laut.de-Kritik

Violinen, Celli und Percussion statt der erhofften Gitarrenarbeit

Review von

Ende '99 nahmen Pearl Jam den Frank Wilson Klassiker "Last Kiss" bei einem Soundcheck auf und verschenkten diesen an ihre treuesten Fanclub-Mitglieder zu Weihnachten. Eigentlich war nicht beabsichtigt, daß dieser Song an die breite Öffentlichkeit gerät. Doch die Aufnahme stieg hoch auf Platz 2 der Billboards ein und toppte alle früheren US-Radio-Airplays der Band. Ein Teil der eingespielten Einnahmen ging natürlich pc-mäßig irgendwohin in den Kosovo. Trotzdem kein Grund nach dieser kommerziellen PJ-Renaissance jetzt ein neues Album rauszubringen - oder erst recht?

"Binaural" (siehe Fremdwörterbuch) muß man wirklich mit zwei Ohren hören, um noch die alte PJ-Power zu verspüren. OK, der Erstling "Breakerfall" ist ein Rocker von echtem Schrot und Korn. So auch "Insignificance", der ungerechter Weise nur als B-Seite auf die Single draufgepackt wurde. Aber irgendwie fehlt der Drive an allen Ecken. Vielleicht ist dies dem neuen Produzenten Tschad Blake anzukreiden, der offenbar versuchte, die verschiedensten Schichten der Band zu beleuchten und dabei vorwiegend Licht auf die ruhigen Passagen legte. Hausproduzent Brendan O'Brien durfte ihm nur unterstützend am Mischpult zur Hand gehen. Für die minimal gehaltene Popsatire "Soon Forget" mußte Sänger Eddie diesmal sogar zur Ukulele greifen und macht mit seiner Stimme allenfalls eine bessere Figur, als seine Vordenkerin Marilyn Monroe. Nachdem Stone Gossards Label "Loosegroove" nun die Läden dicht gemacht hat, sollte er eigentlich mehr Zeit für seine Band übrig haben. Statt einem Focus auf seine immer gern gehörte kernige Gitarrenarbeit wird mir hier zuviel mit Violinen, Celli und Additional Percussion herumgewerkelt. Obwohl Neuzuwachs und Ex-Soundgärtner Matt Cameron bereit wäre, einiges an Speed von hinten zu bringen.

Natürlich haben Pearl Jam eine schwierige Position im Geschäft eingenommen. Sie gelten als die letzten Überlebenden der Grunge-Rocker. Im Moment sehen sie einem gruseligen Zweifrontenkrieg entgegen - die Boybands haben schon längs des Schützengrabens die Bajonette aufgepflanzt. Funpunker wie die Bloodhound Gang und die harte Fraktion um Korn oder Limp Bizkit lauern auf der anderen Seite.

Doch keine Angst! Die Perlen des Rock sind noch 'ne Weile "Alive" und jammen munter auf allen Schlachtfeldern Europas. Hoffentlich zücken sie nicht bald die weiße Fahne.

Trackliste

  1. 1. Breakerfall
  2. 2. Gods' Dice
  3. 3. Evacuation
  4. 4. Light Years
  5. 5. Nothing As It Seems
  6. 6. Thin Air
  7. 7. Insignificance
  8. 8. Of The Girl
  9. 9. Grievance
  10. 10. Rival
  11. 11. Sleight Of Hand
  12. 12. Soon Forget
  13. 13. Parting Ways

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Pearl Jam

Am Anfang steht ein tragischer Todesfall: Andrew Wood, Sänger der Band Mother Love Bone, der auch Stone Gossard (geboren am 20. Juli 1966) und Jeff Ament …

Noch keine Kommentare