laut.de-Kritik

Doom-Prog in magischer Vollendung.

Review von

Einerseits ergeben Psychotic Waltz ohne ihre beiden epochalen Frühwerke "A Social Grace" und "Into The Everflow" keinen Sinn. Andererseits verstellt die Kenntnis dieser frickel-folkigen Ausnahmewerke auch den Blick darauf, was satte 24 Jahre nach der letzten Platte "Bleeding" in Form von "The God-Shaped Void" erscheint.

Die Hippies unter den Progressive Metallern schießen ihr neues Werk zudem in Originalbesetzung in den Orbit. Wobei der Spirit der frühen Neunziger in musikalischer und biografischer Hinsicht gehörige Anpassungen an die Entwicklungen erfährt.

Die internationale Prog-Community kombiniert die Epik der ersten beiden Meisterwerke mit der Kompaktheit von "Mosquito" und "Bleeding". Auch Buddy Lackey alias Devon Graves Soloarbeiten mit Deadsoul Tribe haben ihre Spuren hinterlassen, gerade was Produktion und Atmosphäre betrifft.

Dreh- und Angelpunkt stellt Graves' hypnotische Stimme dar. Auch dessen an Front-Flamingo Ian Anderson angelehntes gefühlvolles Querflötenspiel findet sich wieder, leitet dieses Instrument doch die Platte ein. Auch das Gitarren-Duo Rock/McAlpin sticht mit seinen zweistimmigen Feeling-Raketen hervor.

Die Reise in die Vergangenheit weist gleichzeitig in die Zukunft, weil der hier präsentierte Prog für Genre-Verhältnisse erstaunlich leichtfüßig ins Ohr geht und unprätentiös daherkommt. Dennoch lässt die neue Platte nicht nur vom Namen her und mit ihrem Lost-in-space-Artwork von Travis Smith eine dystopische Sichtweise erkennen.

Auch musikalisch kehrt die Band dem Hippie-Prog mit Anything-Goes-Mentalität den Rücken zu und wandelt sich zum Unheil-Verkünder im düsteren Doom-Prog-Gewand. Es dominieren Ostinate-Riffs mit Keyboard-Untermalung. Die bekannten Doppelleads fallen deutlich melodiöser aus. Frickel-Parts im Stil von "And The Devil Cried" oder "Out Of Mind": Fehlanzeige, aber allein das Akustikgitarren-Outro im Closer "In The Silence" birgt pure magische Tonkunst.

"Stranded" besitzt einen dieser Refrains: Wie ein auditiver Massagestab stanzt sich die Melodie unwiederbringlich ins Stammhirn. "Demystified" ist der düstere Bruder der Klassiker-Ballade "I Remember". "Sisters Of The Dawn" referiert "Spiral Tower", pulverisiert diesen babylonischen Wahnsinn jedoch in der Folge in seine Grundbestandteile.

Graves' Experimentierfreude geht auf die akribische sowie zeitunabhängige Arbeit im eigenen Studio zurück. Produzent Jens Bogren (Haken, Leprous) tariert die Ideen sorgsam im Mix aus. Regierte früher die Spontaneität, überlässt das Quintett heuer nichts dem Zufall.

Manches im Waltz-Backkatalog ungeübte Ohr hört gar Ghost-Vergleiche. Daran schließt sich direkt die Frage an: Wer hats erfunden? Richtig, nicht die auf den schnellen Heller schielenden Schweden, sondern diese fünf Barden aus Kalifornien, die sich allen Business-Gesetzen erfolgreich wiedersetzen.

Trackliste

  1. 1. Devils And Angels
  2. 2. Stranded
  3. 3. Back To Black
  4. 4. All The Bad Men
  5. 5. The Fallen
  6. 6. While The Spiders Spin
  7. 7. Pull The String
  8. 8. Demystified
  9. 9. Sisters Of The Dawn
  10. 10. In The Silence

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LAUT.DE-PORTRÄT Psychotic Waltz

Es kommt selten genug vor, dass Eltern das musikalische Treiben ihrer Sprösslinge fördern, bei Dan Rock war das, Gott sei Dank, aber der Fall. Da sein …

3 Kommentare

  • Vor 4 Jahren

    Großartig!
    Ob es 5/5 oder eher 4/5 sind, wird sich aber erst nach mehreren durchläufen zeigen..

  • Vor 3 Jahren

    "so wenig Prog wie möglich, so viel Prog wie nötig"

    Nevermore war mal meine Metal-"Bibel" - wie "perfekter" Metal sein muss und nach dem Tod von Warrel Dane und dem Ende von Nevermore hatte ich mich frustriert (mal wieder) vom (Prog) Metal abgewandt und mich wieder mehr anderen Genres wie Indie Rock / Post Rock zugewandt.

    Die Dream Theater-Alben der letzten Jahre konnten mich nicht wieder "nach Hause" holen, die Symphony X-Alben noch weniger (schlimmer), und auch das letzte Tool-Album wurde leider durch die fehlende Abwechslung in den Liedern viel zu schnell zu langweilig - Ausnahmen waren nur unter anderem die ersten beiden Avatarium-Alben und W.A.S.P.s "Golgotha".

    Als ich nun die Alben einer "Best of Indie Rock“-Liste durchging fand ich einen Querverweis auf Psychotic Waltz, "Was Band XYZ heute im Indie Rock ist, war Psychotic Walz damals im Prog Metal"… Psychotic Waltz? Und dann erinnerte ich mich daran, dass die ersten beiden Psychotic Waltz-Alben auch mal so etwas wie meine Metal-"Bibel" waren, vor Nevermore. Aber ich erinnerte mich auch daran, dass es immer mal wieder Momente gegeben hat, wo ich damals gedacht habe: "würde mich auch freuen, wenn sie aus der einen oder anderen dieser vielen, vielen unterschiedlichen Passagen ein (normales) ganzes Lied machen würden" … Und so komme ich nun langsam zu meiner eigentlichen Rezension dieses Albums - welches ich nur dadurch gefunden habe, weil ich mich nicht mehr an die Namen der ersten beiden Psychotic Waltz-Alben erinnern konnte und darum nochmal nach Psychotic Waltz gesucht habe.

    Ich denke, viele andere Rezensenten hier - die anders als ich, mehr im Metal-Genre unterwegs sind - können dieses Album besser als ich im Metal-Genre bewerten. Was habe ich dann noch hier zu schreiben?

    - ich habe von Vergleichen mit Dream Theater oder Ozzy Osbourne ("Ozzmosis") gelesen; dass kann ich nicht unterschreiben. Stattdessen kann ich unterschreiben, dass es kein reiner Prog mehr ist, sondern ein PowerProg wie von Nevermore und Symphony X (aber mehr wie in den neueren Alben) - und damit kann ich es auch Vergleichen, allerdings, ohne die schnelleren Lieder, sondern "nur" die langsameren, bzw. mittel-schnellen/-langsamen … und wenn schon Dream Theater, dann vielleicht nur das "Train of Thought"-Album. Und das passt dann auch zu meinem damaligen Wunsch (siehe weiter oben), dass dies hier mal ein Album ist, auf dem der Prog nach dem Prinzip "so wenig wie möglich, so viel wie nötig" umgesetzt wurde…
    - dadurch ist es auch zu einem (mehr oder weniger normalen) Metal-Mainstream-Album geworden, was dem einen oder anderen nicht gefällt - da ich aber sowieso nicht mehr so im Metal-Genre unterwegs bin, habe ich kein Problem damit. Es ist aber auch ein wirklich SEHR GUTES (normales) Metal-Mainstream-Album geworden, was ich KEINER Band nach so vielen Jahren zugetraut hätte / zutrauen würde. Es klingt wie das Album einer Band, die man mit den Mannschaften aus der Fussball Champions League ab dem Viertelfinale vergleich könnte … also wie eine der ganz großen Bands…
    - … allerdings ist es nicht "Mainstream" genug, als dass es jemand ohne Metal-Hintergrund hören würde / könnte - es ist (vor allem der Gesang) zum Beispiel kein "Tool" - egal, ob das nun gut oder schlecht ist. Es wird (leider) nicht "so bekannt" werden und sich verbreiten. Und ich möchte vor allem für alle Indie Rock-Hörer nochmal betonen, dass ich das Album als Ex-Metaller im Metal-Kontext so bewertet habe…
    - es ist auch kein "Meilenstein" … ich werde es wahrscheinlich noch ein paar Wochen hören, aber vermutlich auch nicht länger. Trotzdem habe ich es so gut bewertet, weil es mir mal wieder diesen alten "Metal-Rausch" gegeben hat, was schon lange keines der neueren Metal-Alben mehr geben konnte - vor allem das Lied "Sisters of the Dawn": Ich bin normalerweise ein alter, gebrochener, verbitterter, einsamer Mann … aber im nächtlichen "Metal-Rausch" dieses Albums war ich wieder ein Highlander, ein Braveheart, … mit einer brennenden Flamme des Zorns im Herzen auf die Scheinheiligkeit, Doppelmoral, Sklaverei, Ungerechtigkeit,… dieser Welt wollte ich wieder in den Kampf ziehen - einer, alleine gegen Alle, nur mit einem Schwert bewaffnet und so weiter - solche (Gedanken-)Schauspiele hat mir dieses Album geschenkt, als ich viele Stunden bis spät in die Nacht mit Ohrhörern im Ohr durch die dunkle Wohnung auf und ab gelaufen bin und das ist mir diese hohe Bewertung dann auch wert - der Unterschied zu damals (als ich noch jung war) ist, dass man aber irgendwann wieder schmunzelnd aus solchen (Gedanken-)Schauspiele erwacht, mit dem Wissen, dass nicht die GANZE Gesellschaft und jeder ANDERE Mensch so ist - und, dass es auch in der eigenen Verantwortung liegt, was man daraus macht. Man muss zwar manchmal "mit", aber nicht "in" der / oder "wie" die Gesellschaft leben. Ich hoffe, ich konnte Euch damit unterhalten…

  • Vor 3 Jahren

    Hammermäßig und absolut einzigartig.