laut.de-Kritik
Wer sonst hat schon das Recht, sich selbst zu feiern?
Review von Joachim GaugerEinen Hang zum Monströsen darf man Roger Waters gewiss nachsagen, ohne eine Verleumdungsklage zu riskieren. Seine Aufführung von "The Wall" auf dem Potsdamer Platz aus Anlass des Mauerfalls beispielsweise ging in die Rockgeschichte ein: Nie wurde für ein Konzert eine größere Bühne errichtet.
Jetzt hat der Gründungvater von Pink Floyd wieder ein gigantisches Ding am Start. Die 24 Songs der vorliegenden CD wurden während der US-Tour Waters' mit großer Besetzung, großem Chor und vorzugsweise in großen Stadien aufgezeichnet. Ein einziges Stück ist neu, es versteckt sich hinter 23 alten Pink Floyd- und Roger Waters-Titeln ganz am Schluss.
Zumindest auf den ersten Blick hat "In The Flesh" alten Pink Floyd-Fans einiges zu bieten. Stücke aus fast allen Phasen der Band hat Roger Waters aus dem Archiv gezerrt. Waters präsentiert sein Lebenswerk oder besser gesagt: er zelebriert sich selbst. Die Aufführung hat etwas von einer heiligen Messe, nicht nur, weil die lang gezogenen uuuuhs und aaaaaahs des Background-Chors mitunter an Gospel erinnern.
Unendlich gedehnt halten Bass und Orgel manche Töne fest, manchmal erschreckt man richtig, wenn die Melodie dann doch noch weiter geht. Vor allem ältere Stücke, etwa "Time" oder "Money" vom Album "The Dark Side Of The Moon" sind kaum wieder zu erkennen. Auf die Dauer bewirkten die ruhigen, stark gesättigten Harmonien bei mir einen Trance-ähnlichen Zustand; für Freunde des Melodic-Rock aber muss die Platte ein Fest sein.
Nun ja, wer hat schon das Recht, sich selbst zu feiern, wenn nicht Waters? Ganz zum Schluss, nach fast zweieinhalb Stunden dann also "Each Small Candle", des Helden erste Tat seit geraumer Zeit. Da sind ihm mal wieder berührend schöne Klänge zugeflogen, gemeinsam mit einer namenlosen Soulstimme interpretiert er sie auch sehr bewegend. Allerdings dauert's auch hier wieder einige Minuten, bis die Sache überhaupt erst in Gang kommt. So schmückt sich Waters mit der Erhabenheit einer Monster Schnecke.
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