laut.de-Kritik
Mehr als nur ein Gamer-Gimmick.
Review von Manuel BergerIn "Gothic" stiehlt sich mit In Extremo eine real existierende Band in die Computerspielewelt, "Brütal Legend" begleitet mit Legendensoundtrack einen Roadie mit metallischen Waffen durch eine Fantasy-Welt – da ist es eigentlich nur logisch, dass irgendwann auch virtuelle Rockstars ihre Krallen nach unserer Musikbranche ausstrecken. Wenn Blizzard sich für "Warcraft" einen Kinofilm basteln kann, kann Riot Games für "League Of Legends" auch eine Metalband erschaffen. 2014 erschien die erste EP "Smite & Ignite", jetzt liegt mit "II: Grasp Of The Undying" das LP-Debüt vor.
Digital-Charts-Platzierungen sind dank vieler Millionen von Spielern wohl vorprogrammiert. Und für Aufmerksamkeit in der Musikszene sollen Namen wie Jørn Lande (Masterplan), Tommy Lee (Mötley Crüe), Noora Louhimo (Battle Beast) und Mike Pitman (Xerath), der die allermeisten Instrumente eingespielt hat, sorgen. Und siehe da: Pentakill sind tatsächlich weit mehr als nur ein Game-Gimmick. Mit "II: Grasp Of The Undying" legen sie einen durchaus respektablen Beitrag zur Metallandschaft vor.
Nach Eigenständigkeit sucht man zwar vergebens. Man möchte eben möglichst viele Leute abholen und reißt deswegen so viele Subgenres wie möglich an, so lange sie noch mit der Bandlinie vereinbar sind: Hier ein bisschen Disturbed, hier ein bisschen Iron Maiden, hier ein bisschen Dio. Kennt man alles irgendwoher, und der so entstehende Genrequerschnitt legt die Marktstrategie offen, doch unbestreitbar ist auch, dass Pentakills Songs qualitativ über viele Zweifel erhaben sind.
"The Bloodthirster" etwa überzeugt mit galoppierendem Modern-Thrash-Staccato. Da kreist die Rübe automatisch mit. Sobald es in die Gesangsparts geht, dominiert Tech-Atmosphäre und Jørn Lande packt eigenwillige Vocalmelodien aus. Das krönende Keyboard-Solo könnte man mit anderem Backing auch wunderbar Children Of Bodom transplantieren. Das progressive "Cull" wartet vor allem gegen Ende mit rhythmischer Finesse am Schlagzeug auf.
Symphonisch wird es in "Mortal Reminder“ und "Blade Of The Ruined King". Avantasia sagen gedanklich hallo. In "Blade Of The Ruined King" tragen die Produzenten (hauptverantwortlich in diesem Fall: Alex "Scherzo" Temple) allerdings ein wenig zu dick auf. Wenn man sich schon ein 150-köpfiges Orchester plus Chor engagiert, dachte man sich wohl, dann kann man sich auch sieben Minuten lang einen damit abwichsen. Kann man, schlecht ist auch das nicht, zerfasert dafür schon. Eine Schwäche, die Pentakill in anderen Songs nicht zeigen: Es gibt klare Strukturen, man konzentriert sich auf den Song. "Blade Of The Ruined King" schielt dagegen mehr in die Soundtrack-Sparte. Zielgruppe: Das nach Epik verlangende Gamer-Herz.
Wirkliche Schwachpunkte sind aber nur "Rapid Firecannon", ein öder Knüppler, der mitsamt konturlosem Frickelsolo einfach durchrauscht, und "The Hex Core MK-2" mit Tommy Lee am Schlagzeug. Inmitten einer Industrial-Wüste bar jeder dynamischen Entwicklung gerät der Gastauftritt des Mötley Crüe-Veteranen zum Reinfall. Ein besseres Los hat da Noora Louhimo gezogen, die bei "Tear Of The Goddess" klar im Mittelpunkt steht und dank breiter Melodiebögen Elemente ihrer Stimme vorführen kann, die sie bei Battle Beast eher selten zeigt.
Natürlich endet Pentakill nicht bei der Musik. Wer möchte, kann sich mit der Origin-Story der "Bandmitglieder" weiterbilden: Kayle, Karthus, Olaf, Mordekaiser, Yorick, Sona. Letztere etwa hatte den Traum, Rock-Opern zu schreiben und auf große Tempel-Tour zu gehen. Auf der Suche nach dem mächtigsten Klang überhaupt, entfesselte sie auf einer vulkanischen Inselgruppe die "music of creation". Die war dann allerdings etwas zu mächtig und kostete Sona unter anderem eine Auftrittsmöglichkeit in Atlantis...
So ist zumindest Außenrum ein klares Augenzwinkern zu erkennen. Alles wirkt betont karikaturesk und erinnert manchmal gar an den Ansatz Tenacious Ds – ohne die große Vision und ohne, den Humor auch in die Musik zu übersetzen. Dort dürfen die "League Of Legends"-Monster äxteschwingend in die Schlacht ziehen, um die Metallande zu erobern. Ihre Armee mag zahlenmäßig beeindruckend sein und die Kämpfer gut ausgebildet – um sich wirklich durchzusetzen fehlt es den Retortenwesen dann aber doch an konkreter Motivation und tieferem Herzblut.
2 Kommentare
Da hat sich die Sucht ja anscheinend bis in die Redaktion geschlichen - schön, dass ihr sowas reviewt! Die 3/5 find ich genau richtig, die EP hatte mir vor paar Jahren besser gefallen. Da waren alle Songs richtig geil! Hier ist dann doch bisschen Füllmaterial dabei.
ungehört 1/5 für derartigen dreck sollte ehrensache sein.