Vor 11 Monaten

      alles ok guys. Ihr werdet es erleben, hoffentlich. Mehr kann und will ich hier nicht mitteilen.

    • Vor 11 Monaten

      "Mehr kann und will ich hier nicht mitteilen."

      Du hast "darf ich nicht" vergessen. Ich liebe solche Sätze. Man weiß sofort, dass da nichts Sinnvolles mehr kommt.

    • Vor 11 Monaten

      stimmt; das ist abschließend.
      Die Einen haben den Braten gerochen, die anderen fischen weiter im trüben. Jeder hatte die Chance.

    • Vor 11 Monaten

      Mensch Doc, Schlafschafe können nicht fischen, schon gar nicht im Trüben, ihr Geruchssinn ist aber 1A (1A, nicht IA, denn Letzteres macht der Esel).