laut.de-Kritik
Orchestrale Melancholie aus introvertierten Piano- und ruhigen Streicher-Tönen.
Review von Toni HennigAuf seinem letzten Album "re:member" experimentierte der isländische Komponist und Multiinstrumentalist Ólafur Arnalds unter Hinzunahme von Synthesizern, elektronischen Loops, Live-Drums sowie einem Streichquartett mit selbstspielenden Stratus-Klavieren. Zuletzt bestritt er eine umjubelte Welttournee mit über 140 Konzerten. Nun veröffentlicht er mit "Some Kind Of Peace" eine intime Platte, auf der er Sampling-Techniken benutzt und ein paar befreundete Musiker*innen eingeladen hat.
Im Vorfeld der Veröffentlichung erzählte Arnalds, dass er die Hörer dazu bewegen wolle loszulassen sowie das Leben anzunehmen und auf das zu "reagieren", was es uns "bringt". Die Stücke fungieren als musikalische Lebensgeschichte, geleitet von seinen Gefühlen und Stimmungen. Schon das beginnende "Loom", das gemeinsam mit Bonobo entstand, kommt um einiges elektronischer daher als seine früheren Tracks, wenn inmitten ambienter Pop- und Klavier-Klänge ein verhuschtes Gesangs-Loop auftaucht, das nach und nach immer mehr in den Vordergrund rückt, beinahe tänzelt. In "Woven Song" hört man neben introvertierten Piano- und ruhigen Streicher-Tönen auch ein Gesangssample aus einem Icaro, das bei den indigenen Menschen in Südamerika umgangssprachlich für ein amazonisches Heilungslied steht.
Danach gesellen sich auch mal ein paar melancholische, orchestral geprägte Songs hinzu, die sich Arnalds-typisch bis zu einem bildhaften Höhepunkt steigern, um dann wieder sanft abzuebben. Dabei überschreitet der Isländer glücklicherweise nie die Grenze zum Kitsch. Das liegt auch daran, dass er seine Stücke mittlerweile kompakter gestaltet.
Seine Musik strahlt mittlerweile mehr Frieden aus, was "Still / Sound" im Anschluss verdeutlicht, wenn die Klavierfiguren zurückhaltend vor sich hin tänzeln. Gegen Mitte bringen die Streicher mehr Nachdenklichkeit ins Spiel. "Back To The Sky" bildet danach mit schwerer Elektronik, warmen, eleganten Streichern und der hauchenden, weiblichen Stimme JFDRs eine eingängige, fast schon klassische Elektro-Pop-Nummer, in der die einzelnen Komponenten natürlich miteinander verschmelzen.
"The Bottom Line" fällt als weiterer Gesangstrack deutlich melancholischer, aber nicht weniger elegant aus und führt mit dramatischen Streichern und repetitiven Piano-Tönen durch weite Soundlandschaften, die Josin mit ihrer zerbrechlichen, erdigen Stimme traurig streift. Diese weiblichen Gast-Vocals eröffnen eine weitere Ebene in Arnalds' Musik. Sonst verlässt sich der Isländer ganz auf seine kompositorischen Qualitäten. Der Schönheit der Musik kann man sich dabei nur schwer entziehen, etwa wenn man in "New Grass" lieblichen Piano- und wogenden Streicher-Sounds begegnet, die etwas Tröstendes vermitteln.
Mehr Intimität weist demgegenüber "We Contain Multitudes" auf, das aus einer nächtlichen, verlorenen Klavier-Melodie besteht, die in ihrer Einfachheit unmittelbar ins Herz geht. Viel Gefühl gibt es auch im abschließenden "Undone", wenn nach verhaltenen Tasten-Tönen und Spoken Words ergreifende Streicher-Klänge immer dramatischer anschwellen. Insgesamt kommt die spontane Herangehensweise der Platte ziemlich zu Gute. Gerade das Wechselspiel aus verschiedenen Stimmungen, die sowohl die Höhen als auch die Tiefen des Lebens widerspiegeln, macht "Some Kind Of Peace" zum bislang rundesten Werk des Isländers.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Wie immer ne wunderschöne Platte...
Wunderbar! Aber noch weniger als sonst nur zum Nebenherhören. Wächst mit der Zeit ungemein, gerade in den ruhigeren Momenten.
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.
Ja, war immer an der Schwelle zur Beliebigkeit, was ich hier nicht finde. Kann man echt gut von vorne bis hinten hören, auch wegen der erwähnten Neuerungen.