laut.de-Kritik
Wolf, bleib bei deinen Krallen!
Review von Yan TemminghoffDass Matthew Greywolf ein kritisches Verhältnis zur Kirche hat, steht schwarz auf weiß im laut.de-Interview zur letzten Powerwolf-Platte "Call Of The Wild". Dabei wählt er neben der direkten Anklage zum Missbrauchsskandal auch stets humoristische Untertöne, um dem ach so ernsten Schalten und Walten im Namen des Herren eine andere Perspektive entgegen zu setzen.
Nun erscheint "Interludium" am Karfreitag. Das Artwork zeigt den wölfischen Abgesandten, der schwer am Kreuz zu tragen hat. Diese Effekthascherei kaschiert nur auf den ersten Blick, dass Interludium nur eine Zwischenlösung ist, quasi der Thomas Tuchel im Schaffen der Saarländer. Sechs neue Songs sind für eine CD zu wenig, für eine EP zu viel. Insofern hübschen die geschminkten Metal-Megaseller die Veröffentlichung durch vier Raritäten auf. So lässt es sich wenigstens über vierzig Minuten einen Wolf tanzen.
Die 6,66 Euro-Frage bei Wer wird Metallionär lautet: Welche Band steht Pate für den Powerwolf Song "No Prayer At Midnight"? Na, keine Ahnung? Nach Einsatz des Fifty-fifty-Joker bleiben nur zwei Antworten übrig. Iron Maiden und Iron Maiden, deren Album "No Prayer For The Dying" und deren Song "Two Minutes To Midnight" als Inspiration dienen.
Die Saarländische Power Metaller mit Gruselfaktor gastierten im vergangenen Jahr auf der Tour der eisernen Jungfrauen. Das melodische Material des Tracks lehnt die Band nur marginal an die britische Metal-Legende an. Maiden Manager-Rob Smallwood hat sicherlich genau im Blick, wo die Grenze zu möglichen Plagiatsvorwürfen liegt.
Das Quintett erweitert auf "Interludium" behutsam sein Klangspektrum. Wie auf dem letzten Longplayer arbeitet die Band die Orchesterparts als Teil des Songwriting-Prozesses ein und versieht die Songs nicht nachträglich mit Orchesterbeiwerk. Ayreon-Arrangeur und Epica-Produzent Joost Van den Broek ist als kundiger Klassik-Kenner wieder Teil des Produzenten-Teams.
Die Folk Metal-Ausreißer werden durch die prominente Platzierung als Single "Sainted By The Storm" noch deutlicher herausgestellt. "Altars Of Fire" ist im 3er-Metrum und mit Dudelsack-Gequäke ebenfalls in diesem Metier angesiedelt.
Vor lauter Bombast gerät Orgel-Performer Falk Maria Schlegel fast in Vergessenheit. Eher aus dem Hintergrund agierend bekommt Schlegel immerhin bei "Wolfborn" einen Song im Spotlight. Die Hymne vereint alle Trademarks des Rudels und dürfte Live für ordentlich Furore sorgen.
Ein interessanter Bruch findet nach den ersten sechs Songs statt. An die neuen Stücke schließen sich vier Raritäten an, denen der bekannte Bombast und die Hook-Lastigkeit abgeht, die dagegen aus dem klarem Fokus auf die Gitarren und verspielten Momenten ihren Reiz ziehen. Mit Blick auf die Strahlkraft und Stimme von Frontmann Attila Dorn ist die Entscheidung zu Gunsten des theatralischen Feuerwerks nachvollziehbar.
Ob man nun der Sinfonie der Tausend den Vorzug gibt oder das fünfköpfige Kollektiv goutiert, bleibt Geschmacksfrage. Das Nebeneinander von neu und alt zeigt eindrucksvoll auf, welche Reise die Band hinter sich hat. Auf der erweiterten Edition von "Interludium" findet sich neben einer CD, auf der etwa Rage und Korpiklaani Songs von Powerwolf covern, auch Orchesterversionen der Tracks. Meines Erachtens könnte der Wolf künftig häufiger seine Krallen zeigen.
1 Kommentar
mukke für den lautuser