laut.de-Kritik

Der Meister als Gaststar auf dem eigenen Album.

Review von

Wozu etwas gut war, kann man oft erst viel später beurteilen. Als "Supernatural" 1999 erscheint und es vom Himmel Grammys regnet, sprechen nicht wenige aufgeregt vom Comeback des Großmeisters Carlos Santana. In Wirklichkeit durften wir den Beginn eines kreativen Todes miterleben.

Seitdem vertraut Carlos auf die ewig gleiche Formel, seine mehr und mehr ausfransenden Longplayer mit Gaststars zu füllen. Während Seal, Dido und Steven Tyler vor dem Studio Schlange stehen, verkümmert der Gitarrenfuchs auf seinen eigenen Alben zum Gaststar, der im Hintergrund brav die Gitarre knödelt. Ein in sich geschlossenes Werk wie einst "Caravanserai" brauchen wir von ihm wirklich nicht mehr erwarten.

Das schwache "Shape Shifter" brachte zumindest kurzzeitig die Hoffnung mit sich, dass dieser Spuk nun ein Ende gefunden hat. Aber mit "Supernatural"-Prouzent Clive Davis kehrt auf "Corazón", von der Plattenfirma groß als Santanas erstes reines Latin-Album angekündigt, auch die Featureflut wieder zurück. Neben Miguel, Ziggy Marley und Pitbull setzt er auf die in Südamerika bekannten Los Fabulosos Cadillacs, Skank, Diego Torres und die hierzulande fast schon in Vergessenheit geratene Gloria Estefan.

"Corazón" gelingt durchaus ein sonnendurchfluteter Start, dessen einziges Manko der zu euphorisch hinzugefügte Weichspüler sein dürfte. Wer in Latin-Musik eine Aufforderung zum Samba tanzen und Cocktails schlürfen sieht, findet mit den ersten drei Tracks "Saideira", "La Flaca" und "Mal Bicho" optimale Befriedigung.

Leidenschaftlich kochen sich Bläser, Hammond-Orgel und Percussions miteinander hoch, bis sie in "Mal Bicho", einem fiebrigen Rumba-Rap, ihren Siedepunkt erreichen. Carlos Santana zeigt noch mal eindrucksvoll, warum er zu den Gitarristen gehört, die man schon mit nur einem einzigen betörenden Ton erkennt. So weit, so gut.

Leider zerbröselt dieser angenehme Eindruck mit "Oye 2014" und kommt sich später nur noch ein einziges Mal wieder. In dieser sinnbefreiten Neuaufnahme zieht Pitbull Santanas Cover von Tito Puentes "Oye Como Va" mit dumpfen und nervtötenden Beats auf Black Eyed Peas-Niveau herunter. Ein Tief, aus dem das viel zu brave "Iron Lion Zion" nicht herauszuholen vermag. Deutlich orientiert sich Santana gemeinsam mit Ziggy Marley und den kolumbianischen Rappern von ChocQuibTown am samtweichen Singlemix des Bob Marley-Songs und schleift diesem die letzten überstehenden Kanten ab.

Mit "Una Noche en Napoles" und "Besos De Lejos", in dem Gloria Estafan den Part der verstorbenenen Cesaria Evora übernimmt, begibt sich Santana immer weiter in seichte Gefilde. Das von Romeo Santos gesungene "Margarita" ertrinkt zu zwei Teilen in Rührseligkeit: ein Teil Konsensmusik, der andere Teil zielloses Gitarrenspiel.

Doch erst mit Diego Torres und dem vor übelstem Schmalz triefenden "Feel It Coming Back" erreicht "Corazón" seinen zweiten Tiefpunkt. Mit dem miefenden Sexappeal des Deutschrocks, der jetzt auch mal die Hüfte schwingen und wie Latin klingen mag, schaukelt sich das zopfige Stück bis zu seinem ausufernden Refrain. Und dann die Hände zum Himmel und lasst uns fröhlich sein.

Wer all dies überstanden hat, findet im schwülen Salsa-Jazz von "Yo Soy la Luz" doch noch eine kleine überraschende Belohnung. Gemeinsam mit Saxofonist Wayne Shorter und Santanas Frau Cindy Blackman am Schlagzeug beschert dieser Track einen kurzen Blick in die Vergangenheit, der von Shorters Virtuosität lebt. Ein Jam, den auch das gegen Ende all zu plump und zu oft eingeworfene "Sexy"-Gestöhne nicht ruinieren kann.

Nach seinem Latin-Album möchte sich Carlos Santana mit der Originalbesetzung seiner Band auf die Arbeiten an "Santana IV" konzentrieren. Laut dem Gitarristen haben sie sich bereits mehrfach getroffen und unglaubliche Songs geschrieben: Die Hoffnung stirbt zuletzt, liegt mit "Corazón" aber in ihren letzten Zügen.

Trackliste

  1. 1. Saideira ft. Samuel Rosa
  2. 2. La Flaca ft. Juanes
  3. 3. Mal Bicho ft. Los Fabulosos Cadillacs
  4. 4. Oye 2014 ft. Pitbull
  5. 5. Iron Lion Zion ft. Ziggy Marley & Chocquibtown
  6. 6. Una Noche En Napoles ft. Lila Downs, Niña Pastori & Soledad
  7. 7. Besos De Lejos ft. Gloria Estefan
  8. 8. Margarita ft. Romeo Santos
  9. 9. Indy ft. Miguel
  10. 10. Feel It Coming Back ft. Diego Torres
  11. 11. Yo Soy La Luz ft. Wayne Shorter & Cindy Blackman
  12. 12. I See Your Face

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