laut.de-Kritik

Nilüfer's gonna work it out.

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Das Album bollert los wie vor 25 Jahren eine Single der Chemical Brothers. Damals war Nilüfer Yanya zwar noch maximal im Kindergarten-Alter, was man ihrem Debütalbum "Miss Universe" vor drei Jahren allerdings keine Sekunde anmerkte. Da hatte eine Künstlerin den Dreh spürbar raus, die popkulturell fast schon ausrangierte Alt.Rock-Gitarre für eine nachgewachsene Generation makellos zu entstauben.

Kurz vor der Pandemie veröffentlicht, tourte die Londonerin sich gerade warm, da fiel der Bühnenvorhang. Vor einem Jahr meldete sie sich mit einer Drei-Track-EP zurück, deren Songs hier erst gar keinen Eingang finden. Der Grund ist schnell erklärt: Nilüfer sprudelt schlicht über vor Songideen, wovon "Painless" in überragender Form Zeugnis ablegt. Painless? Schmerzlos vor allem, mit welcher scheinbaren Leichtigkeit die Londonerin weiterhin ihre melodiöse Indie-Rock-Gitarre in Trip Hop-Moods überführt und dabei astreine Hits vom Baum schüttelt.

Das Drum-Loop des angesprochenen Openers "The Dealer" umgarnen die typischen melancholy Shoegazing-Akkorde ihrer Akustischen, dann noch ein Basslauf drauf, ein paar hastige Vocals - schon ist man wieder drin in Nilüfers Universe. "L_R" lässt die Gitarren weitgehend außen vor, es dominieren kühle Synthies, die Stimmung ist düster, und Yanya wechselt erstmals wieder munter von ihrer Brust- zur Kopfstimme und garniert einen Part kurzerhand mit Sprechgesang. Es ist diese Unberechenbarkeit, die ihren Sound so interessant macht. Und womöglich auch der Grund, warum sie mit "Miss Universe" damals nicht den Applaus des großen Publikums erhielt, den man ihr wünschte.

Beeindruckend daher, dass Yanya an ihrem Konzept wenig ändert und maximal Stellschrauben justiert. Im Vergleich zu 2019 fühlen sich die Tracks auf "Painless" schlüssiger an, weniger verspielt und mehr auf den Punkt. Versponnen genug sind sie nach wie vor, eingängig sowieso. Infektiöse Postpunk-Gitarrenlicks in "Stabilise" treffen völlig natürlich auf atmosphärisch-träge Beat-Monster wie "Midnight Sun", das Nilüfer gegen Ende in ein Rock-Finish peitscht. Im Gegensatz zum genuinen 90s-Rock-Sound von Kolleginnen wie Soccer Mommy oder Beabadoobee sorgt vor allem ihre stilistische Offenheit für Abwechslung.

Wer ihr nach der ersten Albumhälfte das Indie-Queen-Etikett anheftet, wandert in "Trouble" und "Try" staunend durch glitzernd nebelverhangene Pop-Landschaften, in denen Nilüfer fast schon verwundbar klingt. "I am happy to lose / till I get lost here completely": Das gilt auch für die vom Album-Sog gefangenen Hörer*innen. Das Streichen der Skits, das den Vorgänger etwas überdehnte, erweist sich ebenfalls als Gewinn. Textlich fokussiert sich die 26-Jährige auf gescheiterte Beziehungen, den Umgang mit Einsamkeit oder die Suche nach dem eigenen Ich. Den ätherischen Abschlusssong "Another Life" nennt sie gar eine "celebration of feeling lost".

Musikalisch kanalisieren sich diese Gefühle auf "Painless" in melancholische Popmusik, die eher anschiebt als runterzieht. Selbst wenn sie Zeilen singt wie "You can hate me if you feel like / You can hurt me if you feel like / If it feels good, then I'm alright" im großartigen "Shameless". Wenn alles normal läuft, sollte sie den Geheimtipp-Status Ende des Jahres los sein. Nilüfer's gonna work it out.

Trackliste

  1. 1. The Dealer
  2. 2. L_R
  3. 3. Shameless
  4. 4. Stabilise
  5. 5. Chase Me
  6. 6. Midnight Sun
  7. 7. Trouble
  8. 8. Try
  9. 9. Company
  10. 10. Belong With You
  11. 11. The Mystic
  12. 12. Another Life

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