laut.de-Kritik
Deep House, Synthwave und alternativer HipHop aus Seouls Untergrund.
Review von Yannik GölzSeit ein paar Jahren brennt es im Untergrund von Seoul. Mit dem Durchbruch von Yaeji entstand eine immense Aufmerksamkeit für die Elektro-Szene der koreanischen Hauptstadt, die zwischen ein paar der besten Boiler Room-Sets und exzentrischen Releases aller Stilrichtungen wie Jvcki Vais "Enchanted Propaganda" oder Mid-Air Thiefs "Crumbling" nur so an experimentellen Perlen. Mit Park Hye Jin und ihrem neusten Release haben eben die Clubs der Itaewon-Gegend und das Untergrund-affine Seoul Community Radio womöglich ein neues Posterkind gefunden.
Die von Clipp.Art (sonst z.B. assoziiert mit Russ From Friends) geförderte EP "If U Want It" bietet über fünf Tracks einen dichten, packenden Querschnitt durch vielseitige und doch kohärente musikalische Ideen der 25-jährigen Produzentin, Sängerin und Rapperin. Bereits auf dem Opener und Titeltrack "If U Want It" zeichnet sich ein eindrucksvolles Talent für minimale Ambient-Synthesizer ab, die den treibenden Vierviertel-Takten eine Tiefe und psychedelische Schärfe verleihen, die augenblicklich vereinnahmt.
Minimalismus dominiert die EP, dennoch finden sich in den unorthodoxen Sound-Layern ein Hang zum weitreichenden klanglichen Detail, das von Lo-Fi-Rauschen, Störgeräuschen bis hin zu schimmernder Ambience und hypnotischen Untertönen reicht. Es geschieht in den Songs immer genau so viel, wie es muss, damit die Aufmerksamkeit auf den minimalen, aber stampfenden Grooves fixiert bleibt.
Eine Formel, die auf "I Don't Care", dem Standout-Track des Minialbums, zu einem packenden Zenit getrieben wird. Fast eine ganze Minute layern sich verschwommene Vocal-Samples über melancholisches Synth-Work, das klingt, als hätte man es aus einem Wassertempel-Level aus The Legend Of Zelda gesampelt. Wenn dann mit einer kurzen Hi-Hat-Hinführung Bass und Drumbeat einsetzt, verfällt der Song in eine bannende Trance, die das Wechselspiel des Beats und Parks abgeklärten, kommandierenden Sprechgesang endlos erscheinen lässt.
Doch "If U Want It" belässt es nicht dabei, ein hochgradig effektiver House-Synthwave-Hybrid zu sein. "ABC" zum Beispiel verbindet ihre Groove-Sensibilität mit einem Piano-Loop. Das klingt ruppig genug, um auf einem Nujabes-Album landen zu können. Wieder untermalen ihre verträumten Vocals zwischen Rap, Gesang und Spoken Word den psychedelischen Flair dieses nokturnen Bangers.
"Close Eyes" leistet die wohl klaustrophobischste Performance der EP und driftet mit fast industriellen Samples in Richtung Darkwave-Territorium ab, bevor ein unbändig eingängiges Synth-Riff die unteren Frequenzbereiche der zweiten Hälfte entert, um die Tanzbarkeit der ungewöhnlichen Komposition auf dem Niveau der restlichen Platte zu halten.
Erst der Closer "Call Me" erlaubt es sich, die Tanzbarkeit zugunsten eines experimentierfreudigeren Ambientes aufzugeben und schafft mit staubigen MPC-Drums und einem weiteren melancholischen Piano-Loop den wohl Hip Hop-affinsten Moment der Platte, der irgendwo zwischen J. Dilla, Knxwledge und der modernen Lo-Fi-HipHop-Strömung stattfindet. Im Kontext der EP fühlt diese schwebende, verlorene Nummer sich an wie der Heimweg im Morgengrauen nach einer Nacht in fernen Clubs. Die Dramaturgie ist beeindruckend einfühlsam und erschreckend effizient.
Park Hye Jins "If U Want It" ist ein Amalgam verschiedener Stile, die derzeit die Untergrund-Clubs von Seoul beherrschen und leistet dabei Großes, den Vibe und die Stimmung dieser Szene in eine kompakte, aber vielseitige und eindrucksvolle EP zu schmieden. Über gerade einmal 20 Minuten leitet Park durch Synth- und Darkwave, Deep House und alternativen Hip Hop, ohne auch nur eine Sekunde Kohärenz oder unleugbare Tanzbarkeit vermissen zu lassen.
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